Wie die Kreislaufwirtschaft von der Digitalisierung profitieren kann
Das Potenzial der Kreislaufwirtschaft, wertvolle Rohstoffe besser zu nutzen, ist riesig. Digitalisierung kann Fortschritte bringen, muss aber auf die unterschiedlichen Bedarfe zugeschnitten sein. Das verdeutlicht eine aktuelle Studie.
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Trotz einzelner Vorzeigeprojekte bleiben die meisten Potenziale der Kreislaufwirtschaft aktuell ungenutzt. In Deutschland beträgt der aktuelle Anteil von Sekundärrohstoffen – also von Rohstoffen, die bereits ein zweites Mal oder noch häufiger genutzt wurden – in den Wirtschaftsaktivitäten lediglich 13 %. Weltweit betrachtet sind es sogar nur 7 %. Es besteht also Handlungsbedarf. „Wachstum und Ressourcenverbrauch lassen sich entkoppeln, wenn wir statt der linearen Logik des Produzierens, Konsumierens und Entsorgens einen systemischen Ansatz für eine Kreislaufwirtschaft verwirklichen. Digitale Technologien geben uns dafür die Werkzeuge an die Hand. Nur sie ermöglichen den nötigen Informationsaustausch, auf dessen Grundlage neue zirkuläre Geschäftsmodelle entstehen können“, erklärt Christoph M. Schmidt, Vizepräsident der Acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und Projektleiter der Studie „Digitale Enabler der Kreislaufwirtschaft“.
Die Kreislaufwirtschaft und die Daten
Schon länger sind sich Experten und Expertinnen einig, dass ein reibungsloser Informationsaustausch zwischen allen Akteuren der Wertschöpfungskette über Eigenschaften, Verfügbarkeit, Zustand und Nutzung von Produkten essenziell ist, um Stoffkreisläufe effektiv zu schließen. Das betrifft auch recyclingrelevante Daten oder Informationen zur Bepreisung von Umweltkosten. Acatech schreibt dazu: „Digitale Technologien und Anwendungen wie Datenräume und digitale Produktpässe (DPP) ermöglichen es, diese Informationen effizient und kostengünstig nutzbar zu machen.“
Kreislaufwirtschaft digitalisieren: Anwendungsbeispiele aus den Sektoren Textil, Elektronik und Bau machen Unterschiede deutlich
Allein der Einsatz digitaler Technologien garantiert jedoch noch kein zirkuläres Wirtschaften. Denn nur, wenn das Verhältnis zwischen Nutzen einer Anwendung, deren Energieverbrauch und den Umweltauswirkungen der digitalen Technologien selbst passt, wirkt sich das positiv auf die Klimabilanz aus. Zwischen verschiedenen Branchen und Materialien kann es dabei große Unterschiede geben.
Die Acatech-Studie beleuchtet deshalb Anwendungsbeispiele aus drei sehr unterschiedlichen Sektoren: Textil (T-Shirt), Elektronik (Waschmaschine) und Bau (Einfamilienhaus). Sie verdeutlichen sektorspezifische Herausforderungen, Rahmenbedingen und Handlungsfelder. So wird am Beispiel der T-Shirt-Herstellung gezeigt, wie sich der gesamte Prozess von Materialbeschaffung über die Produktion bis hin zum Recycling ressourcenschonender und abfallärmer gestalten lässt. Dieser Sektor gilt als besonders ressourcenintensiv. Pro neuem Baumwoll-T-Shirt werden beispielsweise 2700 l Süßwasser benötigt.
Gleich mehrere zentrale Digitale Enabler für Verbesserungen hat die Studie hier identifiziert. Ein digitaler Produktpass stelle z. B. relevante Informationen zu Recycling und Pflege, aber auch zu Material- und Produktnachhaltigkeit und deren Zertifizierung über komplexe Lieferketten hinweg allen beteiligten Akteuren zur Verfügung. Dank digital automatisierten und durch KI-Modelle optimierten Verfahren könnten zudem effiziente Textilrecyclingstrukturen aufgebaut werden, die Qualität und Rentabilität von Recyclingfasern steigerten. Darüber hinaus könnten Onlineplattformen entscheidend zur Verlängerung der Nutzungsdauer von Textilien beitragen.
Um die Unterschiede zu anderen Sektoren zu verdeutlichen, hat die Arbeitsgruppe um Christoph M. Schmidt neben dem einfachen wie kurzlebigen Produkt T-Shirt auch Waschmaschinen und Einfamilienhäuser betrachtet und dafür digitale Lösungen herausgearbeitet.
Jeder Anwendungsfall berücksichtigt dabei eine Kombination aus zirkularökonomischem Wissen, digitalen Technologien sowie sektor- und produktspezifischen Anforderungen. Liege der Fokus im Textilsektor stark auf Produktion, Nutzungsintensität und -dauer sowie auf Strukturen für Sammlung, Sortierung und das Recycling textiler Materialien, stehe bei den Elektrogeräten die Intensivierung und Verlängerung der Nutzungsphase im Zentrum. Beim Einfamilienhaus böten dagegen Umbau und Sanierung von Bestandsimmobilien viel Potenzial für den Einsatz digitaler Tools und Anwendungen.
Acatech und die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie NKWS
Die Acatech-Studie baut auf den Ergebnissen und Erkenntnissen aus der Circular Economy Initiative Deutschland (CEID) auf. Eine weitere Grundlage bildet die Acatech-Studie zur „Digitainability“, die die Rolle der Digitalisierung als Hebel der Circular Economy herausarbeitet. Darauf aufbauend widmet sich die Studie „Digitale Enabler der Kreislaufwirtschaft“ nun den Handlungsoptionen für die erfolgreiche Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft durch digitale Technologien und Anwendungen.
„Der Entwurf der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) und auch die neue EU-Ökodesign-Verordnung unterstreichen zurecht die entscheidende Bedeutung digitaler Technologien für die Kreislaufwirtschaft“, unterstreicht Acatech-Präsident Thomas Weber. Nun gelte es, digitale Enabler in die Anwendung zu bringen. „Eine gezielte interdisziplinäre Förderstrategie kann dabei unterstützen. Sie sollte auf transferorientierte Leuchtturmprojekte fokussieren, die skalierbare Effekte für die Wirtschaft bringen“, so Weber. Die Acatech gehe dabei um gemeinsame, skalierbare Lösungsstrategien für zirkuläres Wirtschaften.