Schadstoffsanierung 19. Jun 2015 Fabian Kurmann Lesezeit: ca. 3 Minuten

Gefährliches Asbest-Vermächtnis

Für eine Asbestsanierung muss ein Schutzanzug getragen werden. Wenn aber nicht bekannt ist, dass Asbest in der Wand ist, wird noch ohne Schutz gearbeitet.
Foto: Arcadis Deutschland/Martin Kessel

Am Donnerstag dieser Woche stellten der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) und der Gesamtverband für Schadstoffsanierung (GVSS) ein Diskussionspapier zur Erkennung, Erkundung und Sanierung von Putzen, Spachtelmassen und Fliesenklebern vor.

Eigentlich sollte kein besonders Gesundheitsrisiko bestehen, wenn ein Fliesenleger Fliesen von der Wand stemmt, ein Handwerker Gipskartonwände bei der Sanierung demontiert oder ein Mieter ein Loch in die Wand bohrt. Doch im Diskussionspapier finden sich Untersuchungen, die zeigen, dass von diesen bisher als ungefährlich eingestuften Asbestprodukten teils erhebliche Gefahren ausgehen: Das Abschlagen von Fliesen auf asbesthaltigem Kleber etwa setzt bis zu 77 000 Fasern/m3 frei, bis zu 1 Mio. Fasern/m3, wenn der Fliesenkleber abgeschliffen wird.

Asbesthaltige Produkte finden sich laut den Autoren des Papiers in einem Viertel aller Gebäude in Westdeutschland, die vor 1995 errichtet wurden. In Ostdeutschland spielt Asbest dagegen kaum eine Rolle. Der Baustoff wurde in Deutschland zwar 1993 verboten, Restbestände seien aber bis 1995 verbaut worden.

„Rein fachlich ist Asbest in Fliesenklebern kein neues Thema“, sagte Christoph Hohlweck, Vorstandsvorsitzender des GVSS. Das sei schon seit dem Erscheinen des Ersatzstoffkatalogs 1983 bekannt. „Fliesenkleber und Spachtelmassen galten bisher als relativ ungefährlich“, so Hohlweck. Sie zählen zu den stark gebundenen Asbestprodukten, die Fasern nicht so einfach freisetzen. Erst bei Sanierungs-, Renovierungs- oder Abbrucharbeiten, werden die Fasern mit dem Staub in die Luft gewirbelt. Laut Diskussionspapier können so auch Produkte mit einem Asbestgehalt von weniger als 0,1 % gefährlich werden, für die noch keine Vorschriften existieren.

Dieses Gefahrenpotenzial sei bisher unterschätzt worden, sagt Hohlweck, auch weil sich der Nachweis der Fasern lange schwierig gestaltete. „In der Matrix mineralischer Baustoffe wird Asbest bei geringeren Konzentrationen mit der Standardanalyse oft nicht zuverlässig identifiziert“, erklärt der Experte. Das heißt, wenn zum Beispiel viel Gips in der Probe ist, gibt die Analyse fälschlicherweise Entwarnung. Auch Testverfahren für die Atemluft seien wegen zu viel Baustaubs nicht auswertbar gewesen.

Fortschritte in der Analytik haben diese Probleme aber mittlerweile gelöst. „Seit 2010 gewinnen wir somit Erkenntnisse, um dieses Problem umfassend beurteilen zu können“, sagt der GVSS-Mann. „Darum kommt das Thema erst jetzt auf den Tisch.“

Wegen Analyseproblemen wurde Gefahrenpotenzial lange nicht erkannt

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung registrierte in den letzten drei Jahren jährlich rund 1500 Todesfälle im Zusammenhang mit Asbest und 3700 neue Fälle von Asbestose oder Mesotheliom. Dabei handelt es sich aber nur um anerkannte Fälle aus dem Arbeitsleben. Experten schätzen die Zahl der insgesamt Betroffenen deutlich höher ein. Die Zeit vom Einatmen der Faser bis zum Ausbruch einer Krankheit kann bis zu 40 Jahre betragen.

Während Asbestzement mit bloßem Auge gut zu identifizieren ist, erkennt man Putze, Spachtelmassen und Fliesenkleber mit Asbest kaum. „Die kann man augenscheinlich von Produkten ohne Asbest nicht unterscheiden“, so Hohlweck. Handwerker und Hausbewohner können also bisher wegen mangelnder Kenntnis den schädlichen Fasern ausgesetzt sein. Das Diskussionspapier soll diesen Umstand aufklären.

„Außerdem ist es die frühzeitige Öffentlichkeitsinformation zur Erarbeitung einer eigenständigen VDI-Richtlinie in der Reihe 6202 Gebäudeschadstoffe“, sagt Martin Kessel, vom Ingenieurunternehmen Arcadis Deutschland. Er ist einer der Autoren des Papiers und setzt sich für die Aufhebung der „Unschuldsvermutung“ bei Asbest ein: „In Deutschland gilt im Moment etwas vereinfacht und zugespitzt: Solange kein Asbest nachgewiesen ist, sind keine Schutzmaßnahmen zu ergreifen.“ In der Schweiz sei das umgekehrt: „Wenn nicht belegt ist, dass kein Asbest vorhanden ist, dann muss mit entsprechenden Schutzmaßnahmen vorgegangen werden“, so Kessel.

Die Bestimmung ist Teil einer Anleitung der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt für Fliesenleger im Umgang mit asbesthaltigem Kleber. So können etwa die neuen Fliesen einfach über die anderen geklebt werden. Solange Asbest in der Wand bleibt, ist er nicht gefährlich.

Das Beispiel zeigt, dass es auch einfache Lösungen für den Umgang mit Asbest gibt. „Wenn Asbest bei Planung und Ausführung früh einbezogen wird, trägt der Mehraufwand die Baubeteiligten auch nicht aus der Kurve.“ Die Situation sei zwar erschreckend, stelle die Bauwelt aber nicht auf den Kopf. „Die Technik zum sicheren Umgang mit Asbest ist schon lange vorhanden“, sagt Hohlweck.

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