Aerodynamische Trailer sparen viel CO2
Lange war aerodynamische Optimierung Sport- und Rennwagen vorbehalten. Angesichts immer strengerer CO2-Vorgaben und eines wachsenden Kostendrucks im Transportgewerbe entdecken nun auch Lkw-Bauer und Logistikmanager das Thema für sich.
Vom legendären Enzo Ferrari ist der Satz überliefert „Aerodynamik ist etwas für Leute, die keine Motoren bauen können“. Diesem Diktum folgend, spielte Aerodynamik bei der Konstruktion von Alltags-Pkw lange keine große Rolle. Und bei Lkw und Kleintransportern – im Volksmund nicht von ungefähr „Kastenwagen“ genannt – schon gar nicht.
Seit einer Weile aber haben Lkw-Bauer das Thema für sich entdeckt. Ein einzelner, im Fernverkehr eingesetzter 40-t-Lastzug verbraucht bei einer Jahresfahrleistung von 100 000 km im Mittel 30 000 l Diesel und emittiert dabei 786 kg CO2 pro Jahr.
Fahrzeughersteller und Zulieferer bemühen sich redlich, Verbrauch und CO2-Ausstoß zu senken, stoßen hier jedoch – anders als beim Pkw – früh an ihre Grenzen. Der Grund: Von den klassischen Stellschrauben zur Verbrauchsreduzierung – Optimierung von Motor und Antriebsstrang, Senkung des Fahrzeuggewichts und Verbesserung der Aerodynamik – scheiden die beiden letztgenannten Maßnahmen beim Lkw praktisch aus.
Senkt man das Leergewicht von Zugmaschine und Anhänger, freut sich zwar der Spediteur über das Plus an Nutzlast. Das zulässige Gesamtgewicht (und somit die motorisch zu bewegende Masse) bleibt jedoch unverändert. Und ein quaderförmiges Fahrzeug kann nicht ohne Abstriche beim Nutzwert strömungsoptimiert werden. Oder etwa doch?
Der britische Aufbautenhersteller Don-Bur Bodies & Trailers aus Stoke-on-Trent ist davon überzeugt. Er praktiziert es in seinem „Teardrop“-Anhänger und verspricht bis zu 15 % Kraftstoff- und CO2-Einsparung. Der Name Teardrop (engl. für „Träne“) bezeichnet das tropfenförmige Hänger-Design: Durch die nach hinten absinkende Dachkante wird er strömungsgünstiger als das quaderförmige Pendant. Der Logistikriese DHL setzt in England mehr als 1100 Teardrop-Trailer ein.
Seit kurzem pendelt auch in Deutschland ein einachsiger 18 t-Teardrop-Auflieger mit 88 m3 Nutzlast, gezogen von einem Mercedes-Benz Actros, für das DHL-Partnerunternehmen Activ Cars zwischen Hamburg und dem Airbus-Werk in Toulouse.
Zur Zufriedenheit des Kunden: Die auf die Bedürfnisse des Flugzeugbauers maßgeschneiderte Trailerlösung trage dazu bei, „umweltfreundliche Fahrzeuge und neue Technologien einzusetzen, um den Straßentransport grüner zu machen“, hofft Christoph Boré. Leiter Transport Stückgut bei Airbus.
Die Trailer „erfüllen all unsere Erwartungen“, berichtet Tom Jeroense, Leiter Globale Logistiklösungen für Airbus bei DHL.
Activ Cars hofft auf eine Verbrauchsreduzierung zwischen 6 % und 10 %. Die vom Hersteller genannten 15 % dürften allenfalls auf englischen Straßen realisierbar sein. Dort beträgt die zulässige Maximalhöhe von Lkw nämlich 4,90 m, im Rest Europas dagegen 4,00 m.
Das verhindert nicht nur die Durchfahrt durch viele Tunnel.
Das reduziert die aerodynamischen Möglichkeiten des Teardrop-Designs: Naturgemäß sinken dann wegens des am Hängerende dann nur noch 3,22 m hohen Heckabschlusses nicht nur das Ladevolumen, sondern auch der aerodynamische Vorteil der Absenkung der Dach- und Seitenlinie.
Erste Praxiserfahrungen deuten auf eine Reduzierung des Kraftstoffverbrauch um ca. 5 %in Kontinentaleuropa hin. Bezogen auf einen eingangs erwähnten Durchschnittslastzug entspräche das einer Einsparung von 1500 l Diesel und 39,3 kg CO2 pro Jahr und Lkw.
Zugleich ein prägnantes Beispiel dafür, wie altbekannte Erkenntnisse der Ingenieurwissenschaften im Zuge aktueller Diskussionen neue Relevanz gewinnen.
Denn die Idee, Nutzfahrzeuge strömungsgünstig zu gestalten, ist 80 Jahre alt. Der Ingenieur Wunibald Kamm (1893 bis 1966), einer der deutschen Stromlinienpioniere, hatte entdeckt, dass der senkrechte Abriss eines sanft abfallenden Fahrzeughecks herausragende aerodynamische Vorteile bot.
Daher schnitt er kurzerhand das Heck des Mercedes 170 V ab und schuf damit „K-Wagen“, der beim Prototyp K3 auf einen bis heute bahnbrechenden cw-Wert von 0,23 kam.
Von dieser Erkenntnis profitierten nicht nur Sportwagen wie der Porsche 904 GTS, Ferrari Dino 246 GT oder Opel GT.
Jahrzehntelang war bei den von italienischen Karossier Zagato eingekleideten Spezial-Sportcoupés (Abarth, Alfa Romeo, Aston Martin oder Lancia) das senkrecht abgeschnittene Fahrzeugheck ein untrügliches Erkennungsmerkmal.
