„Star Wars Outlaws“: Wie KI die Gaming-Industrie revolutioniert
Das neue Computerspiel "Star Wars Outlaws" zeigt eine neue Kommunikation mit künstlichen Figuren. Bald könnten sie mithilfe von KI sogar richtige Persönlichkeiten entwickeln.
Inhaltsverzeichnis
Die Bar ist gut gefüllt – Wesen aus allen Ecken des Universums bevölkern die Cantina, spielen Karten, nehmen einen Drink zu sich und quatschen über ihre letzten Abenteuer, Aufträge oder kommende Missionen. Hauptprotagonistin Kay Vess schlendert durch die Spelunke, stellt sich mal unauffällig hierhin, dann dorthin. Da! – das klingt interessant und nach einer guten Gelegenheit, um ein paar Credits nebenbei zu verdienen. Abgelauscht von ein paar nichtsahnenden Kneipenbesuchern. Nur Minuten später ist die Abenteuerin unterwegs und versucht den unvorsichtigen Barbesuchern den lukrativen Auftrag vor der Nase wegzuschnappen.
Ohren auf und mitgelauscht
Das heute erscheinende „Star Wars Outlaws“ ist das neueste virtuelle Computerspiel-Science-Fiction-Abenteuer des französischen Spieleherstellers Ubisoft und spielt während der Zeit des galaktischen Bürgerkriegs. Der erste Todesstern ist zwar zerstört worden, dennoch versucht das Imperium alles, um die Rebellenallianz zu vernichten. Im Schatten dieses Krieges blüht die Unterwelt auf, in der sich Hauptprotagonistin Kay Vess zurechtfinden muss und sich einen Namen machen will.
Die kleine Spielszene beschreibt eine außergewöhnliche Interaktion mit virtuellen Charakteren in einer künstlichen Welt. Normalerweise läuft man zu einem sogenannten Questgeber, der einen Auftrag hat, spricht mit ihm, dann zieht man los und erfüllt seine Aufgabe. Hier muss man nun aufpassen, was um einen herum passiert – und man kann Glück haben oder Pech, wenn man nicht genau zuhört.
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Jede Emotion wird eingefangen
Seit Jahrzehnten versuchen Spieleprogrammierer ihre Figuren so echt wirken zu lassen wie nur möglich. Jede Emotion, die dem Menschen zu eigen ist, wird künstlich auch in Spiele implementiert – von freundlich über verhalten bis zu aggressiv und stocksauer. Man kann virtuelle Figuren überreden, betrügen und mit ihnen sogar Romanzen anfangen. Auch in „Star Wars Outlaws“ kann man seine Gunst frei verteilen und wird dann entsprechend belohnt oder bestraft.
Doch trotz aller Bemühungen haben die Computerfiguren dennoch stets etwas Hölzernes, auch wenn die Welten, durch die sie sich bewegen, immer glaubhafter werden. So sind sie direkt an die Aktionen und Reaktionen des Spielers gebunden. Die Dialogbäume, über die man mit ihnen spricht und interagiert, wurden im Lauf der Jahre zwar immer verzweigter, die Antwortmöglichkeiten vielfältiger – letztlich liefen Gespräche mit virtuellen Figuren aber immer nach einem ähnlichen Schema ab: Eine bestimmte Antwort des Spielers erzeugt eine passende Gegenantwort, abhängig von zuvor getroffenen Entscheidungen beziehungsweise davon, wie man den eigenen Charakter im Spielverlauf entwickelt hat.
Das Zauberwort, wie Spieler künftig noch echter und lebendiger wirken können, heißt auch in der Gaming-Industrie daher KI: So nutzt etwa das Weltraumspiel „No Man’s Sky“ seit Langem generative künstliche Intelligenz, um unendliche Universen zu kreieren, die für jeden Spieler und jede Spielerin einzigartig sind. In anderen Spielen lernen sich die Gegner an den Spieler anzupassen, unterstützen sich im Kampf gegenseitig und modifizieren ihre Strategien, um den Spieler zu besiegen.
Die Gegner werden besser
So wertet das Rennspiel „Forza Horizon 5“ etwa Fahrdaten vergangener Rennen aus und lässt die künstlichen Gegner dann eine Kurve etwas anders nehmen, um den Spieler zu überholen. Auch unterstützt KI in Ansätzen bereits darin, die Animationen von künstlichen Figuren realistischer aussehen zu lassen. So ahmt sie aus Videos und Bildern Bewegungen und Gesichtszüge nach. Dabei ordnet die KI-Software Bewegungen Emotionen und Spielsituationen zu, auf die sie reagieren soll.
