Recycling 16. Okt 2015 Kathleen Spilok Lesezeit: ca. 3 Minuten

Kunststofftrennung nach dem Aschenputtelprinzip

Laserlicht eines bestimmten Spektrums differenziert schwarze Kunststoffteilchen.
Foto: Dt. Zukunftspreis/Ansgar Pudenz

Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen – das Sortierverfahren für Linsen kennt man aus dem Märchen Aschenputtel. Das Auseinanderdividieren hat bei Altkunststoffen einen hohen Stellenwert. Für den Umweltschutz und auch wirtschaftlich, denn Plastikabfälle sind Wertstoffe. Recyceln aber klappt nur mit sortenreinen Kunststofffraktionen.

Alternativverfahren mit Hochfrequenzkamera

Einen anderen Weg zur Trennung schwarzer Kunststoffabfälle hat ein Fraunhofer-Konsortium eingeschlagen: Zwar setzen auch hier die Forscher bei der Sensorik an. Sie durchleuchten die Kunststoffe aber mit einer Hochfrequenzkamera.

Das Sensorsystem arbeitet mit einigen Hundert Gigawatt und nimmt den Kunststoffmüll genau ins Visier, der darunter am Band durchläuft.

Das Projekt mit dem Titel „black-Value“ soll Ende 2016 abgeschlossen sein und industrietaugliche Lösungen per Terahertz-Technik insbesondere für die Shredderfraktionen aus der Automobilverwertung bieten.

Von den ca. 4,8 Mio. t Kunststoffabfall pro Jahr aus Haushaltsmüll, Elektroschrott und Altautos werden rund 32 % zu werkstofflich verwertbaren Kunststoffen sortiert. Es sei denn, sie sind schwarz.

„Schwarz ist ein Strom, der mit herkömmlicher Technologie nicht sauber sortiert werden kann“, weiß Franziska Krüger, Abfallexpertin im Umweltbundesamt (UBA). So wird der schwarze Anteil in der Hauptsache energetisch verwertet und landet in der Müllverbrennung sowie als Ersatzbrennstoff in Zement- oder Kraftwerken.

Sortieranlagen mit herkömmlichen Infrarotkameras scheitern an Schwarz. Warum? Es reflektiert kein Licht, sondern schluckt es. Egal, ob Duschgelflaschen oder technische Kunststoffe. Andere Methoden wie das Schwimm-Sink-Verfahren versagen bei chemisch ähnlichen Polymeren, wie Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) und Polystyrol (PS).

Doch das Problem drängt: Der Abfallstrom schwarzer Kunststoffe schwillt jedes Jahr mehr an. Denn die Kunststoffanteile in Geräten und Fahrzeugen nehmen zu. Außerdem steigt die Menge ausrangierter Handys, Laptops, Küchengeräte, PCs, Kopierer oder nichtsichtbarer Bauteile in Großgeräten und Autos. Als Gegenmittel werden EU-weit die Verwertungsquoten hochgeschraubt.

„Deshalb muss man sich um die kümmern, die bislang auf der Strecke bleiben“, sagt Gunther Krieg, Chef und Gründer des Familienunternehmens Unisensor in Karlsruhe. Der Professor für Sensortechnik entwickelte bereits vor mehr als zehn Jahren ein Sortiersystem mit Laser-Erkennungstechnologie. Die Maschine hatten er und seine Ingenieure für die lebensmitteltaugliche Wiederverwertung von PET-Flaschen konstruiert. „Um das Problem eines Global Players zu lösen, der an uns herangetreten ist“, berichtet Krieg. Inzwischen trennen knapp 40 Anlagen weltweit pro Jahr 800 000 t reinstes PET aus einem bunten Plastikmix.