Auch bei Nutzfahrzeugen wurde früh das Potenzial der Luftwiderstandsoptimierung erkannt: 1935 führte ein anderer Aerodynamik-Vordenker, Reinhard Freiherr von König-Fachsenfeld, im Windkanal der TH Stuttgart Versuche an einem Omnibusmodell mit austauschbaren Heckvarianten durch. Auch er kam zu dem Ergebnis, dass die Abrisskante den cw-Wert stark verbessere.
Kamm setzte diese Versuche später fort und etablierte das „Kamm-Heck“ zu einem festen Begriff in der Strömungslehre.
An ihm kommt bis heute kein angehender Fahrzeugbauingenieur vorbei.
Erkenntnisse, die angesichts verschärfter CO2-Grenzwerte und steigenden Kostendrucks im Transportgewerbe aktueller denn je sind. Insofern ist es nur folgerichtig, wenn sich deutsche Fahrzeughersteller in jüngster Zeit intensiv mit dieser Idee beschäftigen. So entwickelte das Fahrzeugwerk Bernard Krone mit MAN die an einen Grindwal erinnernde Studie „Aero Liner“.
Dabei handelt es sich um einen konsequent optimierten Lastzug, angefangen beim formschlüssig ins Fahrerhaus integrierten Dachspoiler über die Seitenvollverkleidung bis hin zur Verjüngung des Trailerhecks. Das Ladevolumen des 20,40 m langen Gespanns entsprach dem eines herkömmlichen Lastzugs. Windkanalmessungen ergaben einen niedrigen Luftwiderstandsbeiwert (cw = 0,3), der jedem Pkw zur Ehre gereicht hätte.
Kraftstoff- und CO2-Einsparung bezifferte der Hersteller optimistisch mit bis zu 25 %. Buchstäblich Gegenwind erhält der Aerodynamik-Ansatz aber noch aus einer anderen Richtung: „In Ländern mit Fahrzeughöhenregulierung, also z. B. auf dem europäischen Festland, liegt der Nutzwert solcher Fahrzeuge eher auf niedrigem Niveau“, räumt Krone-Marketingleiter Tobias Eichberg ein. Grund sei, dass „durch die Formgebung im hinteren Fahrzeugbereich ein erheblicher Verlust an Ladevolumen entsteht.“
Vor diesem Hintergrund beklagte der Aufliegerspezialist schon bei der Konzeptpremiere auf der IAA 2012 die in der EU-Richtlinie 96/53/EG festgeschriebenen Maße und Gewichte von Nutzfahrzeugen. „Um das aerodynamische Potenzial des Fahrzeugs bestmöglich ausschöpfen zu können, wären Verlängerungen im Frontbereich des Fahrerhauses und am Heck des Sattelaufliegers erforderlich“, monierte damals Uwe Sasse, Geschäftsführer Entwicklung und Konstruktion bei Krone, „2,30 m mehr Länge würden schon reichen.“ Inzwischen hat die Politik teilweise nachgebessert.
Die Änderung der Richtlinie im Frühjahr 2014 wurde von VDA-Präsident Matthias Wissmann als Schritt in die richtige Richtung begrüßt.
Zugleich mahnte Wissmann weitere Schritte für eine „praxisgerechtere Regelung“ an.
Um neue verbrauchsreduzierende Technologien in die Fahrzeuge zu bringen, bräuchten die Hersteller aber „mehr Bauraum und zusätzliche Flexibilität für die Aerodynamik“, sagte Wissmann.
Zudem plädierte er für „ausreichende Fristen aufgrund der langen Produktzyklen des Nutzfahrzeugs.“
Einen anderen Weg zu mehr Windschlüpfigkeit zeigte US-Zulieferer Wabco auf der IAA 2014: die Lösung „Opti Flow Tail“ zur Optimierung des Luftstroms am Trailer-Heck. Sie besteht aus vier faltbaren Kunststoffpaneelen, die an die Flügeltüren des Anhängers montiert werden.
Sie stellen eine Ergänzung zu der Seitenverkleidung Opti Flow Side Wings dar.
Diese patentierten Luftleitelemente verzögern durch ihre spezielle Kontur den Luftstrom. So wird der Staudruck an Achsen und Rädern verringert, was den Luftwiderstand senkt, weil die Luft unter dem Trailer hindurch und um ihn herum geleitet wird. Laut Wabco ergibt das in der Summe 7 % Sparpotenzial.
Der kombinierte Einsatz beider Aerodynamikelemente an Seiten und Heck soll laut Wabco bis zu 7 % Kraftstoffeinsparung bewirken.
Fazit: Die faszinierende Idee, durch aerodynamische Perfektionierung von Lastzügen Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen spürbar zu senken, stößt in Deutschland und vielen anderen EU-Staaten wegen der Bauhöhenbegrenzung von Nutzfahrzeugen auf 4 m schnell an ihre Grenzen.
Eine Anhebung dieses Limits ist allein schon wegen der Durchfahrtshöhe ungezählter Brücken- und Tunnelbauwerke auf den paneuropäischen Transitrouten illusorisch.
Darüber hinaus bleiben als verbrauchs- und schadstoffreduzierende Maßnahmen vor allem innermotorische Verbesserungen im Antriebsstrang, an denen Lkw-Hersteller und Zulieferer mit hoher Schlagzahl arbeiten – sowie Leichtlaufreifen, Leichtlauföle oder Leichtbau – die Mittel der Wahl.
Eine mögliche Alternative wäre der Lang-Lkw, der ungeachtet positiver Praxiserfahrungen etlicher Speditionen noch immer auf hartnäckigen Widerstand der Politik trifft.