Umwelt 07. Mrz 2014 Güven Purtul Lesezeit: ca. 3 Minuten

Neue Sprühtechnik halbiert Salzbedarf im Winter

Sprühen statt streuen: Bei Eis und Schneematsch setzen viele Autobahnmeistereien mittlerweile gelöstes Salz ein. Das könnte den Verbrauch etwa um die Hälfte senken.
Foto: Timm Schamberger/ddp images

Die extrem schneereichen Winter haben seit 2009 den Salzverbrauch in die Höhe getrieben. Im Jahr 2010 setzten allein deutsche Salzhersteller hierzulande 5,3 Mio. t Salz ab. In dem berüchtigten Eiswinter war Streusalz vielerorts ausverkauft. Die auf den Straßen eingesetzte Überdosis führte zu deutlichen Nekrosen an Blättern und Trieben, von denen sich nicht alle Bäume wieder erholt haben.

Das zeigt auch ein Streusalzmonitoring, mit dem die Stadt Hamburg die Auswirkungen des Tausalzeinsatzes auf mehr als 700 Bäume und das Erdreich am Straßenrand erfasst hat.

In normalen Wintern liegt der Streusalzbedarf Hamburgs bei gut 10 000 t. Bundesweit streuen die Winterdienste im langjährigen Mittel 2 Mio. t/a der Verbrauch schwankt zwischen 0,7 Mio. t und 4,6 Mio. t. Und die Tendenz zeigt nach oben: Von 1990 bis 2001 lag er im Schnitt bei knapp 1,5 Mio. t/a, doch in der darauffolgenden Dekade stieg er auf jährlich 2,9 Mio. t/a.

In Hamburg ist Salzstreuen auf Geh- und Radwegen verboten, ebenso in Berlin und München. Köln und Stuttgart hingegen erlauben den sparsamen Einsatz etwa bei Eisregen, Hannover gestattet es auf Treppen und Rampen, Frankfurt gibt Salz frei, wenn andere Mittel nicht helfen.

„98 % aller Kommunen haben unterschiedlich definierte Ausnahmeregelungen“, sagt Horst Hanke, Vorsitzender des Fachausschusses Winterdienst im Verband kommunaler Abfallwirtschaft und Stadtreinigung. „Es gibt einfach Wettersituationen, wo Sie ohne Salz nicht auskommen.“

Manche Orte experimentieren mit der neuen Solesprühtechnik. Statt Streusalz versprüht ein Kleinfahrzeug eine Salzlösung. Studien zeigten, dass diese länger auf der Straße haftet als kristallines Salz. Das senke den Verbrauch etwa um die Hälfte.

„Flüssigsalz ist ideal für Radwege“, sagt Hanke. Die Technik eigne sich aber auch für Straßen. Der Trend gehe klar zur Flüssigstreuung: „2013 haben wir eine Umfrage bei deutschen Kommunen gemacht. Da hatten bereits ein Drittel aller Gemeinden zumindest einzelne Solesprüher.“

Viele Autobahnmeistereien entschieden sich bereits für die Technik. Auch die Hamburger Nachbargemeinde Norderstedt nutzt das gelöste Salz für die Radwege. „Wir streuen das Radwegenetz, damit die Pendler und die Berufstätigen auch über den Winter weiter mit dem Rad zur Arbeit können“, sagt Joachim Krüger, Leiter des städtischen Bauhofs.

Darüber ist Bernhard Kerlin empört, der im Rathaus von Norderstedt lange für den Schutz der Straßenbäume zuständig war. Mit Fotos dokumentiert er Baumschäden, die er auf den Salzeinsatz zurückführt: „Das wirkt sich ganz katastrophal auf den Bestand aus“, sagt Kerlin.

Der Naturschützer fordert die Gemeinde auf, sich an die eigene Satzung zu halten. Andernfalls könne man doch von den Anliegern nicht erwarten, dass die diese Satzung ernst nehmen und auf Streusalz verzichten. Mit Sanierungsmaßnahmen will Norderstedt die Straßenbäume nun revitalisieren.

Es gibt zudem aus anderen Gründen Vorbehalte gegen die Solesprüher: „Dazu müssten wir unseren gesamten Fuhrpark umrüsten“, erklärt Thomas Naß von der Hamburger Stadtreinigung. Die Hansestadt habe jedoch bereits in moderne Streufahrzeuge investiert. Sie versprühen angefeuchtetes Salz, das sich besser verteilt als trockenes und daher sparsamer verteilt werden kann.

Außerdem haben sie Wärmebildkameras an Bord, um die Temperatur der Fahrbahn in Echtzeit zu ermitteln. „Binnen Bruchteilen von Sekunden wird danach der Streuer eingestellt“, sagt Naß. So käme der Streudienst mit 10 g bis 20 g Feuchtsalz/m2 aus. „Das ist wahrscheinlich im Verhältnis weniger, als Sie auf Ihr Steak streuen würden.“

Die Technik der Solesprühung eigne sich zudem nur für vorbeugende Einsätze bei leichtem Frost, erklärt Naß. Das weiß auch der Norderstedter Bauhofleiter Krüger: „Wenn wir richtig Winter haben mit wiederholten Schneefällen, dann brauchen wir den Solesprüher nicht mehr, dann werden wir wieder Feuchtsalz streuen.“ Und Kerlin wird weiter dagegen protestieren, denn auch die beste Spartechnik werde nichts daran ändern, dass Salz auf Fuß- und Radwegen Bäume gefährdet. GÜVEN PURTUL

 

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