WIENER MOTORENSYMPOSIUM 03. Mai 2018 Stefan Woltereck Lesezeit: ca. 3 Minuten

Mehr Hitze, weniger Emissionen

Variable Verdichtung, Vorkammerzündung, Partikelfilter, Elektrifizierung: Verbrennungsmotoren stehen keineswegs am Ende ihrer Entwicklung.

Mehr als 1000 Entscheidungsträger der weltweiten Automobilbranche diskutierten auf dem Wiener Motorensymposium neueste Technologien und Trends.
Foto: ÖVK/Doris Kucera

Verbrennungsmotoren haben Zukunft – sie bieten noch immer viel Potenzial, um Leistung, Verbrauch und vor allem die Abgasqualität zu verbessern. So drehte sich die Hälfte der Vorträge auf dem 39. Wiener Motorensymposium Ende vergangener Woche auch um die Abgasreinigung – oder beschäftigte sich wenigstens in Teilbereichen mit ihr.

„Der Verbrennungsmotor wird auch in den nächsten zwanzig Jahren die Hauptantriebsquelle der Straßenfahrzeuge bleiben“, betonte Hans Peter Lenz, Gründer des Internationalen Wiener Motorensymposiums. Zentrales Thema dabei: Den eher kühl laufenden Dieselmotor (Luftüberschussprinzip) und mit ihm das Abgassystem rasch auf Betriebstemperatur zu bringen – und auf ihr zu halten. Denn gebräuchliche Stickoxidabgasreinigungssysteme (SCR-Kat) benötigen Temperaturen nahe 200 °C, um wirksam zu sein.

Moderne Dieselkonstruktionen mit Oxidations- und NOX-Speicherkat, mit Partikelfilter und SCR-System halten bereits heute die Vorschriften nach Euro 6d-temp und sogar 6d sicher ein. Weitere Verbesserungen – Bosch verspricht Werte bis herab zu 13 mg NOX/km im anspruchsvollen RDE-Test gegenüber der offiziellen Grenze von 80 mg/km – erfordern vor allem ein penibles Thermomanagement im Abgassystem. Mehr Wärme führt direkt zu mehr Wirkungsgrad und weniger Schadstoffausstoß.

Die Katalysatoren müssen nach einem Kaltstart rasch auf „Wohlfühltemperatur“ kommen. Darüber hinaus dürfen sie bei längeren Leerlauf- und Bergabfahrten nicht zu sehr auskühlen. Besonders kritisch ist dieser letzte Punkt für Elektrohybrid-Fahrzeuge, wenn sie z. B. längere Strecken elektrisch bei Motorstillstand rollen. „Aber auch hier“, so Bosch-Manager Kufferath, „lassen sich die Probleme mit Technologien lösen, die bereits verfügbar sind – und die keinen signifikanten Preisanstieg bedeuten müssen.“

In temporärer, elektrischer Beheizung sieht z. B. Emitec/Continental eine mögliche Lösung, vor allem für Mild-Hybride (48 V): Per Heizung wird der SCR-Kat bereits nach 45 s wirksam, ohne sind es 6 min. Wird beim Kaltstart der Elektromotor eingesetzt („elektrische Kaltabfahrt“), wird gleichzeitig der Kat vorgeheizt. So können die Emissionen auf dem ersten Kilometer Fahrtstrecke um mehrere Größenordnungen sinken.

Ein höheres Temperaturniveau des gesamten Motors (bis ca. 130 °C) könnte zudem Vorteile im Verbrauch bringen, unter Umständen kombiniert mit einem Thermospeicher für heißes Kühlmittel. Nach Modellrechnungen ist seine Füllung nach einem durchschnittlichen Parken über Nacht noch ca. 100 °C heiß – was den Motor beim Start in Sekunden fast auf Betriebstemperatur bringt und damit CO2-Vorteile verspricht.

Neben den Stickoxiden und CO2 beschäftigte auch das Thema Feinstaub die in Wien versammelten Wissenschaftler. Der „Verbrennungsmotor 4.0 hat alle Chancen, auch künftige strengste Vorgaben zu erfüllen“, sagte Helmut List, Chef des Antriebsspezialisten AVL,

Bei Benzinern mit Direkteinspritzung setzen sich Partikelfilter auf breiter Front durch – zu sehen auch am neuen 1,5-l-EA 211 evo im VW-Konzern, genauso wie am V6-TFSI von Audi oder dem neuen Achtzylinder von BMW. Nach Downsizing und Aufladung – mit bis zu vier Abgasturbos, künftig mehr und mehr auch mit einem zusätzlichen elektrischen Lader (Audi, BMW) – bergen vor allem variable Verdichtung, Vorkammer- und kontrollierte Selbstzündung Potenzial, um Verbrauch und CO2-Ausstoß weiter zu senken. So geht bei Infinity (Nissan) noch dieses Jahr ein Modell in Serie, das variable Verdichtung mit einer aufwendigen Konstruktion verbindet, bei der die Kurbelwelle samt Lagern angehoben werden kann.

Eine einfachere, zweistufige Lösung ist Dual-Mode VCS der Zulieferer IWIS und AVL. Das Pleuel lässt sich um wenige Millimeter verlängern, das Verdichtungsverhältnis beispielsweise von 9 : 1 bei Vollgas bis auf 15 : 1 für höhere Effizienz bei Teillast steigern. Bewirkt wird die Längenänderung durch ein geteiltes Pleuel mit Kolben und Ölraum. Wird dieser unter hohem Druck mit Öl gefüllt, verlängert sich das Pleuel, bei Druckabfall schrumpft es innerhalb weniger Kurbelwellenumdrehungen wieder auf das ursprüngliche Maß.

Eine Vorkammertechnik, um die Verbrennung bei hocheffizienten Ottomotoren zu verbessern, stellte Zulieferer IAV vor. Die Vorkammerzündung wird in der Formel 1 bereits lange eingesetzt, um Klopffestigkeit auch bei Drehzahlen jenseits von 10 000 min-1 zu gewährleisten. Bei ihr sitzt die Zündkerze in einer Vorkammer aus der dann die Flamme als verstärkter Zündfunke in die Brennkammer schießt. Besonders gut funktioniert dieses Prinzip mit einer „aktiven“ Vorkammer, in die zusätzlich Kraftstoff eingespritzt wird, um ein gut entflammbares stöchiometrisches Gemisch zu erzeugen: Versuche ergaben eine Kraftstoffeinsparung von 7 % bis 8 %.

Natürlich blickte die Motorenbauerelite in Wien auch über den Tellerrand hinaus. Elektroantrieb – sei es als Hybrid, als Plug-in-Hybrid oder reines Batteriefahrzeug – wird sich weiter durchsetzen. Hersteller wie Zulieferer bringen sich hier in Stellung, z. B. Audi mit Mildhybriden noch in diesem Jahr und Volkswagen ab 2019 in großer Serie beim Golf 8. Der Focus dabei liegt auf 48-V-Systemen. Mahle beispielsweise will mit ihnen kurzzeitig Leistungen bis zu 40 kW auf die Straße bringen – und Drehmomente bis 500 Nm. Systeme dieser Art helfen bei der Sauberkeit: Tritt der Fahrer beim Ampelstart auf das Pedal, so wird die Elektrik aktiviert. Dem Verbrennungsmotor wird Vollgas erspart – und dem Auspuff eine besonders schwer zu beherrschende Wolke.

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