Krieg nennt es das Aschenputtelprinzip. Damit hat Unisensor in den letzten Jahren zwar keine Märchenprinzen beeindruckt, dafür aber reihenweise Innovations- und Umweltpreise abgeräumt. Ob ABS, Polycarbonat, PS oder PET – je nachdem, welches Material man bevorzugt aussortieren will, registriert der Apparat die „Gutstoffe“ und trennt sie mit mind. 95 % Reinheit vom Rest. Die Karlsruher haben entdeckt, dass sie mit dieser Erkennungsmethode ebenso schwarze Kunststoffe unterscheiden können.

Der Grund: Laser lassen einen anderen Blick auf die Kunststoffe zu – egal, welche Farbe sie haben. Physikalisch gesehen regt das Licht die Bewegung der Elektronen auf der äußeren Schale der Atome in den Kunststoffmolekülen an, bringt sie für einen kurzen Augenblick auf ein höheres energetisches Niveau. Beim Zurückfallen auf ihre ursprüngliche Energiestufe senden sie eigenes Licht aus, unverwechselbar für jede chemische Verbindung. Diesen physikalischen Fingerabdruck zeichnet das Gerät als stoffspezifisches Spektrum auf und kann das Ergebnis trennscharf einem bestimmten Kunststoff zuordnen.

Für die Trennung schwarzer Kunststoffe hat Unisensor mindestens drei Jahre an der Weiterentwicklung gefeilt, das Spektrometer angepasst. „Das Verfahren funktioniert und ist im Einsatz“, berichtet Geschäftsführerin Stefanie Krieg.

Eine Vorführanlage steht für Besucher bereit – inklusive Kisten mit Kunststoffproben als Testmaterial – geschredderte Fernseher und Armaturenbretter. Die Trennmaschine im blitzblanken Edelstahlmantel wird damit von oben über einen Trichteraufsatz gefüttert. Das Schüttgut fällt wie ein Wasserfall über Rinnen ins Messfenster der Laserstrahlen.

Auf der Laserscan-Ebene entscheidet die elektronische Materialinspektion, wohin das Plastikstückchen kommt. Der Zielkunststoff rutscht nach unten in einen Schacht. Alle Fremdkunststoffe pusten Luftdruckdüsen in einen anderen Ausleitschacht.

Dabei ploppt und schnauft die Anlage wie eine riesige Popcornmaschine. „Wir fahren Durchsätze mit bis zu 3 t/h“, erläutert Sohn und Marketingchef Oliver Krieg. Voraussetzung ist: Gereinigte und geschredderte Flakes kommen in die Sortierung. Dafür sind vorgelagerte Prozessschritte nötig, bei denen etwa Metalle sowie Glas abgetrennt werden und das Material gewaschen und zerkleinert wird. Demnächst sortieren die Karlsruher auch größere Stücke, wie sie beim Auto- und Elektroschrottrecycling üblich sind. „Dafür werden wir neue Maschinenarten mit höheren Durchsätzen haben“, sagt Krieg.

Ohne Laser und die extrem hohe Geschwindigkeit der Signalaufnahme würde das nicht funktionieren, ist Oliver Krieg überzeugt. Pro Sekunde nimmt das Spektrometer 1 Mio. Spektren auf und wertet sie aus. „Die Abtastgeschwindigkeit des Lasers ist 30-mal schneller als Vettel bei der Formel 1“, kommentiert Krieg Senior. Passende Algorithmen, Software und neuronale Netze machen es möglich, die Datenflut schnell zu verarbeiten. Und der Energieverbrauch der Maschine? „So viel wie zwei Föhns“, antwortet Oliver Krieg.

Bei Unisensor ist man also bereits in der Anwendung. Aber der „Schwarze Markt“ steht ganz am Anfang. Verfahrensschritte zum Aufbereiten und Compoundieren sind noch in der Entwicklung. Doch ist man zuversichtlich, dass eher heute als morgen Bewegung in die Re-cyclinglandschaft kommt. Schließlich liefern sie einen entscheidenden Baustein, der bis jetzt in der Verwertungskette fehlte.

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