In Baku gestartet 11. Nov 2024 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 6 Minuten

COP29: Was wir von der Weltklimakonferenz in Aserbaidschan erwarten dürfen

Heute ist in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, die 29. Weltklimakonferenz gestartet. Es geht um viel Geld für den Klimaschutz. Und welche Rolle spielt Donald Trump?

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Heute ist in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, die 29. Weltklimakonferenz gestartet. Es geht um viel Geld für den Klimaschutz. Und welche Rolle spielt Donald Trump?
Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire/Bianca Otero

Schon im Vorfeld der COP29, der Weltklimakonferenz in Aserbaidschans Hauptstadt Baku, war klar: Die Ausgangslage für die Staaten der Welt, eine wirksam Klimaschutzpolitik zu betreiben, wird immer schlechter. Die Weltmeteorologieorganisation WMO, die Weltumweltorganisation UNEP, Wissenschaftlerinnen und Forscher aus aller Welt präsentierten Studien und Projektionen, die nur eines zeigen: Die Mensch gemachten Treibhausgasemissionen steigen. Und wieder einmal wurden Rekordwerte bei den gemessenen globalen Mitteltemperaturen erreicht.

In Folge wird es immer wahrscheinlicher, dass sich nicht nur das Klima- sondern das gesamte Erdsystem recht langfristig ändert. Mit Folgen für alle. Wie sich das auswirken könnte, das war in diesem Jahr auf der ganzen Welt zu sehen. Auch wenn die Zuordnung jedes einzelnen dieser Extremwetterereignisse zum Klimawandel als Verursacher – wie der Flut in Spanien Ende Oktober – wissenschaftlich nicht so ganz einfach ist.

Kurz vor der COP29 hat UN-Klimachef Simon Stiell festgestellt, dass alle Klimapläne, die die Staaten bei der UNFCCC eingereicht haben, den Ausstoß klimaschädlicher Gase wie Kohlendioxid nur um 2,6 % bis 2030 drücken würden – verglichen mit 2019. Nötig wären aber 43 % – um die schlimmsten Folgen der Klimakrise abzuwenden. Würden alle bestehenden Klimaschutzpläne auch umgesetzt, steuert der Planet bis 2050 auf eine Erhöhung der globalen Mitteltemperatur um 2,6° C bis 3,1° C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter (Mitte des 19. Jahrhunderts) zu. Zur Erinnerung: Seit der COP15 in Paris visiert die Weltstaatengemeinschaft das 1,5°-Grad-Ziel an. Klare Zielverfehlung also.

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Trotz weltweiter Kriege wie dem in der Ukraine und Nahost, dem Klimamenetekel der nahenden erneuten US-Präsidentschaft Donald Trumps und dem globalen Konflikt zwischen westlichen Demokratien und Autokratien um China und Russland soll jetzt in Baku, einem auf Öl- und Gasförderung bauenden Land, eine erfolgreiche Weltklimakonferenz abgehalten werden? Für viele Deutsche macht es die innenpolitische Unsicherheit in Deutschland sicher nicht einfacher, daran zu glauben, diese Bundesregierung auf Abruf würde auf dem Parkett in Baku ernst genommen. Die sollen was reißen in Sache Klimaschutz?

Hoffnung macht zumindest, dass trotz aller Kriege Klimaschutz weltweit Fahrt aufnimmt. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist auf Rekordniveau, und die Klimaschutzgesetzgebungen und Vorgaben der Regierungen nehmen zu. Allen voran in China. 2023 ist der Aufbau globaler Kapazitäten zur Ökostromerzeugung schneller gestiegen als jemals zuvor in den letzten drei Jahrzehnten, das auf der COP28 in Dubai festgelegte Ziel, die globale Kapazität für Erneuerbare bis 2030 zu verdreifachen gilt als erreichbar.

Was steht in Baku auf dem Spiel? Geld, Geld und nochmals: Geld!

Ganz oben auf der Agenda steht das Geld: Wer zahlt für all die fälligen Ausgaben, die die Staaten weltweit aufwenden müssen, um überhaupt Klimaschutz betreiben zu können und um sich gegen die durch den schon erfolgten Klimawandel besser schützen zu können. Auch Schäden durch klimabedingte Ereignisse müssen ausgeglichen werden. Wer soll das alles zahlen und wenn ja, wer zahlt wie viel? Der Ausbau grüner Energien kostet Geld, Deiche ebenso und Schäden wie die in Spanien gehen schnell in die Milliarden € – für ein einziges Schadensereignis. Am bedürftigsten sind die ärmsten und verwundbarsten Länder in den Weltregionen, in denen sich der Klimawandel erwartbar am stärksten auswirkt.

