Dekarbonisierung: CO2-Abscheidung aus der Luft schon 2035 rentabel
In Branchen wie der Chemieindustrie könnte das Abscheiden von CO2 aus der Luft schon bald kostengünstiger sein als das Vermeiden von Emissionen. Dies ist ein Fazit aus einer aktuellen Studie von sechs deutschen Helmholtz-Zentren.
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Will Deutschland die Pariser Klimaziele erreichen, kommt es um die direkte Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre nicht herum. Mit Methoden wie dem Direct Air Capture and Storage (DACS) wird das Klimagas aus der Luft abgeschieden und dann in Lagerstätten gespeichert. Klingt aufwendig, könnte sich aber lohnen. Zu diesem Zwischenergebnis kommen Forschende im Helmholtz-Projekt DACStorE, das vom Forschungszentrum Jülich koordiniert wird. Darin haben sich sechs Helmholtz-Zentren und die TU Berlin zusammengetan, um technische Lösungen sowie eine Roadmap für den schnellen und nachhaltigen Hochlauf dieser Technologie zu entwickeln.
Für bestimmte Branchen wie der Chemieindustrie oder der Luftfahrt wird es kostspielig bis technisch unmöglich, CO2-Emissionen zu vermeiden. Aber: „Die aktive technische Abscheidung von CO2 aus der Atmosphäre und permanente geologische Speicherung wird voraussichtlich schon ab 2035 eine kosteneffektive Option sein, um diese verbleibenden Emissionen auszugleichen. Dies geht aus wissenschaftlichen Analysen hervor, die wir begleitend zu DACStorE erstellt haben“, sagt Projektsprecher Detlef Stolten vom Forschungszentrum Jülich.
Wie sich die Kosten für Direct Air Capture (DAC) entwickeln und wo Lagerstätten sind
Das Jülicher Forschungsteam rechnet vor: Rund 53 Mio. t CO2 werden Deutschland im Jahr 2045 aus der Luft entfernt. Die Kosten für das Abscheiden von einer Tonne CO2 in adsorptionsbasierten DAC-Anlagen würden dann im Durchschnitt voraussichtlich bei etwa 290 € liegen. In Küstennähe, wo es günstige Windenergie gibt, könnten sogar nur 235 €/t anfallen. Weiterer Vorteil: Dort gibt es auch entsprechend geeignete CO2-Speicherstätten. „Die Abscheidung von CO2 aus der Luft wäre damit kostengünstiger als die Vermeidung von Emissionen in schwer dekarbonisierbaren Bereichen wie der chemischen Industrie“, sagt der wissenschaftliche Koordinator von DACStorE Thomas Schöb aus dem Institut Jülicher Systemanalyse.
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Gespeichert werden könnte das abgeschiedene CO2 in Deutschland beispielsweise in aufgegebenen Erdgaslagerstätten oder in salzwasserführenden Gesteinsschichten, den sogenannten salinen Aquiferen. Hier wäre laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Platz für etwa 12 Mrd. t CO2. In die Bestimmung von geeigneten CO2-Speicherstandorten fließen geologische, ökonomische und umweltbezogene Parameter ein. Zudem gebe es eine Infrastrukturanalyse für den CO2-Transport inklusive einer Risikobewertung, erklärt Cornelia Schmidt-Hattenberger vom Geoforschungszentrum Potsdam.
Unterscheidung von Punktquellen und direkter Entnahme aus der Atmosphäre
„Politisch und rechtlich ist es wichtig, die technikbasierte CO2-Entnahme von anderen klimapolitischen Maßnahmen abzugrenzen. Insbesondere muss klar zwischen der CO2-Abscheidung an fossilen Kraftwerken oder bei Industrieprozessen und der direkten Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre unterschieden werden, da nur letztere in Verbindung mit permanenter Speicherung negative Emissionen bereitstellt“, betont Till Markus vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung Leipzig.
Das Recht müsse so weiterentwickelt werden, dass es die effektive, effiziente und ökologisch nachhaltige Entwicklung und Anwendung von DACS unterstützt. Dazu sei es wichtig, den inländischen wie auch den grenzüberschreitenden Ausbau von CO2-Transportnetzen sowie die umfangreiche Speicherung von CO2 überhaupt zu ermöglichen.
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Lüftungsanlagen auf Bürogebäuden könnten 15 Mio. t CO2 pro Jahr abfangen
Eine Idee wäre zudem, die Lüftungsanlagen großer Gebäudekomplexe mit DAC-Anlagen auszustatten. Der Vorteil: Es wird keine zusätzliche Fläche für neue Industrieanlagen gebraucht. Außerdem ließen sich die Anlagen relativ einfach in die gebaute Infrastruktur integrieren. „Bei Umsetzung in 15 % aller Bürogebäuden mit einer Nutzfläche über 2500 m2 könnten so 15 Mio. t CO2 pro Jahr aus der Atmosphäre entfernt werden“, rechnet Roland Dittmeyer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) vor. Am dortigen Institut für Mikroverfahrenstechnik wird derzeit ein Demonstrator aufgebaut, um Daten aus dem Betrieb solcher Systeme zu generieren.
Verschiedene Adsorptionstechniken in der Erprobung
Dennoch sind regionale und klimatische Unterschiede zu berücksichtigen. „Ziel von DACStorE ist die Entwicklung von DAC-Technologien, die an verschiedenen Standorten auf der ganzen Welt eingesetzt werden können“, erläutert Prokopios Georgopanos vom Helmholtz-Zentrum Hereon. Die Forschung der an DACStorE beteiligten Einrichtungen konzentriert sich auf drei Technologien und die Verringerung des Energieverbrauchs sowie der Skalierbarkeit der zugrunde liegenden Verfahren. Für den klassischen Adsorptionsansatz werden hochporöse Partikel hergestellt, während der Membran-Adsorptionsansatz die Membrantechnologie und Adsorberpartikel kombiniert. Getestet werden diese Ansätze zusammen mit der sogenannten Electro-Swing Adsorption, die nur elektrische Energie zur Regeneration der Filtermaterialien benötigt bei verschiedenen Klimaparametern wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit.