Pulsierende Strömung: Was Lawinen und Vulkane gemein haben
Ob eiskalte Staublawinen in den Alpen oder glutheiße pyroklastische Ströme nach Vulkanausbrüchen: beide Naturgefahren haben durchaus Gemeinsamkeiten. Es sind pulsierende Strömungen, die für die immense Zerstörungskraft verantwortlich sind.
Dass pulsierende Strömungen sowohl Staublawinen an schneebedeckten Hängen als auch Glutlawinen mit Aschepartikeln nach Vulkanausbrüchen verursachen, haben Forschende aus beiden Themenbereichen unabhängig voneinander herausgefunden. Nun soll dem bisher noch unbekannten Phänomen im Rahmen eines vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Forschungsprojekts auf den Grund gegangen werden.
Staublawinen an schneebedeckten Hängen unterliegen komplexen physikalischen Prozessen
Es sind komplexe physikalische Prozesse, die in einer Staublawine ablaufen. Im wesentlichen bestehen sie aus drei Schichten, die während des Niedergangs miteinander interagieren: eine dichte granulare Grundschicht, ein Übergangsbereich in Form einer pulsierenden turbulenten Strömung sowie eine verdünnte turbulente Schwebeschicht mit feinsten Partikeln, die eigentliche Staubwolke, die das Ganze bedeckt.
Mit Messgeräten und Sensoren schauen Forschende des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF im Lawinentestgelände im Vallée de la Sionne (Gemeinde Arbaz, Schweiz) ins Innere der Lawinen, um diese Vorgänge zu verstehen und die Zerstörungskraft von Lawinen abzuschätzen. Möglicherweise sind hochenergetische Impulse innerhalb einer Staublawine für die zerstörerische Wirkung verantwortlich, darauf deuten bisherige Messungen hin. Dabei zeigte sich auch, dass sich Wellen auf der dichten Grundschicht ausbreiten und sich große zusammenhängende Strukturen in der Übergangsschicht bilden. Diese Vorgänge sind eng mit der zerstörerischen Impulsbildung verbunden.
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Pulsierende Strömungen treten auch bei Vulkanausbrüchen auf
Vulkanforschende aus Neuseeland kamen nun zu ähnlichen Ergebnissen: Auch pyroklastische Ströme – also Ströme aus Asche und Gas nach Vulkanausbrüchen – besitzen einen pulsierenden Charakter. Im Gegensatz zu den kalten Staublawinen in den Alpen sind diese Ströme jedoch glutheiß. Dies erschwerte deren Untersuchung bisher. Doch dann gelangen direkte Messungen und groß angelegte Experimente im Innern der Glutströme beim Ausbruch des Whakaari (White Island, Neuseeland) am 9. Dezember 2019. Dabei zeigte sich, dass der turbulente und pulsierende Übergangsbereich für die Zerstörungskraft der pyroklastischen Ströme verantwortlich ist und diese sogar noch verstärkt.
Forschung für Schutzmaßnahmen bei Lawinen und Vulkanausbrüchen
Dem Phänomen möchten die Forschenden nun auf den Grund gehen, um zu verstehen, welche physikalischen Mechanismen die zerstörerischen Impulse auslösen. Dabei werden auch neuartige Technologien eingesetzt wie beispielsweise Geodar (Geophysical Flow Dynamics Using Pulsed Doppler Radar), ein Radar, das durch die Staubwolke hindurch die dichteren Fließanteile der Lawinen mit einer Auflösung von 0,75 m bei 100 Hz abbilden kann.
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Von den Ergebnissen dieses vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Forschungsprojekts profitieren sowohl Lawinen- als auch Vulkanforschende. Mit neuen Berechnungsmodellen sollen in Zukunft bessere Schutzmaßnahmen für beide Themenbereiche entwickelt werden.