Schon vor Jahren haben die Industriestaaten jährlich 100 Mrd. $ zugesagt – jährlich. Und da geht es um Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nicht um die Beseitigung von Schäden. Zugesagt von 2020 bis 2025. Inzwischen fließt das Geld, im Schnitt dürften die 100 Mrd. $/a erreicht werden. Dass das geklappt hat, ist auch ein Erfolg deutscher Klimapolitik. Baku soll eine Nachfolgeregelung zumindest vorbereiten, am besten verabschieden. „In Zeiten klammer Kassen und vielfacher Belastungen dürfte diese Debatte keine einfache werden. Das neue Ziel soll sich am tatsächlich ermittelten Bedarf richten“, schreibt Larissa Schwedes von der Deutschern Presseagentur (dpa).

„Die diesjährige Konferenz ist zwar kleiner als die vorangegangenen, soll aber dennoch dazu beitragen, dass die Klimaschutzmaßnahmen über Ziele und Pläne hinaus zu einer echten Dynamik werden“, so Anna Granskog und Vishal Agarwal von McKinsey. Das bezieht sich zwar eher auf Unternehmen, gilt aber auch für die Finanzierungsfrage. Es geht höchstwahrscheinlich in Zukunft um noch mehr Geld per annum. Heißt: 100 Mrd. $/a sind viel zu wenig. Aber wie viel tatsächlich auf den Tisch gelegt wird am Ende, das ist eines der großen Unbekannten von Baku, und an dieser Zahl wird sicherlich auch der Erfolg der COP29 gemessen werden. Die USA aber dürften wegen der kommenden Präsidentschaft Donald Trumps als Zahler vielleicht sogar komplett ausfallen (zumindest offiziell. s. u.). Und nur wenn die Europäer es schaffen, Resilienzförderung und Klimaschutz zusammen zu denken, wird für sie ein Schuh draus.

Am wichtigsten aber wird sein, inwieweit Staaten wie China, Indien oder auch Brasilien und Indonesien ihrer Verantwortung für den Klimawandel und damit die wirklich schwächeren Staaten der Welt auch offiziell einräumen und damit eine Zahlungsverpflichtung verbinden. Noch trägt der weltweit größte Treibhausgasemittent China den Status als „Entwicklungsland“ wie eine allmächtiges Abwehrschild gegen alle Ansprüche vor sich her. Doch auf Weltklimakonferenzen wird auch Tacheles geredet. China wie andere wirtschaftlich in den letzten Jahrzehnten stark aufstrebende Nationen können für ihre eigenen Treibhausgasemissionen nicht länge jedwede Verantwortung weit von sich weisen und nur auf die historischen Schulden der Industrieländer zeige. Es wird einfach zu unglaubwürdig.

„Zwei Drittel der Treibhausgasemissionen kommen inzwischen aus Schwellen- und Entwicklungsländern“, so Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze. „Auch Staaten, die bislang nicht zu den klassischen Gebern gehörten, aber die nötige Wirtschaftskraft haben, sollten künftig dazu beitragen.“ Und sie glaubt auch, dass angesichts der angespannten öffentlichen Haushalte „private Klima-Investitionen eine zentrale Rolle spielen müssen.“

Schließlich wird es darauf ankommen, dass die Wirtschaft selbst den Klimaschutz mit allen daran hängenden Investitionen als attraktives Feld noch stärker als bisher entdeckt und Geld hineinschießt. Nur so werden sich die Summen aufbringen lassen, die nötig sind: „Die Wirtschaft braucht Anreize, um ihre Investitionen zu erhöhen“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im Vorfeld der COP29.

Aserbaidschan verdient sein Geld vor allem mit der Förderung von Öl und Gas

Kann das eine erfolgreiche Klimakonferenz werden? Ja, kann es – muss aber nicht. Baku in Aserbaidschan ist nach Scharm-el-Scheich in Ägypten und Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten der dritte Austragungsort in einem Öl- und Gasstaat der Welt in Folge, der die COP zum UN-Klimarahmenvertrag ausrichtet. Während die COP27 berechtigterweise kaum noch in Erinnerung ist, so war dadurch der Druck auf die COP28 in Dubai sehr groß und sie rief schließlich in der Abschlusserklärung zur Abkehr von fossilen Energien auf. Ein Kompromiss zwar, wie immer, denn die Abkehr von fossilen Energien stand in der Abschlusserklärung, bis wann aber, stand nicht drin. Unter langjährigen Klimadiplomaten gilt das aber dennoch als Erfolg.

