CO2 aus Biogas ist in Europa auf dem Vormarsch
Bei der Verwertung von CO2 aus Biomethananlagen sind Störstoffe im Biogas problematisch. Jetzt gibt es hierzu einen eigenen europäischen Industriegasstandard.
Rund 3 Mio. m3 Biomethan jährlich erzeugt die Vergärungs- und Biogas-Aufbereitungsanlage der AVA Abfallverwertung Augsburg. Die Biogasbranche arbeitet daran, neben Gas, Strom und Wärme noch weitere vermarktbare Produkte zu entwickeln. „Wir haben etwa 5000 t bis 6000 t Kohlendioxid im Jahr“, erzählt Wolfgang Veszely, Projektleiter der Biogasanlage; das könnte ein solches Produkt sein. Die großen CO2-Händler hätten anfangs Interesse gezeigt, aber bislang sei ein Geschäftsabschluss daran gescheitert, dass die Mengen zu gering seien.
Die industrielle Anwendung von CO2 ist breit gefächert: in der Lebensmittelbranche ebenso wie in der Landwirtschaft, in Feuerlöschern, als Kältemittel, aber auch in der Lasertechnik. Die chemische Industrie stellt aus CO2 – zusammen mit Ammoniak – Harnstoff her.
Das vom Methan abgespaltene Kohlendioxid wird in Augsburg mit einem Kryogensystem von Pentair Haffmans verflüssigt, so dass es in Reinform vorliegt und als vielfältiger Rohstoff genutzt werden kann. „Wir haben schon zweimal analysieren lassen, dass unser CO2 Lebensmittelqualität hat“, sagt Veszely.
Für diese Qualitätsanforderungen gibt es seit Februar den aktualisierten Standard 70/17 des Europäischen Industriegasverbands Eiga (European Industrial Gases Association). Hierin sind die Herkünfte, Grenzwerte für Verunreinigungen im ppm-Bereich und die Nachweisführung geregelt. „Vorher gab es nur die Herkunftsart ‚CO2 aus der Fermentation‘, die aber eigentlich für Brauereien und die Ethanolproduktion gedacht war“, erläutert Uwe Kikillus, Product Line Manager Biogas beim niederländischen CO2-Aufbereitungsspezialisten Pentair Haffmans: „Jetzt gibt es eine Einstufung für ‚CO2 aus Biogas‘.“
Der Standard fordert eine Lebensmittel-Sicherheitsrisikoanalyse, die auch den Vergärungsprozess und die Substrate einbezieht, und ein Lebensmittel-Sicherheitsmanagementsystem wie die ISO 22000. Für die weltweite Getränkeindustrie liegt zusätzlich noch eine CO2-Qualitätsrichtlinie der ISBT (International Society of Beverage Technologists) vor. Diese wird zurzeit überarbeitet, wobei ebenfalls CO2 aus Biogas aufgenommen werden soll. „Die ISBT ist zwar auch in Europa tätig, hat ihren Hauptstandort aber in Nordamerika. Der europäische Markt für flüssiges CO2 orientiert sich mehr am Eiga-Standard“, erklärt Kikillus.
Mit dem überarbeiteten Papier reagiert die Eiga auf Anforderungen aus der Praxis, denn CO2 aus Biogas ist in Europa auf dem Vormarsch. Vor allem in den Niederlanden und in Großbritannien besteht eine hohe Nachfrage nach CO2 weiß Kikillus: „Auf der britischen Insel gibt es ein CO2-Defizit. Das Gas muss für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie vom Kontinent importiert werden. In Großbritannien wird hauptsächlich Biogas aus Energiepflanzen aufbereitet. Das ist relativ problemlos im Hinblick auf Verunreinigungen des Gases.“
In den Niederlanden würden hingegen vor allem Bioabfälle mit höherer Störstoffkonzentration im Gas eingesetzt, was eine verstärkte Prozesskontrolle erforderlich mache. Der Eiga-Standard 70/17 unterscheidet deshalb zwischen Biogasanlagen, die nur Energiepflanzen nutzen, und solchen, die – auch – Abfall einsetzen. Die erwähnte Risikoanalyse muss bei Abfallanlagen deutlich umfassender ausfallen. Das CO2 wird in den Niederlanden vor allem in Gewächshäusern eingesetzt.
Die Basis des Biogasaufbereitungsverfahrens der AVA ist eine mehrstufige Membrantrennung. Kommt zudem die Kryogentechnologie zum Einsatz, kann der Methanschlupf vollständig unterbunden und das CO2 zurückgewonnen werden. Dieses wird mithilfe eines Kältemittels bei -28 °C verflüssigt.
„Noch im Off-Gas befindliches Methan verflüssigt sich nicht. Es wird in die erste Membraneinheit zurückgeführt“, erklärt Maschinenbauingenieur Kikillus. Eine Abgasnachbehandlung oder Schwachgasverwertung sei dann nicht mehr erforderlich.
Pentair biete die CO2-Rückgewinnung auch zum Nachrüsten für alle bestehenden Biogas-Aufbereitungsanlagen an. Eine Ausnahme sei die Druckwasserwäsche, weil hier Luft zur Regenerierung der Waschlösung eingesetzt werde.
Die CO2-Vermarktung sei ein spannendes und ein sehr regionales Thema, so Kikillus. Bezogen auf Deutschland, gebe es zum Beispiel an der Rheinschiene viel chemische Industrie und infolgedessen ein CO2-Überangebot. In anderen Gegenden, wie in Hamburg, herrsche dagegen ein Mangel und die Preise seien hoch. Industriegasanbieter wie Linde oder Air Liquide würden diese regionalen Angebots- und Nachfragedifferenzen für ihr Geschäft nutzen.
Von den bisher 36 Pentair-Biomethananlagen, die zum Großteil in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich errichtet wurden, ist rund die Hälfte mit einer CO2-Verflüssigung ausgestattet. „Wir haben uns erst auf andere Märkte konzentriert“, sagt Kikillus.
Um „grünes“ CO2 voranzubringen, wünscht sich der Pentair-Manager eine Treibhausgasberechnung anhand tatsächlicher Werte, wie es nach der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung möglich ist oder wie sie in Großbritannien zur Förderung erneuerbarer Wärme angewandt wird. „Die CO2-Nutzung wird sich bei uns noch ergeben“, ist Wolfgang Veszely, Leiter technische Dienste AVA Augsburg, überzeugt.