Wie Whatsapp zur Universal-App werden will
Was immer ein Chinese online erledigen will, es geht über die App „Wechat“. Der westliche Konkurrent Whatsapp hinkt da weit hinterher. So will Meta-Chef Mark Zuckerberg das jetzt ändern.
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Wer sich einen Einblick davon verschaffen will, wie Whatsapp in Zukunft aussehen wird, der muss nach Brasilien schauen. Hier testet der Techriese Meta revolutionäre neue Funktionen für die Messenger-App, die bald weit über das reine Schreiben und Empfangen von Nachrichten hinausgehen soll.
In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern dient Whatsapp heute schon als wichtiger Kanal für Unternehmen, um Produkte zu verkaufen oder Hilfestellungen zu leisten. Doch offiziell unterstützt werden sie dafür vom Entwickler bisher nur in Südamerika. Das wichtigste Tool dafür heißt wenig bescheiden „Magic“, zu Deutsch: Magie. Dahinter steckt die Möglichkeit, Geld einfach per Whatsapp-Chat zu überweisen. Ein Bankkonto ist dafür nicht erforderlich, gleichwohl aber eine Kredit- oder Debit-Karte, die mit der eigenen Whatsapp-Nummer verknüpft wird. Vor rund einem Jahr genehmigte die brasilianische Zentralbank den Dienst. Abgerechnet wird über das heimische Fintech-Start-up Cielo, die Karten können entweder von Visa, Mastercard oder drei der größten brasilianischen Banken stammen.
Whatsapp: „Magie“ für KMU
Zielgruppe von Meta sind dabei nicht die Großkonzerne. Wer bei Amazon bestellen möchte, kann das bequemer über die Website des US-Giganten machen. „Magic“ soll kleinen und mittelständischen Unternehmen das Leben erleichtern. Einen Kuchen beim Bäcker, Bier vom Supermarkt, das Geburtstagsgeschenk aus der Boutique, Blumen vom Floristen – solche Geschäfte sollen künftig immer mehr über Whatsapp abgewickelt werden. Brasilien ist für Meta dafür die ideale Testumgebung. 85 % der Brasilianer sind im Schnitt neuneinhalb Stunden pro Tag online – die meiste Zeit mit dem Smartphone. Eigentlich sollten die neuen Features parallel auch in Indien getestet werden, doch hier wartet Meta noch auf die Freigabe der Behörden.
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Neue Geschäftsmodelle für Meta
Die Bezahlfunktionen sollen Whatsapp neue Gewinnströme ermöglichen und damit auch Metas Profite mehren. Das bisherige Geschäftsmodell, das überwiegend auf Werbung setzt, florierte zwar zuletzt wieder, dürfte es langfristig aber schwer haben, sich noch weiter zu steigern. Schon heute gehört Meta zu den größten Profiteuren von Onlinewerbung auf der Welt.
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Was darüber hinaus mit neuen Services möglich ist, zeigt der große Konkurrent Wechat aus China. 2011 ebenfalls als Messaging-App gegründet, ist die Smartphone-Anwendung des Techriesen Tencent längst zu einer Universal-App geworden. Über Wechat können Nutzer Nachrichten schreiben, Videotelefonate durchführen, Streams anbieten, Videokonferenzen abhalten, Videospiele spielen, mobil bestellen und bezahlen, Fotos, Videos und Standorte teilen. Was bei uns durch mehrere Apps wie Whatsapp, Facebook, Twitter, Twitch, Paypal, Steam und Amazon abgedeckt wird, ist in China alles zusammengefasst. 2018 wurde Wechat mit 1 Mrd. Nutzerinnen und Nutzern erstmals zur meistgenutzten App der Welt, rund 95 % der Chinesen sind hier vertreten.
Whatsapp auf der Überholspur?
Diesen Erfolg strebt Whatsapp auch an und dafür will Meta den chinesischen Konkurrenten auch technisch überholen. Das soll mit KI-Funktionen funktionieren. Auch das testet Meta in Brasilien. KI-Chatbots helfen hier etwa Lieferdiensten, die Vorlieben ihrer Kunden anhand von banalen Angaben wie dem Lieblingsfußballklub vorherzusagen. Ein anderer wertet die Kreditwürdigkeit von Bankkunden anhand derer Social-Media-Profile aus, der Kredit kann dann über Whatsapp abgeschlossen werden. Daneben lassen sich Whatsapp-Chatbots aber wie ChatGPT und Konsorten nutzen, also etwa um Fragen zu beantworten, Inhalte zu erstellen oder Sprachen zu lernen – nur halt in Whatsapp direkt. Was bisher nur in Brasilien möglich ist, können in China schon alle Wechat-Kunden nutzen. Tencent veröffentlichte seinen KI-Assistenten Yuanbao Ende Januar.
Westlicher Behördenschimmel bremst Whatsapp
Dass sich im Westen vieles verzögert, liegt nicht nur an Meta und der späten Erkenntnis, Whatsapp zu einer Universal-App umzubauen, sondern auch an den Behörden. Gerade gegen eine App, die alles kann, gibt es in der Öffentlichkeit wie Politik viele Bedenken. Gerade Meta muss sich mit seinen Diensten Facebook und Instagram immer wieder gegen Vorwürfe wehren, gerade Kinder und Jugendliche zu übermäßigem Konsum der Apps zu verführen. Wettbewerbshüter fürchten, dass Universal-Apps den Wettbewerb einschränken würden, weil sie zu große Marktmacht besitzen. Welche Bezahl-App hätte schließlich noch eine Chance gegen den Komfort eines Whatsapp-Chats? Datenschützer fürchten, dass Meta mit einer Universal-App viele persönliche Informationen über seine Nutzer bündeln könnte.
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love your family but not the cross device family group chat? we have a solution for you: us pic.twitter.com/mnwIkZF1n0
— WhatsApp (@WhatsApp) July 3, 2024
Das ist auch der Grund, warum sich solche Apps außerhalb Chinas bisher nie durchgesetzt haben. Im Reich der Mitte sind westliche Apps oft gesperrt und Kreditkarten weniger stark verbreitet als im Westen – bester Nährboden für Apps. Dass Wechat sein Heimatland kaum verlassen hat, liegt nicht daran, dass es von der App keine englischsprachige Version gäbe. Auch Elon Musk versucht seit seinem Twitter-Kauf den Dienst zu einer Universal-App umzubauen – deswegen wechselte er auch den Namen zu X. Teilweise kommt der Widerstand sogar von der Konkurrenz. Apple erlaubt iPhone-Apps etwa erst seit Kurzem Mikrotransaktionen in der App. Zuvor war die Angst zu groß, über solche Dienste Nutzerinnen und Nutzer aus den Apple-eigenen Apps zu verlieren.