Infrastruktur 27. Aug 2024 Von Wolfgang Schmitz/dpa Lesezeit: ca. 3 Minuten

Hannovers Pläne für eine autofreie Innenstadt könnten kippen

Mit seinen Plänen einer fast autofreien Innenstadt hat Hannovers Oberbürgermeister Onay bundesweit Schlagzeilen gemacht – und sogar international. Jetzt stößt er auf Widerstand. Ist die Wende am Ende?

Autofreie Zonen gibt es bereits in der Innenstadt Hannovers. Ginge es nach dem OB, wären es noch viel mehr. Die Opposition denkt anders.
Foto: imago/imagebroker

Am Auto scheiden sich eben doch die Geister: Eine autofreie Innenstadt plant Hannovers Stadtverwaltung, ausgerechnet in der Stadt, die nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs „autogerecht“ wieder aufgebaut wurde. Der Klimawandel lässt eben umdenken. Bis 2030 soll die Innenstadt weitestgehend autofrei sein, Parkplätze an Straßen und Plätzen sollen verschwinden, einzig die Parkhäuser können geöffnet bleiben. Doch es gibt Widerstand: Die Ratsmehrheit aus SPD, CDU und FDP im Rat der Landeshauptstadt mahnt, das Zentrum müsse erreichbar bleiben, auch mit dem Auto. Verabschiedet sich die Stadt von ihrer europaweit beachteten Vorreiterrolle?

Das ist die Frage. „Nicht jeder einzelne Schritt rettet die Welt“, sagt Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay. Aber der Weg zur autofreien Innenstadt sei ein kleiner Mosaikstein. Dem Deutschen Städtetag diene Hannovers Konzept der nahezu autofreien Innenstadt als Blaupause, es werde als Mut stiftend wahrgenommen: „Davon weichen wir ab zu ,Auto first‘“, kritisiert er. Der Antrag der drei Parteien schreibe vor allem den Status quo fest. Und er wirft der Ratsmehrheit vor, mehr Autos in die Innenstadt locken zu wollen.

Die autofreie Innenstadt war im Wahlkampf wichtiges Thema des Grünen-Politikers und Oberbürgermeisters Belit Onay

Das widerspreche jedem deutschen und europäischen Trend. „Sehr befremdlich“ nennt Onay denn auch den Antrag der Ratsmehrheit und auch „frustrierend“: „So wird keine Stadt von morgen entstehen.“

Onay war Ende 2019 zum Oberbürgermeister von Hannover gewählt worden, damit beendete er eine mehr als 70-jährige SPD-Herrschaft im Rathaus. Die Vision einer autofreien Innenstadt war im Wahlkampf des Grünen-Politikers ein wichtiges Thema.

Europaweit treibt die Verkehrswende die Stadtplaner um, in Paris etwa soll das Auto auf einer wachsenden Zahl von Seitenstraßen Fußgänger- und Grünflächen weichen, Fahrspuren werden in Radwege umgewandelt. Und die Metropole sagt schweren Autos den Kampf an: Eine Stunde Parken im Zentrum kostet für schwere SUV und andere gewichtige Karossen von September an für eine Stunde 18 €, für sechs Stunden werden gar 225 € fällig.

Das Konzept sieht vor: Wer in der Innenstadt von Hannover wohnt, kann den privaten Stellplatz mit dem Auto erreichen, Taxi- und Lieferverkehr dürfen rollen, Menschen mit Behinderung erhalten sogar mehr Parkplätze. Alle anderen fahren über wenige Stichstraßen in die Innenstadt zu den Parkhäusern. Oder sie nutzen Bus und Bahn, radeln oder gehen zu Fuß. Parken im öffentlichen Raum sieht das Mobilitätskonzept nicht mehr vor.

Der Antrag der Ratsmehrheit enthält 79 Forderungen, die meisten davon dürften alle Beteiligten unterschreiben – wenn es um mehr Leben auf öffentlichen Plätzen geht, um mehr Außengastronomie oder um mehr Sicherheit, indem der Ordnungsdienst auf zunächst 75 und dann 100 Stellen aufgestockt wird. Auch der Wunsch nach mehr Sauberkeit dürfte nicht zum Zwist führen, eher schon, auch aus rechtlichen Gründen, die Forderung nach mehr Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten. Zudem will die Ratsmehrheit mehr Stadtgrün, Zisternen, um Regenwasser zu speichern, mehr Fußgängerzonen und wie die Stadtspitze den Opernplatz aufwerten. Ohne Verkehr.

Kritik der Opposition: Vom Konzept profitierten nur junge und gesunde Menschen

Kritisch wird es eben bei der Mobilität: Laut Antrag soll die Innenstadt mit dem Auto gut erreichbar bleiben. Oberirdisches Parken will man daher dort erhalten, Parkgebühren sollen nur noch bis 18 Uhr statt 20 Uhr erhoben werden, um mehr Menschen in die City zu locken. Außerdem will man ein neues Parkhaus bauen. „Unausgewogen“ nennt Lars Kelich, SPD-Fraktionschef im Rat der Landeshauptstadt, das Mobilitätskonzept der Stadtverwaltung, das auch der Hauptgrund für den Koalitionsbruch gewesen sei. Ende November 2023 hatte die SPD die Koalition mit den Grünen im Rat beendet.

Das Konzept der Verwaltung richte sich an Menschen, die jung und gesund seien oder in der Landeshauptstadt wohnen, kritisiert Kelich. Das werde einer Stadt mit einem Einzugsradius von 100 km nicht gerecht: „Wie erreiche ich eigentlich die Innenstadt?“ Er sei davon überzeugt, dass eine Landeshauptstadt mit dem Auto erreichbar bleiben müsse. Aus seiner Sicht sei es unverantwortlich, mit einer autofreien Innenstadt das „Einzugsgebiet Hannovers abzuhängen“ – wenn gleichzeitig der Deutschlandtakt im Schienenverkehr noch Jahrzehnte auf sich warten lasse.

Das Konzept der drei Parteien sehe er als zukunftsträchtig an, betont Kelich. Zur Verkehrswende gehöre auch die Antriebswende, und jeder zehnte Stellplatz solle eine Ladesäule bekommen. Außerdem sei es ein „ausgleichendes Konzept“, weil auch die Ausweitung von Fußgängerzonen vorgesehen sei.

Debatte müsse Wirtschaft und Handel berücksichtigen

Gleichzeitig soll der Parkraum erhalten bleiben, doch die 4000 Parkplätze, die laut Antrag nicht wegfallen dürfen, sind Kelichs Worten zufolge eine symbolische Zahl: Nicht jeder Parkplatz werde angesichts neuer Fußgängerzonen erhalten bleiben. Ein neues Parkhaus wiederum solle vom Betreiber finanziert werden.

Maximilian Oppelt, der Kreisvorsitzende der CDU, macht klar, die Debatte über die Innenstadt dürfe „nicht allein auf das Auto reduziert“ werden: „Unser Antrag stärkt Wirtschaft und Handel und will Anlässe schaffen, dass möglichst viele Menschen die City gern besuchen.“ Das ginge aber nur, wenn die Menschen sich dort gern aufhielten, erklärt FDP-Fraktionschef Wilfried Engelke – und mahnt mehr Sicherheit und Sauberkeit an. Es dürfe keine „Angsträume“ in der City geben.

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