Biokraftstoffe: Neue Raffineriekonzepte für eine Herstellung im Tonnenmaßstab
Es werden auch weiterhin Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren gebraucht. Wie deren ökologischer Fußabdruck gesenkt werden kann, daran forscht ein Bündnis unter Leitung der Technischen Universität München.
Auch wenn viele Hoffnungen auf der Elektromobilität ruhen – für die Luftfahrt und den Schiffsverkehr wird es auch weiterhin hohen Bedarf an Kraftstoffen für Verbrennungsmotoren geben. Damit diese nachhaltiger werden, startete Anfang des Jahres ein Forschungsprojekt unter Leitung der Technischen Universität München (TUM). Entwickelt werden soll ein neues Raffineriekonzept, das erneuerbare Kraftstoffe im Tonnenmaßstab für den Verkehrssektor produziert – durch Kombination von E-Fuels mit Biokraftstoffen.
E-Fuels werden mithilfe von erneuerbarem Strom und Kohlendioxid (CO2) – möglichst aus der Luft – hergestellt. Biokraftstoffe hingegen entstehen aus Biomasse, wobei allerdings große Mengen des darin gebundenen Kohlenstoffs bei der Umwandlung zu Kraftstoffen häufig wieder als CO2 entweichen, wodurch auch der Rohstoffbedarf steigt.
Anlagen für erneuerbare Kraftstoffe und für E-Fuels zusammenschalten
Die Teams im neuen Verbundprojekt „Synergy Fuels“ wollen nun die Demonstrationsanlagen, in denen E-Fuels hergestellt werden, mit jenen zusammenschalten, die Biokraftstoff produzieren. „Die stoffliche und energetische Integration der Synthesen von E-Fuels und Biokraftstoffen schafft Synergien“, erklärt Projektkoordinator Jakob Burger, Professor für Chemische und Thermische Verfahrenstechnik am TUM Campus Straubing für Biotechnologie und Nachhaltigkeit. „Die Nutzung von erneuerbarem Strom zur Umwandlung von CO2 zu flüssigen Kraftstoffen erhöht die Kohlenstoffeffizienz der biotechnologischen Verfahren. Zudem ermöglicht die langfristige Kohlenstoffbindung in Form des Nebenprodukts Pflanzenkohle sogar negative CO2-Emissionen, also eine netto Kohlenstoffabscheidung aus der Atmosphäre.“
Ein Beispiel für eine solche Synergie ist die Nutzung der Abwärme aus den (thermo-)chemischen Synthesen (etwa der Methanolsynthese) für die Produktaufarbeitung. Oder die Bereitstellung von biogenem CO2 ebenfalls für die Methanolsynthese sowie von biogenem Wasserstoff durch die thermochemische Konversion von Biomassereststoffen. Dadurch kann auf die Verbrennung von Kohle oder Erdgas verzichtet werden und auch die aufwendige Abscheidung von CO2 aus der Atmosphäre entfällt.
Herstellung Kerosin und Diesel aus Kohlendioxid
Beteiligt an dem Projekt ist auch das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Straubing, das sich auf die heterogenkatalytische Synthese von Mitteldestillatkraftstoffen, also Kerosin und Diesel, aus CO2 und erneuerbarem Strom konzentriert. Die zu entwickelnde Prozessroute verläuft über Alkohole und Olefine als Zwischenprodukte. Das CO2 stammt direkt aus technischen Prozessgasen, zum einen aus der fermentativen Ethanolproduktion, zum anderen der thermokatalytischen Biomassekonversion.
Power-to-X-Verfahren mit Biomasse-basierten Prozessen verbinden
„So gelingt es uns, Power-to-X- und biomassebasierte Verfahren wertschöpfend zu verbinden“, sagt Arne Roth, Projektleiter am Fraunhofer IGB in Straubing: „Dabei ist uns wichtig, nicht nur linear entlang einzelner Prozessketten zu denken, sondern wie in einer Raffinerie verschiedene Stoffströme durch Prozessvernetzung möglichst effizient zu nutzen.“ Die Forschenden arbeiten dabei nicht nur an kleinskaligen Tests im Labor, ihr erklärtes Ziel ist der Technikumsmaßstab zur Produktion von Kraftstoffmustern.
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„Wir benötigen hocheffiziente Verfahren, um nachhaltige Drop-in-Kraftstoffe in industriellen Mengen zu vertretbaren Preisen herzustellen. Unser Verbund pilotiert diese Verfahren, damit eine schnelle Markteinführung der neuen Kraftstoffe gelingt“, sagt Projektleiter Burger. Drop-in bedeutet, dass die Kraftstoffe nahtlos dem bestehenden Kraftstoffpool zugemischt werden können und so die fossilen Kraftstoffe ersetzen, ohne die Motoren technisch zu ändern.
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In den Raffinerieverbund werden in den nächsten vier Jahren neun Syntheseanlagen in Ostbayern integriert, darunter bestehende in Straubing und Sulzbach-Rosenberg. Diese Anlagen produzieren eine breite Palette von erneuerbaren Kraftstoffen im Tonnenmaßstab. Die Projektbeteiligten überprüfen deren physikalische Eigenschaften wie Schmierfähigkeit oder Kälteverhalten. Anwendungspartner aus den Bereichen Luft- und Schifffahrt sowie Fahrzeuge und mobile Maschinen demonstrieren die Eignung der Kraftstoffe im Realbetrieb.