FILTERTECHNIK 27. Jun 2019 Daniela Becker Lesezeit: ca. 3 Minuten

Granulat bindet Kohlendioxid

Die weltweit erste kommerzielle Rückgewinnungsanlage für Kohlendioxid aus der Luft hat jetzt den Betrieb aufgenommen.

In jedem einzelnen Modul der Filteranlage befinden sich Ventilatoren, die die Umgebungsluft ansaugen und über ein Granulat leiten. Dort wird das CO2 gebunden.
Foto: Climeworks/Julia Dunlop

Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen 2015 hatte sich die Weltgemeinschaft darauf verständigt, die globale Erwärmung bei durchschnittlich 1,5 °C zu halten. Um das erreichen zu können, muss der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) deutlich sinken. Nach Ansicht vieler Experten sind zudem „negative Emissionen“ – also das Entziehen von CO2 aus der Atmosphäre – notwendig.

Christoph Gebald und Jan Wurzbacher, Studenten der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH), hatten sich bereits vor rund neun Jahren daran gemacht, aus solchen „negativen Emissionen“ ein Geschäftsmodell zu entwickeln. Ihre Idee: CO2 aus der Umgebungsluft filtern und damit das Pflanzenwachstum in Gewächshäusern verbessern. Anfang Juni konnten die beiden Ingenieure die Früchte ihrer langjährigen Forschungsarbeit ernten. Im schweizerischen Hinwil wurde die erste Direct-Air-Capture-Anlage (DAC) ihres Start-ups Climework eingeweiht.

Herzstück der Technologie ist ein neuer Filter, der nach Angaben des Unternehmens aus porösen Granulaten besteht. Diese wurden mit Aminen so modifiziert, dass sie das CO2 aus der Umgebungsluft binden. In Hinwil wurden drei Schiffscontainer mit insgesamt 18 CO2-Kollektoren und ein weiterer mit Steuerungs- und Überwachungstechnik bestückt.

In jedem der 18 übereinander gestapelten Module befinden sich Ventilatoren, die die Luft ansaugen. Wie ein Schwamm nimmt der Filter CO2-Moleküle aus der Luft auf, bis er gesättigt ist. Anschließend wird das CO2 bei einer Temperatur von etwa 100 °C gelöst und hochreines Gas und Wasser freigesetzt. Rund 900 t CO2 soll die Pilotanlage auf diese Weise pro Jahr aus der Umgebungsluft abscheiden.

Die Energie, die für diesen Prozess nötig ist, stammt zum größten Teil aus der Abwärme einer Müllverbrennungsanlage, auf deren Dach der Abscheider installiert wurde. Über eine Rohrleitung gelangt das gewonnene CO2 rund 400 m weiter in eine Gärtnerei, um dort das Wachstum von Tomaten, Gurken und Salat zu fördern. Der Ernteertrag lasse sich so um bis zu 20 % steigern, sagt Gebald.

Es ist eine klassische Win-Win-Situation: Klimaschädliches CO2 wird aus der Luft entfernt, die Gärtnerei muss sich kein aus fossilen Energieträgern gewonnenes CO2 per Lkw herantransportieren lassen.

Die DAC-Anlage arbeitet allerdings noch nicht wirtschaftlich. Climeworks beziffert die Kosten in der Pilotanlage mit 600 $/t CO2, was deutlich über den heutigen Marktpreisen liegt. Die Gärtnerei zahlt nach Angaben von Climeworks einen marktüblichen Preis inklusive eines kleinen „Nachhaltigkeitsaufschlags“, der Rest wird durch eine Förderung des Schweizer Bundesamts für Energie BFE finanziert.

Die Gründer hoffen auf eine steile Lernkurve während des auf drei Jahre angelegten Demonstrationsprojekts in Hinwil. „Wir rechnen damit, die Kosten in den nächsten drei Jahren um den Faktor 3 bis 4 zu senken“, meint Gebald.

Außer in Treibhäusern kann das abgeschiedene Kohlendioxid als Kohlensäure in der Getränkeindustrie oder als Trockeneis zur Kühlung eingesetzt werden. Doch Gebald plant noch weiter: „Mit dem CO2 können künftig klimaneutrale Kraftstoffe hergestellt werden.“ Seit 2013 kooperiert das Start-up mit dem Automobilhersteller Audi. Gemeinsam wollen die beiden Unternehmen ein Modul des CO2-Kollektors in eine Anlage zur Produktion von CO2-neutralen synthetischen Kraftstoffen integrieren.

Negative Emissionen zu realisieren, ist indes nicht trivial. Bislang werden vor allem CO2-Senken durch Aufforstung und BECCS-Techniken, also Biomasseverbrennung mit CO2-Abscheidung und -Speicherung, diskutiert. Im Gegensatz zu diesen Maßnahmen habe DAC einige Vorzüge, meinen die Climeworks-Gründer.

Zum einen lasse sich die Menge an eliminiertem CO2exakt messen. „Unsere Technologie ist unabhängig von landwirtschaftlichen Flächen und ohne Einschränkungen skalierbar“, sagt Gebald. Und zum anderen sei neben der Kraftwärmekopplung wie auf dem Müllkraftwerk in Hinwil auch die Installation in sehr warmen Gegenden denkbar, wo statt Abwärme Sonnenwärme als Energiequelle eingesetzt werden könnte.

Die Gründer verstehen sich als engagierte Kämpfer gegen den Klimawandel. „Unser Ziel ist es, bis 2025 1 % der globalen CO2-Emissionen aus der Luft zu filtern“, erklärt Gebald. Dazu wären rein rechnerisch 250 000 Anlagen wie die in Hinwil notwendig. Mehrere Folgeprojekte seien bereits in Planung, sagen die Gründer.

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