Klimawandel: Meeresströmung im Atlantik nähert sich möglicherweise kritischer Schwelle
Eine wichtige Strömung im Atlantik, zu der auch der Golfstrom gehört, hat im Laufe des letzten Jahrhunderts möglicherweise an Stabilität verloren. Eine neue Studie legt den Zusammenhang mit dem Klimawandel nahe. Daten des Copernicus Climate Change Service (C3S) weisen den Juli 2021 als zweitheißesten in Europa seit Beginn der Aufzeichnungen aus.
Die Atlantische Meridionale Umwälzströmung (Atlantic Meridional Overturning Circulation, Amoc), zu der auch der Golfstrom gehört, transportiert warme Wassermassen aus den Tropen an der Meeresoberfläche nach Norden. Dieses sinkt dort ab und führt kaltes Wasser am Meeresboden nach Süden. Ohne das Amoc-System hätte Europa nicht die relativ milden Temperaturen, die so wichtig für unser lokales Klima sind. Amoc ist auch ein wichtiger Bestandteil des globalen Wettersystems. Sollte die Strömung zusammenbrechen, könnte dies schwerwiegende Folgen haben. Davor warnen Wissenschaftsteams weltweit seit Langem.
Niklas Boers vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der auch an der Freien Universität Berlin und der Universität Exeter arbeitet, warnt in einer neuen Studie davor, dass dieses System möglicherweise eine kritische Schwelle erreicht haben könnte. „Wir wissen bereits aus einigen Computersimulationen und aus Daten der Erdvergangenheit, dass die Amoc neben dem aktuellen starken Zustand auch einen alternativen, wesentlich schwächeren Zustand einnehmen kann. Diese Bi-Stabilität bedeutet, dass grundsätzlich auch abrupte Übergänge zwischen den beiden Zirkulationsmodi möglich sind.“
Meeresströmungen: Langfristbeobachtungen fehlen leider
Langfristige Beobachtungsdaten über die Stärke der Amoc gibt es leider nicht, aber sie hinterlässt sogenannte Fingerabdrücke in den Temperatur- und Salzgehaltsmustern der Meeresoberfläche des Atlantischen Ozeans. Acht unabhängige Indizes hat Boers untersucht und analysiert, und gefunden, „dass die Abschwächung der Amoc während des letzten Jahrhunderts in der Tat wahrscheinlich mit einem Stabilitätsverlust verbunden ist“.
Die Amoc ist vorhergegangenen wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge derzeit so schwach wie nie zuvor in den vergangenen 1000 Jahren. Bisher war aber noch unklar, ob diese Abschwächung jetzt – wie oben beschrieben – ein Anzeichen dafür ist, dass die Strömung in ihren schwächeren regulären Zustand übergeht, oder tatsächlich an dynamischer Stabilität verliert. „Der Unterschied ist entscheidend“, betont Niklas Boers. Jenseits der kritischen Schwelle könnte ein erheblicher und in der Praxis wahrscheinlich unumkehrbarer Übergang zum schwachen Zirkulationsmodus stattfinden.
Faktoren der Meeresströmungen müssen weiter untersucht werden – Verbindung zum Klimawandel
Die Studienergebnisse stützten daher die Einschätzung, dass der Rückgang der Strömung nicht nur eine Fluktuation oder eine lineare Reaktion auf steigende Temperaturen ist. Vielmehr könnte der Rückgang das Herannahen einer kritischen Schwelle bedeuten, jenseits derer das Zirkulationssystem zusammenbrechen könnte.
Für das Phänomen nennt die Studie eine Reihe von Faktoren: Hierzu gehört der Süßwasserzufluss durch das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds, durch das schmelzende Meereis, durch zunehmende Niederschläge und durch Wasser aus Flüssen. „Ich hätte nicht erwartet, dass die zusätzlichen Mengen an Süßwasser, die im Laufe des letzten Jahrhunderts in den Ozean flossen, bereits eine solche Reaktion der Amoc hervorrufen würden“, sagt Boers. „Wir müssen unsere Modelle dringend mit den vorliegenden Beobachtungen in Einklang bringen, um zu beurteilen, wie weit die Amoc tatsächlich noch vom kritischen Schwellwert entfernt ist.“
Klima und Wetter: Juli 2021 in Europa der zweitheißeste seit Beginn der Aufzeichnung
Daten des Copernicus Climate Change Service (C3S) weisen den Juli 2021 als zweitheißesten seit Beginn der Aufzeichnungen aus. Weltweit sind der Juli 2021 und der Juli 2020 auf Platz drei der heißesten Julimonate, die der Jahre 2019 und 2016 sind im Schnitt 0,1 °K heißer gewesen. Gekennzeichnet war der Juli in Europa laut C3S durch Hitzewellen, von den baltischen Staaten bis hinunter zum östlichen Mittelmeerraum.
Deutschland bildete – mit seinen 40 % mehr Niederschlägen und mit einer Temperatur ziemlich genau dem langjährigen Mittel der Periode 1991 bis 2020 entsprechend – eher die Ausnahme. „Der Juli 2021 war deutlich zu nass, etwas zu warm und sonnenscheinarm“, bilanzierte der Deutsche Wetterdienst (DWD) bereits am 30. Juli. Damit war der Monat sogar kühler und weniger sommerlich als der Juni. Kennzeichnend waren vielmehr die Starkregenereignisse im Rahmen des Tiefdruckgebiets „Bernd“. „Am 13. setzen in Nordrhein-Westfalen Regenfälle ein, die sich am 14. zwischen Kölner Bucht und Eifel ausweiteten und ein historisches Ausmaß annahmen. Es folgten in der Eifel verheerende Fluten, die zu einer der für Deutschland folgenreichsten Naturkatastrophen seit der Sturmflut 1962 führten“, so der DWD.