CHEMIE 05. Okt 2017 Ralph H. Ahrens Lesezeit: ca. 3 Minuten

Nachhaltige Textilproduktion

Das Tübinger Unternehmen CHT Germany hat sich darauf spezialisiert, mit guter Beratung die Textilproduktion in Entwicklungsländern zu verbessern. Ein Geschäftsmodell mit Zukunft.

Viel Forschung steckt in den Textilfarbstoffen von CHT, damit der Branche ungefährliche Substanzen zur Verfügung stehen. Das bringt auch finanzielle Vorteile.
Foto: CHT

Wir optimieren Prozesse und Rezepturen unserer Kunden“, sagt Birgit Holz. Sie leitet die Anwendungsfelder Vorbehandeln, Färberei und Garment. Die Textilchemikerin und ihr Team bei CHT verkaufen Hilfsmittel und Farbstoffe weltweit an rund 9000 Textilhersteller – so auch nach Bangladesch, China und Indien. Diese Firmen stellen meist nicht das berühmte „T-Shirt für 2 €“ her.

CHT Group

Gründung: 1953 als Chemische Fabrik Tübingen durch Reinhold Beitlich. Es folgten 27 Ausgründungen in Europa, Afrika, Südamerika und Asien.
Branche: Spezialchemikalien
Mitarbeiter: In Tübingen arbeiten mehr als 600, weltweit mehr als 2000 Mitarbeiter.
Umsatz: Der Umsatz betrug im Jahr 2016 weltweit 440 Mio. €.

Vor allem in Asien ist der Ruf der Textilherstellung schlecht. Umweltverbände zeigen, wie etwa durch das Färben von Kleidern Arbeiter erkranken und Flüsse vergiftet werden. 2011 startete Greenpeace deshalb die Entgiftungskampagne DeTox und fordert seitdem von der Textilindustrie, bis 2020 auf giftige Chemikalien zu verzichten.

CHT fühlte sich angesprochen. „Oft werden wir mit anderen Chemikalienherstellern in einen Topf geworfen“, so Holz. Doch: „Wir bieten Chemikalien an, die eine DeTox-konforme Textilherstellung ermöglichen.“ CHT unterstützt auch die Vereinigung Zero Discharge of Hazardous Chemicals (ZDHC), in der sich ca. 20 Markenhersteller aus der EU und den USA zusammengetan haben, um Kleider umweltfreundlicher herzustellen. ZDHC ist die Antwort dieser Marken auf die Kampagne von Greenpeace.

Bevor CHT Chemikalien verkauft, wird intensiv geforscht und beraten. Ein Beispiel: Ein Unternehmer in Südafrika hat Kleidung aus Baumwolle klassisch in drei Arbeitsschritten für das Färben vorbehandelt. „Er bat uns 2010, ein zweistufiges Verfahren einzuführen“, erinnert sich die Chemikerin. In Tübingen entwarfen Fachleute Lösungen, stellten sie dem Unternehmer vor und verglichen sie dann im Kompetenzzentrum mit dem etablierten Prozess in Südafrika. Das Ergebnis: Der Unternehmer konnte Wasser und Energie einsparen und seine Produktivität erhöhen.

Dieses Know-how basiert auf langjähriger Erfahrung und intensiver Forschung in den Kompetenzzentren für Textilhilfsmittel in Tübingen und für Textilfarbstoffe im schweizerischen Montlingen bei St. Gallen. In beiden Zentren wurde 2013 ein Baukasten zur Veredelung von Baumwollfasern entwickelt: das 4Success Modul. Nach dieser Anleitung lassen sich solche Fasern bei 40 °C anstatt wie üblich bei 60 °C bis 80 °C färben. „Wir verwenden zudem Farbstoffe mit hohem Fixiergrad“, ergänzt Holz. Diese binden fest an die Faser, färben nicht aus, weisen daher eine gute Echtheit auf und senken so den Wasserverbrauch beim Reinigen. In Zahlen: Bei hellen Farben kann der Wasserverbrauch um ein Fünftel, bei dunklen um fast ein Drittel sinken. Der Energieverbrauch verringert sich um bis zu zwei Drittel. Und die Veredler sparen Zeit: bei dunkler Färbung bis zu 33 %, bei heller Färbung bis zu 18 %.

Heute färben daher schon viele Textilhersteller mit CHTs Hilfe kostengünstig und umweltschonend etwa Fasern aus Baumwolle, Polyamid oder Polyester.

Diese gute Beratung ist ohne das Wissen über die Eigenschaften der Hilfsmittel und Farbstoffe nicht möglich. Das Know-how kostet. Die Produkte seien meist teurer als die anderer Chemikalienhersteller, so Holz. „Aber durch die Einsparungen im Gesamtprozess spart der Kunde letztlich Geld.“

Wichtig ist dem Unternehmen Glaubwürdigkeit und Transparenz: CHT nutzt und verkauft nur Chemikalien, die den EU-Standard erfüllen – also die Reach-Anforderungen. Und man hat mehr als 1000 Farbstoffe und Hilfsmittel beim Schweizer Label Bluesign registrieren und zertifizieren lassen. In dessen Datenbank finden Textilveredler Produkte, mit deren Hilfe sie umweltverträglich produzieren und ihre Textilien auch kennzeichnen können. Eine asiatische Garagenfirma hat diese Möglichkeiten nicht. „Die verwenden – oft auch aus Unwissenheit – giftige oder umweltschädliche Rohstoffe.“

Ein Beispiel sind Alkylphenolethoxylate, sie sind langlebig und schädigen das Erbgut. Die Textilindustrie der EU hat sich 1986 verpflichtet, diese Substanzen zu meiden, doch viele Betriebe in Asien und Afrika nutzen die Stoffe noch. „Wir haben uns entschieden, weltweit auf diese Stoffgruppe zu verzichten – egal, ob wir Umsatz verlieren“, erklärt Holz. Doch CHT konnte den Ausstieg ohne große Umsatzverluste durchsetzen.

Ohne umweltkritische Substanzen kommt aber auch CHT nicht aus: Auf Flammschutzmittel, die das Entflammen von Kleidern verzögern, und fluorierte Kohlenwasserstoffe, die Fasern vor Wasser und Öl schützen, kann man nicht immer verzichten. Müssen Menschen geschützt werden, rät CHT zum Beispiel den Herstellern von Brandschutzkleidung zu diesen Substanzen. An Ersatzstoffen wird im Tübinger Kompetenzzentrum geforscht. „Für die einfache Wasserabweisung von Bekleidungstextilien gibt es bereits fluorfreie Alternativen“, so die Textilchemikerin. Für die Ölabweisung jedoch noch nicht.

Das Geschäftsmodell, gute Lösungen mit viel Know-how anzubieten, hält Holz für zukunftsträchtig, auch wenn noch nicht alle Textilhersteller dafür offen sind. „In China sind zwei Drittel aller Firmen, die Textilien produzieren, kaum daran interessiert, Prozesse zu optimieren oder Standards einzuhalten.“ Doch der Druck etwa durch Greenpeace und große Brands nimmt zu.

Und da braucht es eben Chemielieferanten, die sich gut auskennen. Das Tübinger Unternehmen sieht sich dafür gerüstet. In 20 Ländern arbeiten gut ausgebildete heimische Ingenieure und Techniker für die CHT-Gruppe. Immer wieder sind auch Fachleute aus Tübingen gefragt, sagt Holz mit einem Schmunzeln: „Vor allem Kunden im asiatischen Raum fühlen sich besonders geehrt, wenn ein Ingenieur aus Deutschland ihn besucht.“

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