Mit KI zu echter Persönlichkeit
Bei „Star Wars Outlaws“ existiert die Spielwelt sozusagen unabhängig vom Spieler, überall gehen Figuren ihren Tagesabläufen nach und je nachdem, wie aufmerksam oder unaufmerksam man durch die Welt läuft, bekommt man mehr oder weniger von passenden Gelegenheiten mit. Um echte KI handelt es sich dabei jedoch nicht, eher um eine simulierte, da auch hier vorprogrammierte Verhaltensweisen genutzt werden, also Skripte im Hintergrund ablaufen. Gleichwohl ist es ein großer Zwischenschritt auf dem Weg zu einer wesentlich natürlicheren Interaktion mit Spielern, die sich am Horizont bereits abzeichnet. Ziel: Die künstlichen Figuren sollen so echt reagieren, dass ihr Verhalten nicht mehr vorhersehbar und damit von den Reaktionen realer Personen nicht mehr zu unterscheiden ist.
Dialoge werden improvisiert
Ubisoft experimentiert aktuell mit solchen Ideen – etwa mit seinem Projekt „NEO NPC“. Es nutzt eine künstliche Intelligenz, um die Grenzen der Interaktion eines Spielers mit einem NPC auszuloten, ohne die Situation, in der er sich befindet oder dessen Charakter zu sehr zu verbiegen. Das wiederum bedeutet, dass die virtuelle Figur eine komplette Persönlichkeit braucht – samt Charaktereigenschaften, Hintergrundgeschichte und Gesprächsstil. Ein entsprechendes Sprachmodell beginnt dann, Dialoge zu improvisieren.
„Bisher habe ich die Hintergrundgeschichte einer Figur entwickelt, ihre Hoffnungen und Träume entworfen sowie die Erfahrungen skizziert, die ihre Persönlichkeit geformt haben. Dann habe ich dazu passende Dialoge geschrieben“, erklärt Ubisofts Narrative Director Virginie Mosser. Jetzt nutzt sie diese Kriterien, um ein Sprachmodell zu entwickeln, das unvorhersehbare und komplett neue Sprachverläufe ermöglicht. „Das ist eine ganz andere Vorgehensweise.“
„Ich soll diese Figur verkörpern“
Unterstützt wird Mosser bei dem Projekt von Datenwissenschaftlerin Mélanie Lopez Malet, die dem Sprachmodell unter anderem mithilfe der Analyse von Spielereingaben oder der 3D-Umgebung beibringt, sich passend zu Mossers Vorgabe zu verhalten. „Ein Sprachmodell ist eine große Blackbox. Basierend auf der Hintergrundgeschichte, der Persönlichkeit und dem Dialogstil, wie ihn sich ein Autor vorstellt, beginnt es zu verstehen, was man in einem Gespräch als Antwort erwarten würde“, erklärt sie. Das Modell begreift dann: „Ich soll diese Figur verkörpern.“
Dazu gehört, sich viel mit der virtuellen Figur zu unterhalten und immer wieder zu checken, ob sie sich im erwartbaren Rahmen verhält. Ziel ist es letztlich, den Charakter über das Sprachmodell so zu formen, dass er je nach seiner Persönlichkeit auf Aufforderungen des Spielers passend reagiert. „Wird die Figur etwa beleidigt, kann sie auf stur schalten und ist vielleicht nicht mehr zur Zusammenarbeit bereit.“ So, wie es auch Menschen in der Realität tun. „Wichtig ist aber zu betonen, dass diese Charaktere keinen freien Willen haben“, sagt Mosser. „Sie sind dazu da, eine bestimmte Rolle in einer Geschichte zu spielen.“
Dialoge werden automatisch erzeugt
Project „NEO NPC“ ist aktuell jedoch nur ein Prototyp und es ist noch ein weiter Weg, bis es in ein Spiel implementiert werden kann. Aktuell nutzt Ubisoft mit „Ghostwriter“ stattdessen bereits eine KI als Entwicklertool, das hilft, Antworten für Gespräche mit künstlichen Figuren zu entwickeln. Das kann zum Beispiel ein kleines Verkaufsgespräch sein. Das Tool funktioniert so, dass man als Storywriter einen Charakter entwickelt und eine Aussage vorgibt. Die KI stellt daraufhin verschiedene Dialoge zur Wahl. Aus dieser Auswahl lernt die KI wiederum, welche Ergebnisse der Nutzer bevorzugt und verbessert sich in ihren Vorschlägen.
Bis es zu echten Gesprächen mit künstlichen Figuren in Computerspielen kommt, dauert es daher noch. Bis dahin müssen sich Spieler noch mit Kommunikation auf herkömmliche Weise begnügen – aber Stimmung kann auch damit auf jeden Fall erzeugt und ein spannendes, abwechslungsreiches Spiel erschaffen werden: So reden in „Star Wars Outlaws“ die Wesen alle in verschiedenen Aliensprachen wild durcheinander. Auch das wirkt bereits extrem lebendig und dynamisch – ganz so, wie es in einer intergalaktischen Bar eben zugeht.