Makroplastik bildet künstliche Gesteine im Meer
Treffen Plastikmüll und Korallenschutt im Meer zusammen, so entstehen steinähnliche Verbindungen. Diese gefährden die Ökosysteme an den Küsten stärker als gedacht.
An vielen Küstenstreifen der Welt wird angeschwemmter Plastikmüll oft einfach direkt am Strand verbrannt. In Verbindung mit natürlichen Komponenten entsteht daraus ein Konglomerat, das sogenannte Plastiglomerat. Es ist praktisch ein „Gestein“, etwa aus Korallenbruchstücken, die das geschmolzene und wieder erstarrte Plastik zusammenhält.
Ein Team der Universität zu Kiel hat nun gemeinsam mit indonesischen Forschenden anhand von Feldproben aus dem asiatischen Inselstaat nachgewiesen, dass derartiges Gestein Küstenökosysteme wie Seegraswiesen, Mangroven oder Korallenriffe erheblich gefährden kann. Dabei unterscheidet sich das Plastiglomerat von anderem Plastikmüll.
Kohlenstoffketten in der Kunststoffmatrix durch Wärmeeinwirkung verändert
Durch den Schmelz- und Verbrennungsprozess werden die Kohlenstoffketten in der Plastikmatrix angegriffen. Deshalb verwittert der Kunststoff unter der Einwirkung von Wind, Wellen und Sedimentkörnern am Strand schneller zu Mikroplastik. Während des unvollständigen Verbrennungsprozesses gelangen zudem neue umweltschädliche Stoffe in die Umwelt. Deren Ökotoxizität ist häufig höher als die des Ausgangsmaterials. Zudem sind sie potenziell bioverfügbar, können sich also in der Nahrungskette anreichern.
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Insgesamt 25 Feldproben sammelte Amanda Utami von Indonesiens größter Wissenschaftsorganisation Badan Riset dan Inovasi Nasional an Stränden der Insel Panjang westlich von Java und untersuchte diese gemeinsam mit Forschenden aus Kiel im Labor. „Unsere Analysen zeigen, dass Plastiglomerate mit organischen Schadstoffen belastet sind“, sagt Lars Reuning, Zweitautor der Studie. „Auch wenn weitere Ergebnisse zur Bioakkumulation noch ausstehen, sind diese als potenziell krebserregend für Menschen einzustufen.“
Krebserregende Substanzen in den angeschmolzenen und verbrannten Plastikproben gefunden
Mithilfe von Lösungsmitteln extrahierte das Team flüchtige Schadstoffe aus den angeschmolzenen oder verbrannten Proben. Und es fand polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Phthalate, die als Weichmacher für Kunststoffe verwendet werden. Beide Stoffklassen sind potenziell krebserregend. Mit physikochemischen Methoden und einem Abgleich mit Datenbanken charakterisierten die Forschenden die Art der Polymere und maßen den Grad der Verwitterung der Kunststoffe mittels Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie (FTIR).
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„Um Umweltschäden besser abschätzen zu können, erforschen wir aktuell die genaue Zusammensetzung der mit dem Plastik assoziierten organischen Schadstoffe, beispielsweise der Organophosphorverbindungen“, sagt Geochemiker Lorenz Schwark. Und sie ermitteln die Fähigkeit der Plastiglomerate, zu zerfallen. „Normalerweise wirkt Photooxidation durch UV-Licht auf die oberste Schicht der Kunststoffe. Doch die Thermo-Oxidation durch Verbrennung des Plastikmülls verändert auch die inneren Strukturen des Materials erheblich,“ weiß Geowissenschaftler Reuning.