Unsere Smart Cities sind bis heute strohdumm
Martin Eisenlauer beschreibt sich selbst als Nerd. In seiner Kolumne für VDI nachrichten verspricht der erfahrene Techredakteur, die skurrilen und häufig missverstandenen Aspekte der technologischen Welt auf humorvolle Art zu beleuchten.
Der Wortanfang „Smart-“ hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Als das Handy zum „Smartphone“ wurde, war das eine Revolution. Doch seitdem scheint „Smart“ in der Krise zu stecken. Das „Smarthome“ bietet zwar einige komfortable Funktionen, konnte sich aber bis heute nicht flächendeckend durchsetzen. Die „Smartwatch“ ist immer noch nicht viel mehr als ein glorifiziertes Zusatzdisplay fürs Smartphone und die Geräteklasse der „Smart Displays“ hat es bislang noch nicht einmal ins öffentliche Bewusstsein geschafft.
Smart-Krise
Besonders hart scheint die Smart-Krise die Smart Cities zu treffen. Seit mehr als einem Jahrzehnt wird Politik und Industrie versprochen, dass unsere Städte endlich smart werden – und doch sind sie bis heute strohdumm. Verkehrs- und Staudaten werden nicht genutzt, um auch nur Ampelschaltungen intelligent anzupassen. Daten zur Luftqualität stehen Einwohnerinnen und Einwohnern nur auf umständlichsten Wegen mit teils tagelangen Verzögerungen zur Verfügung und selbst so einfache Dinge wie die Ummeldung des Wohnsitzes kriegen die Behörden in den meisten Städten auch 2024 noch nicht ohne einen Vor-Ort-Termin im Einwohnermeldeamt hin.
Angesichts all dieser unerledigten Digitalisierungsaufgaben ist es kein Wunder, dass wir in den Städten bis heute nach einem Parkplatz suchen, indem wir in immer größer werdenden Kreisen um unseren Zielort herumfahren. Öffentliches WLAN wurde zwar versprochen – aber kennen Sie einen Ort, an dem es tatsächlich auch nur halbwegs flächendeckend verfügbar ist?
Die anderen sind einfach smarter
Dabei könnten smarte Systeme das Leben in Städten so viel einfacher machen. In asiatischen Metropolen melden Mülleimer per SMS, dass sie geleert werden müssen. In Barcelona zeigen Augmented-Reality-Systeme Sehbehinderten, ob Fußgängerampeln rot oder grün sind. Edge-Computing-Systeme mit Kameras erfassen in der katalanischen Stadt die Verkehrslage und können bei Unfällen nicht nur Hilfe rufen, sondern auch die Verkehrssteuerung anpassen, um Staus zu verhindern und Rettungskräften freie Zufahrt zu verschaffen. Die wohl sympathischste Lösung: In Wien kann man per App in einigen Parks freie Liegestühle finden.
Intelligente Cities gewünscht
Sie sehen: Smart Cities können nicht nur die Lebensqualität ihrer Bewohnerinnen und Bewohner verbessern, sie können nebenbei auch noch Spaß machen. Doch Datenschutzbedenken, mangelnde Investitionen und teils schlicht fehlende Ideen lassen unsere Städte leider größtenteils dumm bleiben. Vielleicht sollten wir uns vom Wortanfang „Smart-“ lösen und in Zukunft von intelligenten Städten sprechen. Intelligenz, zumindest die künstliche, hat ja gerade Hochkonjunktur.