Deutschland: Netto-Null-Ziel noch erreichbar
Deutschland soll bis 2045 treibhausgasneutral werden. Doch ist das „Netto-Null“-Ziel überhaupt zu schaffen? Das ist immer noch möglich, betont ein Team von Systemanalytikern des Forschungszentrums Jülich.
In ihrer Studie, die am heutigen Freitag (10. 11. 2023) in Berlin vorgestellt wurde, erklären die Wissenschaftler, dass die Treibhausgasneutralität nach wie vor möglich ist. „Um die Ziele des deutschen Klimaschutzgesetzes einzuhalten, müssen bereits bis zum Jahr 2030 umfangreiche Maßnahmen in allen Sektoren umgesetzt werden“, erklärt Detlef Stolten, Direktor des Jülicher Instituts für Techno-ökonomische Systemanalyse.
Die Forscher betonen, dass erneuerbare Energien in großem Maße ausgebaut werden müssen, um fossile Brennstoffe zu ersetzen. Dies wird zu einer verstärkten Elektrifizierung der deutschen Energieversorgung führen, die alle Sektoren – einschließlich Verkehr, Industrie, Haushalte und Handel – umfasst. Infolgedessen wird der Stromverbrauch erheblich steigen.
Um die Kosten für den Ausbau erneuerbarer Energien zu minimieren, sind bis 2030 hohe jährliche Zubauraten erforderlich. Aktuell liegen diese bei knapp 2 GW pro Jahr für Windkraft und 8 GW pro Jahr für Photovoltaik. Laut den Berechnungen der Jülicher Forscher müssen diese Werte um mindestens das Zweifache bis Vierfache gesteigert werden.
Weitere Eckpfeiler einer treibhausgasneutralen Energieversorgung sind die Steigerung der Energieeffizienz und die verstärkte Nutzung von Wärmepumpen, die bis 2030 einen Anteil von 21 % erreichen sollten. Ebenso wichtig ist die Sanierung von Bestandsgebäuden, einschließlich der verstärkten Förderung von Dämmmaßnahmen und dem Austausch alter Fenster.
Die Nachfrage nach Wasserstoff wird ab 2035 rapide steigen, was eine Erhöhung der inländischen Elektrolysekapazitäten erfordert. Zusätzlich muss Deutschland bis dahin Möglichkeiten zum Import von Wasserstoff schaffen, da mehr als die Hälfte des benötigten Wasserstoffs importiert werden wird. Biomasse spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, wobei bis 2030 etwa 14 % des Primärenergieverbrauchs durch sie gedeckt werden sollen, und bis 2045 sollen es 20 % sein.
Schließlich wird es notwendig sein, CO2 aus der Atmosphäre aktiv zu entfernen. Im Jahr 2045 werden voraussichtlich schwer vermeidbare Restemissionen von mehr als 70 Mio. t CO2 verbleiben, die durch negative Emissionen in gleicher Höhe ausgeglichen werden müssen. Daher müssen bis 2030 geeignete Speicherstätten für entnommenes CO2 gefunden und die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die dauerhafte CO2-Speicherung geschaffen werden.
Die Studie stützt sich auf detaillierte Berechnungen, die mithilfe der eigens entwickelten Software-Suite Ethos durchgeführt wurden. Diese ermöglicht eine wissenschaftlich fundierte Analyse von kosteneffizienten Strategien und Maßnahmen zur Erreichung der Ziele zur Treibhausgasreduzierung. Die Ethos-Computermodelle ermöglichen eine umfassende Darstellung der deutschen Energieversorgung mit großer zeitlicher und räumlicher Genauigkeit und berücksichtigen alle relevanten Energieträger und Wechselwirkungen.