Klimapolitik 25. Aug 2022 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 4 Minuten

Bundesregierung: Pläne zu Klimaschutz bei Gebäuden und Verkehr ungenügend

Nach Angaben des Expertenrats für Klimafragen (ERK) können die Sofortprogramme der Bundesregierung in den Bereichen Gebäude und Verkehr die Einhaltung der Klimaziele nicht sicherstellen – beim Verkehr fehlt schon im Ansatz ein hinreichender Anspruch. In den Reaktionen wird von einem Versagen gesprochen.

Das soll zusammenkommen: Energiewende und der Verkehr. Das Bundesverkehrsministerium hatte dazu ein Sofortprogramm vorgelegt. Das hatte der Expertenrat für Klimafragen geprüft und am 25. 8. 2022 für untauglich erklärt.
Foto: Joerg Boethling

Es wäre ja nicht so, als ob Bundesverkehrsminister Volker Wissing keine Baustellen zu beackern hätte. Und dass sein Ressort in Sachen Klimaschutz großen Nachholbedarf hat, hatten diverse Expertinnen und Experten in den letzten Jahren schon seinen CSU-Vorgängern ins Stammbuch geschrieben. Aber die Ampelkoalition wollte mit sogenannten Sofortprogrammen Schwung in die Sache bringen, um die selbst gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen. Das aber ist – zumindest für den Verkehrssektor – nach den heute vorgestellten Ergebnissen einer Prüfung durch den Expertenrat für Klimafragen (ERK), krachend gescheitert – weil das aus dem Hause Wissing vorgelegte Sofortprogramm nämlich gar keines ist.

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Zwar gebe es eine „emissionsmindernde Wirkung“, aber das Programm erfülle nicht die Anforderung an ein Sofortprogramm gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz (§ 8 Abs. 1 KSG), heißt es in einer Mitteilung des Expertenrats Klima. „Das Sofortprogramm für den Verkehrssektor spart nach Angaben des Verkehrsministeriums nur 14 Mt (Mt: Megatonnen) an Treibhausgasemissionen ein, sodass sich rechnerisch immer noch eine Erfüllungslücke von 261 Mt bis 2030 ergibt“, bringt es Brigitte Knopf, stellvertretende ERK-Vorsitzende, auf den Punkt.

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Energetische Gebäudesanierung ist einer der Schlüssel für Klimaschutz im Bausektor. Foto: Rainer Weisflog

Etwas besser ging es dem Sofortprogramm aus dem Hause der Bundesbauministerin Klara Geywitz für den Gebäudesektor. Mit einer Emissionsminderung von 137 Mt an CO2-Äquivalenten erfüllt das Papier zumindest laut Expertenrat die Anforderungen eines Sofortprogramms gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz (§ 8 Abs. 1 KSG). „Zwar würde es trotz des Sofortprogramms in den Jahren 2022 bis 2027 weiterhin zu Überschreitungen der KSG-Vorgaben kommen. Ab dem Jahre 2028 weisen die Ministerien aber entsprechende Unterschreitungen aus, sodass die kumulierte Erfüllungslücke zwischen Emissionspfad und KSG-Zielpfad bis zum Jahr 2030 ausgeglichen würde“, so der Expertenrat.

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Allerdings: Die vertiefende Prüfung der Annahmen zeige, dass die Realisierung der von den Ministerien ausgewiesenen THG-Minderungen nur teilweise wahrscheinlich sei. „Rechnerisch würde der Gebäudesektor summarisch sein Emissionsziel bis 2030 erreichen, wenn die durch die Ministerien angegebenen Treibhausgasminderungen in vollem Umfang einträfen“, so der EKR-Vorsitzende Hans-Martin Henning. „Ob die Einsparungen allerdings wirklich in diesem Umfang realisiert werden können, erscheint nach unserer Prüfung fraglich.“ Die Crux ist, dass das Programm für den Gebäudesektor erst zum Ende des Jahrzehnts eine starke Minderung vorsieht. So richtig zuversichtlich, dass das erreichbar ist, ist der EKR offenbar nicht.

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gibt sich angesichts des Prüfergebnisses nicht gerade euphorisch: „Wir sind in der Pflicht, noch im September das Klimaschutzsofortprogramm zu beschließen. Dabei müssen alle Sektoren ihren Beitrag leisten, sonst werden wir die Klimaziele nicht erreichen. Dabei geht es nicht um abstrakte Zahlen, sondern darum, dass wir die Grundlage für ein Leben in Freiheit und Wohlstand bewahren.“ Vor allem sein Kollege Wissing ist also in der Pflicht. Während der Gebäudesektor durch die Gaskrise eine seit Jahren nicht gekannte Beweglichkeit zeigt, Energieeffizienzpotenziale zu heben, steht das im Verkehrsbereich noch aus.

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Das Klimaschutzbündnis „Klima-Allianz Deutschland“ spricht beim Verkehr von „Arbeitsverweigerung“ und kommentiert: „Was der Verkehrsminister für den Klimaschutz tun will, ist so bedeutungslos, dass es dem Expertenrat nicht einmal eine vertiefende Prüfung wert ist.“ Die Bundesregierung müsse bis zum Herbst ein abgestimmtes Klimaschutz-Sofortprogramm vorlegen, das diesen Namen verdiene.

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Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), sprach von einem „miserablen Zeugnis“, das der Expertenrat ausgestellt habe. Er forderte ein „sofortiges Maßnahmenpaket“: im Verkehrssektor ein Ende klimaschädlicher Subventionen und ein sofortiges Tempolimit, für den Gebäudesektor keine Ausnahmen mehr bei bestehenden Sanierungspflichten und Mindesteffizienzstandards für den Gebäudebestand.

Warum braucht es eigentlich Sofortprogramme für den Klimaschutz?

„Die Vorlage der Sofortprogramme war gemäß Klimaschutzgesetz erforderlich, weil diese Sektoren die festgelegten Jahresemissionsmengen überschritten hatten“, erklärt dazu das Bundeswirtschaftsministerium. Grundlage dafür ist das KSG. Dessen Messlatte hatten die beiden Sektoren für das Jahr 2021 gerissen: „So hatte der Gebäudesektor die im Klimaschutzgesetz festgelegte Jahresemissionsmenge im Jahr 2021 um gut 2 Mio. t CO2-Äquivalente überschritten. Der Verkehrssektor hatte die Jahresemissionsmenge für 2021 um 3 Mio. t CO2-Äquivalente überschritten“, schreibt das Ministerium.

Für den Fall einer Zielverfehlung im Vorjahr sieht das KSG vor, dass die zuständigen Ministerien innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm für den jeweiligen Sektor vorlegen. Die Zielverfehlungen im Gebäude- und Verkehrssektor hatte der EKR am 13. April 2022 bestätigt, die beiden zuständigen Ministerien hatten dann jeweils fristgerecht zum 13. Juli 2022 entsprechende Sofortprogramme für ihre Sektoren veröffentlicht. Verbunden mit der Veröffentlichung haben die Ministerien den Expertenrat für Klimafragen gebeten, die den Sofortprogrammen zugrunde liegenden Annahmen zur Treibhausgasminderung gemäß § 12 Abs. 2 KSG zu prüfen. Eine solche Annahmeprüfung ist gemäß § 8 Abs. 2 Sätze 3 und 4 KSG zwingender Bestandteil einer Beschlussvorlage für das Bundeskabinett.

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