Der Bergbau geht – der Abfall bleibt
Der im Jahre 2018 in Deutschland auslaufende Steinkohlenbergbau wirft die Frage auf, wie die Nachsorge dauerhaft zu bewältigen ist. Im Blickpunkt stehen vor allem das Ruhrgebiet und der dort bevorstehende Anstieg des Grubenwassers bis zu Horizonten, in denen Abfälle als Versatz abgelagert wurden.
Abfälle und Reststoffe wurden in den Steinkohlenbergwerken Nordrhein-Westfalens seit Mitte der 1980er-Jahre bis 2006 zur Verfüllung untertägiger Hohlräume verwendet. Damals wurde dieser Bruchhohlraumversatz (BHV) als eine Verwertungsmöglichkeit für industrielle Massenreststoffe angesehen. Die Verbringung von „Abfall zur Verwertung“ als Versatz war nämlich deutlich billiger als „Abfall zur Entsorgung“.
Das Magazin „Der Spiegel“ berichtete Anfang 2015 über mehrere 1000 t PCB-haltigen Hydrauliköls, die in deutschen Steinkohlenbergwerken lagerten.
Die Bezirksregierung Arnsberg wies damals Befürchtungen als unbegründet zurück, nach denen aufsteigendes Grubenwasser in alten Grubengebäuden die Umwelt schädigen könne.
Im Sommer 2015 bestellte die NRW-Landesregierung ein Gutachten, das die Risiken durch Müllentsorgung und den PCB-Einsatz in Steinkohlenbergwerken feststellen soll. Ergebnisse dürften im September 2016 vorliegen.
„Neben Rückständen aus Steinkohlenfeuerungsanlagen wurden insbesondere Filterstäube und Rauchgasreinigungsrückstände aus Hausmüllverbrennungsanlagen, Filterstäube aus Klärschlammverbrennungsanlagen, Gießereialtsande und Strahlmittelrückstände eingesetzt“, zählt Hans Georg Meiners von der Ahu AG in Aachen auf. Dieser Versatz enthält größtenteils anorganische Stoffe wie Salze und Schwermetalle, zu einem kleineren Teil organische Stoffe wie Dioxine. Insgesamt wurden rund 1,6 Mio. t bergbaufremder Abfälle zu Versatzzwecken in elf Steinkohlenbergwerke verbracht.
Meiners und sein Kollege Michael Denneberg berichteten Ende Januar auf dem Kolloquium „Ewigkeitslasten im Steinkohlenbergbau“ an der RWTH Aachen. Ihr Büro ist federführend bei einem Gutachten, das im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen mögliche Umweltauswirkungen dieser Abfälle untersucht.
Sie gehen Befürchtungen nach, dass organische und anorganische Schadstoffe aus den eingelagerten Abfällen gelöst und zusammen mit PCB-haltigen Betriebsmitteln über das Gruben- bzw. Grundwasser als gelöste Stoffe oder als Partikel in die Biosphäre transportiert werden.
1,6 MIO. T BERGBAUFREMDER ABFÄLLE WURDEN ALS VERSATZ IN ELF STEINKOHLENBERGWERKEN GENUTZT
Vor einem Jahr hatten Umweltschützer Alarm geschlagen, endgültige Klarheit über die PCB-Belastung erhofft sich die Landesregierung durch das Gutachten von Meiners und Denneberg, das die Wasserhaltungspläne der RAG bewerten soll. So könnten durch einen Grubenwasseranstieg das Grundwasser, die Oberflächengewässer und die Wasserversorgung gefährdet werden.
Die Grubenwasserhaltung zählt zu den sogenannten Ewigkeitslasten, zu denen der Bergbautreibende nach Beendigung des Steinkohlenbergbaus in Deutschland Ende 2018 verpflichtet sein wird. Es wird davon ausgegangen, dass eine Grubenwasserhaltung weiterhin zu betreiben ist, weil das vollständige Einstellen des Pumpbetriebs und der damit einhergehende Anstieg des Grubenwassers zu negativen Auswirkungen führen könnten.
Als Risiken des Grubenwasseranstiegs gelten: Verunreinigen von Trinkwasservorkommen, Hochdrücken von Methangas an die Tagesoberfläche, Heben der Tagesoberfläche sowie die Gefahr von Tagesbrüchen (Bergschäden, die bis an die Erdoberfläche durchdringen). Deshalb beabsichtigt die RAG, die konventionellen Wasserhaltungen in der Tiefe auf Brunnenbetriebe umzustellen und die Einleitungen in die Oberflächengewässer zu reduzieren.
Um das Gefährdungspotenzial zu ermessen, wird ein für September avisiertes Gutachten Lage, Art, Mengen und Toxizität der verbrachten Stoffe beschreiben. Es soll untersuchen, ob, wie und über welche Zeiträume die Stoffe freigesetzt werden könnten. Dazu müssten Wegsamkeiten von den tiefen Karbonschichten in darüberliegende Gesteinshorizonte vorhanden sein.
Walter Frenz, Inhaber des Lehrstuhls für Berg-, Umwelt- und Europarecht an der RWTH Aachen, weist eindrücklich darauf hin, dass der Gesetzgeber den Grundwasserschutz hochhalte. Es gelte, Gruben- und Grundwasser strikt voneinander zu trennen, so dass keine Schwermetalle eindringen könnten. Wenn dies dennoch passiere, müsse das Grundwasser gereinigt werden, wobei Kosten keine Rolle spielen dürften. Eine Kostenabwägung zwischen Gewässerschutz und dem damit verbundenen Aufwand würde nicht geduldet, sagt Frenz. Der Bergbautreibende beziehungsweise sein(e) Rechtsnachfolger unterlägen der bergbaulichen Ewigkeitshaftung ohne Duldung und Verjährung. Frenz ergänzt, dass, auch wenn die „Behörde schläft“, also versäumt habe, entsprechende Auflagen zu erteilen, das Unternehmen trotzdem hafte.