Glyphosat: Pflanzengift kommt wohl aus der Waschmaschine
Das umstrittene Spritzmittel Glyphosat findet sich vermehrt in Europas Flüssen und Seen. Es stammt aber nicht vom Acker, sondern wahrscheinlich aus den Waschmaschinen, vermuten Forschende der Uni Tübingen.
Glyphosat ist eines der umstrittensten Pflanzenbehandlungsmittel weltweit. Landwirte schwören zum Teil darauf, weil das Breitbandherbizid Unkräuter zuverlässig vom Acker fernhält und damit die angebauten Feldfrüchte, die zudem genetisch so verändert wurden, dass sie gegen das Mittel resistent sind, besser gedeihen lässt. Verbraucherschützer hingegen warnen seit vielen Jahren vor den Schäden für Mensch und Umwelt, die diese Chemikalie verursachen könnte. Denn das Herbizid kann mit dem Regen von den Ackern geschwemmt werden und so auch ins Trinkwasser gelangen.
In diesem Zusammenhang haben nun Forschende um Carolin Huhn von der Universität Tübingen eine beunruhigende Beobachtung gemacht. Sie verglichen das Muster der jeweiligen Glyphosat-Konzentrationen in europäischen mit dem in US-amerikanischen Flüssen und fanden heraus, dass die in Europa ermittelten Werte dem vermuteten Einsatz von Herbiziden widersprechen. Soll heißen, das Unkrautvernichtungsmittel konnte kaum von der landwirtschaftlichen Tätigkeit stammen.
Kommunales Abwasser als Hauptquelle von Glyphosat in Europa
Doch die gefundenen Daten aus Europa standen in krassem Gegensatz zu den Erwartungen der Wissenschaftler. „ Unsere große Metaanalyse zeigt deutlich, dass die Hauptquelle von Glyphosat jahrzehntelang kommunales Abwasser war“, schreibt das Team nun in seiner Studie „Glyphosat-Kontamination in europäischen Flüssen nicht durch Herbizidanwendung?“, die im Fachportal „Research Gate“ veröffentlicht, aber noch nicht von einer Fachzeitschrift begutachtet wurde. Kommunales Abwasser kann aber kaum von landwirtschaftlich genutzten Flächen stammen. Und die Forschenden werden noch etwas genauer: „Wir vermuten, dass Glyphosat als Umwandlungsprodukt von Aminopolyphosphonaten, die in europäischen, nicht aber in US-amerikanischen Waschmitteln verwendet werden, in europäische Flüsse gelangt.“
In den USA verliefen die Konzentrationsmuster und Massenflüsse der Studie zufolge direkt parallel zur landwirtschaftlichen Tätigkeit während der Vegetationsperiode. Anders in Europa: Hier stimmten die Konzentrationsmuster über Jahrzehnte nicht mit den wichtigsten Glyphosat-Anwendungszeiten für Stoppel- und Vorsaatbehandlungen im Frühjahr und Spätsommer/Herbst überein – einmal ganz abgesehen von der Tatsache, dass gentechnisch veränderte Glyphosat-resistente Nutzpflanzen in der EU nicht zugelassen sind.
Folgestudie untersucht Wäscheprodukte als mögliche Quelle für das Glyphosat
Das Tübinger Team fand in europäischen Kläranlagen Glyphosat und sein Hauptumwandlungsprodukt Aminomethylphosphonsäure (AMPA) das ganze Jahr über in erhöhten Konzentrationen – sogar während Trockenwetterperioden. Und in diesen Kläranlagen landet beinahe ausschließlich Wasser aus privaten Haushalten.
„Uns sind keine technischen oder häuslichen Glyphosat-Anwendungen bekannt, die einen konstanten Eintrag in das Abwasser und in Flüsse hervorrufen würden“, so die Forschenden. „Stattdessen stellen wir die Hypothese auf, dass sowohl Glyphosat als auch AMPA aus einem gemeinsamen Vorläufer gebildet werden, der in Haushalten verwendet wird. Unsere laufende Arbeit befasst sich mit der Rolle von Aminopolyphosphonaten, die in Wäscheprodukten verwendet werden, als potenzielle Quellen nicht nur für AMPA, sondern auch für Glyphosat in Europa.“