Das tödliche Geschäft mit dem Blei
In vielen afrikanischen Ländern hat sich eine Schattenwirtschaft mit alten Autobatterien etabliert: Arbeiter vor Ort brechen das Blei heraus und schmelzen es zu Barren. Untersuchungen des Öko-Instituts ergeben, dass das Blei wahrscheinlich in Neubatterien europäischer Hersteller landet.
Als die Delegierten der UN-Umweltversammlung – heute geht sie in Nairobi zu Ende – in ihren Dossiers blätterten fanden sie dort auch einige Bilder. Und vielleicht ist der ein oder andere Blick daran hängen geblieben. Die Bilder zeigen junge Menschen, die ohne Schutzkleidung aus Altbatterien das Blei herausholen, in simpelsten Öfen schmelzen und in handelbares Gut verwandeln. Sie zeigen Bleibarren für den Weltmarkt, den Rohstoff für Autobatterien, aufgetürmt in staubigen Hinterhöfen. Ein Projekt des Öko-Instituts und seiner afrikanischen Partner soll helfen, die Aufmerksamkeit auf die desaströsen Zustände in Afrikas Bleihütten zu lenken.
Ganz ähnliche Bilder haben sich in den letzten Jahren rund um den Globus verbreitet. Rauchwolken über den Vororten der ghanaischen Metropole Accra und mittendrin die Kabelsammler, die in den Feuern den wertvollen Rohstoff Kupfer erschmelzen.
Nun also das Grobrecycling von Autobatterien. Es wird in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern betrieben – vor allem in Afrika, südlich der Sahara.
Für die Lastwagen, die ausgediente Blei-Säure-Batterien anliefern, öffnet sich mehrmals am Tag das Tor zur gut gesicherten Werkstatt. Manchmal sind es trockene Akkus. Manchmal muss die Batteriesäure noch abgegossen werden.
Abgeschüttet wird die Säure auf dem oft nackten Erdboden des Werksgeländes, wo sie an Ort und Stelle versickert. Bisweilen führen Rinnen die Chemikalie bis hinter das Betriebsgelände. „Zum Aufbrechen stellt der Arbeiter die Batterie auf einen Spaltklotz und schlägt sie geschickt mit einer Machete auf“, berichtet Tobias Schleicher, der die Gelegenheit hatte, einen Blick hinter die Mauern solcher industrieller Kleinbetriebe zu werfen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Andreas Manhart widmet sich Schleicher seit letztem Jahr dem Bleiprojekt. Beide sind Mitarbeiter des Öko-Instituts, das die Mittel dafür in einer Spendenaktion eingeworben hat.
Hauptsächlich sind es junge, kräftige Männer, die in den Bleihütten arbeiten. Sie reißen die Bleiplatten aus dem Batteriegehäuse und tragen den Schrott zum nahen Schmelzofen, wo das flüssige Blei in Formen gegossen wird. Rund 50 kg wiegt ein Barren. Es ist ein Knochenjob, den die Männer ohne Atemschutz und ohne adäquate Arbeitsschutzmaßnahmen verrichten. „Gängige Praxis“, sagt der Wissenschaftler Tobias Schleicher. Alles auf dem Gelände ist bedeckt von einer dicken Schicht Bleistaub, der beim Verarbeiten anfällt. Mittendrin essen und trinken die Arbeiter.
Die Recycler arbeiten durchweg mit ähnlicher Hüttentechnologie. Verbreitet sind zwei Ofentypen: „Klassische Schachtöfen, die mit Holzkohle befeuert werden oder ölbefeuerte Drehrohröfen“, sagt Schleicher. Verarbeitet würden üblicherweise rund 1000 t Batterien pro Anlage und Monat. „Das entspricht der Ladung von 50 Lkw“, ergänzt er. Die Batterien stammen überwiegend aus dem heimischen Markt, etwa von Gebrauchtwagen, die nach Afrika exportiert wurden.
Ihre Aufgabe sehen die beiden Projektleiter darin, diejenigen Umweltbehörden, Wissenschaftler und Umweltgruppen in Afrika zu unterstützen, die das Problem bekannt machen und sich für bessere Bedingungen in den Bleihütten einsetzen wollen. So sind die meisten Recyclingbetriebe von den Partnern vor Ort begutachtet worden. Das Öko-Institut half mit seinem Erfahrungswissen. „Das ist eine Form von zivilgesellschaftlicher Arbeit, die wir in Afrika fördern“, erläutert Manhart und erklärt das Prinzip: „Letztendlich sind es die Akteure vor Ort, die das Problem thematisieren und sich für Lösungen einsetzen müssen.“ Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass in Afrika mehrere Duzend solcher Bleihütten existieren, Tendenz steigend. Hinzu kommt eine große Zahl von Hinterhofbetrieben, in denen die Situation ebenso gravierend ist.
Pb ist nicht nur die chemische Formel für Blei, es steht für ein tödliches Problem. Die Menschen in den Bleihütten sind extremen Bleibelastungen ausgesetzt, die nach kurzer Zeit zum Tod führen können. „Wer da arbeitet, hat keine sehr große Lebenserwartung mehr“, sagt Andreas Manhart, spürbar angefasst. Die Arbeiter sind sich nicht bewusst, dass der Umgang mit dem toxischen Staub quasi ihr Todesurteil ist. Erste Beschwerden wie Schwäche, Fieber, Gliederschmerzen werden vom Arzt zumeist als Infektionskrankheit gedeutet und mit Pillen behandelt.
Zwar handelt es sich nicht um klassische Kinderarbeit. Trotzdem sind Kinder betroffen – entweder wohnen sie nebenan oder die Eltern kommen mit kontaminierter Kleidung heim. Dennoch verdienen sich viele Menschen in den afrikanischen Ländern ihren Lebensunterhalt mit dieser Art des Batterierecyclings.
800 000 t Blei aus Altbatterien fallen jedes Jahr in Afrika an. Jedoch gibt es vor Ort kaum Verwendung dafür. Genutzt wird ein Bruchteil in Nischenanwendungen. Etwa zum Beschweren von Fischernetzen, für Munition und zur Herstellung von Legierungen für Kochtöpfe. So sind die Bleihütten auf den Export des Recyclingbleis angewiesen. „Das ist hochprofitabel, man bekommt die Batterien, verkauft das Blei, Umschmelzen ist technisch kaum aufwendig – besonders, wenn man komplett auf Arbeits- und Umweltschutz verzichtet“, sagt der Freiburger Forscher.
Wo aber gehen die Bleibarren hin? Die Untersuchungen zeigen: Sie gehen zurück in den Weltmarkt. Zunächst in Raffinerien, zur Aufbereitung und anschließend als Sekundärrohstoff in die Batterieproduktion. „Das Blei aus den afrikanischen Schmelzöfen gelangt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in die EU und in unsere Autobatterien“, sagt Manhart.
Noch gar nicht im Fokus ist die Verwendung der Überreste der Batterien. „Aus den ungereinigten Kunststoffgehäusen werden Wassertanks oder Stühle produziert“, berichtet Tobias Schleicher. „So verteilt sich das Blei zusätzlich in Produkten des Alltags.“
Nun setzen Schleicher und Manhart auf die UNEA, die UN-Umweltorganisation. „Wir müssen die Aufmerksamkeit für dieses Thema erhöhen und hoffen, dass die UNEA dem einen Schub gibt. Das kann dazu führen, dass die Nachfrage nach sauberer Technik steigt“, sagen sie. Denn alle abenteuerlichen Anlagen zu schließen, ist keine Lösung. „Wir brauchen Hütten – aber bessere“, findet Manhart.