Ölfeld bei Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans. Zum dritten Mal in Folge findet eine Weltklimakonferenz in einem Öl- und Gasförderstaat statt. Die COP29 beginnt am 11. November und dauert zwei Wochen.Foto: picture alliance / Westend61 | Fabian Pitzer

Bedenken gibt es dennoch. So zitierte die dpa Greenpeace-Deutschland-Chef Martin Kaiser, der klagt, dass schon wieder in „einem autokratischen Gastgeberland“ getagt werde, „das die Förderung von Öl- und Gas als Hauptstandbein seiner zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung sieht und erhalten möchte“. Kaiser zufolge aber könne am Ende ein Erfolg in Baku stehen, wenn dort die „überfällige Trendumkehr bei den ständig steigenden Emissionen“ eingeleitet würde.

Trumps Wiederwahl: Was sie für den globalen Umstieg auf erneuerbare Energien bedeuten könnte

Die Befürchtungen, dass der noch nicht einmal amtierende nächste US-Präsident eine sehr große Rolle spielen könnte, sind da. Merkpunkt ist, dass die USA in Trumps erste Amtszeit (2017 bis 2021) aus dem Pariser Klimaabkommen (COP15) ausgestiegen waren. Vor allem aber steht die Ankündigung Trumps im Fokus, die USA in die Reihe der Öl- und Gasförderstaaten inklusive der Neuerschließung fossiler Energiequellen zu stellen und seine USA-First-Agenda. „Der rücksichtslosen America First Agenda von Trump sollten Deutschland und die EU zu Beginn der Konferenz ein klares Bekenntnis zur Kooperation bei der Lösung der Klimakrise entgegen setzen“, fordert zum Beispiel Greenpeace-Manager Kaiser.

Andererseits: Ob Donald Trump jetzt die USA dauerhaft zum größten Öl- und Gasförderland der Welt machen will, oder Deutschland-Kanzler-in-spe, Friedrich Merz, irgendwann in Zukunft hierzulande die Windräder wieder abbauen will, weil er genügend neue Kernkraftwerke gebaut haben wird, etwas bleibt unbeachtet: Technologien aus dem Bereich erneuerbare Energien wie Solar und Wind sind global inzwischen nicht nur absolut wettbewerbsfähig, sondern schlicht und einfach die wirtschaftlichste Technologie, um Stromerzeugungskapazitäten aufzubauen. Das berichtet nicht nur die IEA. Diese Technologien sind längst Wirtschafts- und Standortfaktoren geworden und verschieben global Wertschöpfungsketten – weg von Kohle, Öl und Gas.

Eine Blockade der USA in Baku ist nicht zu befürchten, eine Lähmung schon und ein Erstarken des Widerstands der Öl- und Gasstaaten gegen eine weitere Beschleunigung des Ausstiegs aus fossilen Energien. Das aber ist ohnehin in Baku nicht das dringlichste Problem (s. o.). Zudem: Schon während der ersten US-Präsidentschaft Donald Trump hat sich in den USA eine Gegenbewegung gebildet, die auf der COP23 in Bonn 2019 ihren ersten großen Auftritt hatte – gerade wegen Donald Trump. Inzwischen segeln unter dem Namen „America is all in“ elf US-Bundesstaaten, 170 Investoren, fast 3000 Unternehmen und gut 350 Kommunalverwaltungen und machen ihre eigene Klimaschutzagenda. Ob die US-Regierung jetzt mitspielt oder nicht, die Initiative will die US-CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens die Hälfte verringern. Und sie kann auch wirklich massiv Gelder in jenen Staaten investieren, die es dringend nötig haben.

Baerbock fordert gerechte Klimafinanzierung

Die deutsche Vertretung ist mit einem Führungsanspruch nach Baku gereist, weiß aber, dass es auf das Kleinklein ankommen wird. „Die COP29 in Baku wird eine echte Handwerkerkonferenz“, so Baerbock. „Die globale Klimafinanzierung wollen wir vom Kopf auf die Füße stellen. Alle, die es sich leisten und beitragen können, sind nun gefragt – traditionelle Industrieländer genauso wie alle Länder, die wirtschaftlich dazu in der Lage sind.“ Zwar verhandeln die Deutschen im Rahmen der EU, spielen dort jedoch eine zentrale Rolle.

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