Risiken durch extreme Ereignisse wie Hitze und Dürre müssen systematisch zusammen bewertet werden
Treten extreme Ereignisse wie Hitzewellen und Düren gleichzeitig auf, sind auch die Auswirkungen auf die Gesellschaft divers und komplex. Ein Forschungsteam Team der Universität Zürich kommt daher jetzt zum Schluss, dass Risikobewertungen zu kurz greifen, wenn sie die Folgen der Ereignisse nur einzeln bewerten. Gefragt ist ein übergreifender, systemischer Ansatz.
Europa im Sommer 2022: lange Dürreperioden, Hitzewellen, Rekordtemperaturen; falls es mal regnet, drohen gleich Sturzfluten und Hochwasser. Folgen Wetterextreme kurz aufeinander oder überlagern sich gar, sind die Folgen für die Gesellschaft in allen Facetten nicht nur stärker. Vielmehr greifen bisherige Modelle für mögliche Risiken zu kurz. Die Auswirkungen der Wetterextreme wirken sich divers und komplex aus.
Ultrafeinstaub könnte Wetterextreme verursachen
Mehrere Sektoren einer Gesellschaft sind gleichzeitig betroffen: Industrie, Logistik, Wirtschaft, Gesundheitssystem – bis hin zur Sicherheitslage. Die Folgen werden dadurch verstärkt. Und Vorhersagen, in denen die Folgen bisher für jedes extreme Wetterereignis einzeln berechnet werden, greifen zu kurz. Gefragt seien systemische Berechnungen, hat jetzt ein Forschungsteam der Universität Zürich (UZH) herausgefunden.
Extreme Wetterereignisse von gleichzeitiger Hitze und Dürre bringt hohen volkswirtschaftlichen Schaden
Forschende des Geographischen Instituts der UZH analysierten extreme Hitze- und Dürreereignisse in Europa, Australien und Afrika innerhalb der letzten 20 Jahren. Dabei untersuchten sie nicht nur die direkten und indirekten Auswirkungen auf verschiedene Sektoren und Systeme, sondern zusätzlich auch die Auswirkungen der Reaktionen auf solche Ereignisse.
Eifelmaare zeigen: Mehr Extremwetterereignisse in Warmzeiten
„Sehr erheblich können etwa die finanziellen Verluste sein“, sagt Laura Niggli vom Geographischen Institut der UZH. „Sie reichen in den untersuchten Fällen von mehreren Hundert Millionen Dollar bis zu mehreren Milliarden Dollar.“ In Extremfällen wie den Buschbränden in Australien 2019/2020 betrugen die Verluste sogar rund 100 Mrd. $, was mehr als 5 % des australischen Bruttoinlandsprodukts entspricht.
Woher kommen eigentlich diese extremen Schäden durch extreme Wetterereignisse?
Erst einmal hat Niggli beobachten können: Der Gesamtschaden ist höher als die Summe der Einzelschäden durch die jeweiligen Einzelereignisse. Warum das so ist, hat sie auch herausgefunden: „Wir haben ein zusammenhängendes Netz von Sektoren identifiziert, die auf direkte und indirekte Weise interagieren und zusätzliche Verluste und Schäden in mehreren anderen Sektoren verursachen, insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Energie, Landwirtschaft und Nahrungsmittel“, erläutert sie.
Wiederaufbau nach der letztjährigen Flutkatastrophe ist auf die Schiene gesetzt
Diese Vernetzung innerhalb eines Systems mache die Prognose schwierig und aufwendig. Es führe nicht nur zu komplexen kaskadenartige Auswirkungen der Ereignisse, sondern die Wirkungen seinen so weitreichend, dass sie globale Strukturen unserer Zivilisation ernsthaft gefährden. „Gleichzeitige Wetterextreme sind potenziell in der Lage, ganze gesellschaftlich relevante Systeme, etwa den Welthandel, zu destabilisieren“, betont Niggli. Es veranschaulicht das berühmte Beispiel, mit dem Systemforscher gerne die Folgen eines scheinbar marginal kleinen Ereignisses in einem chaotisch-selbstorganisiertem System veranschaulichen: Ein Flügelschlag eines Schmetterlings, kann theoretisch den gesamten Zustand des Systems ändern.
Die Folgen mehrerer extremer Wetterereignisse lassen sich nicht durch Einzelmaßnahmen verhindern
Schlimmer noch: Wir Menschen neigen dazu, ein System herunterzubrechen auf einzelne Bestandteile – und dann – fokussiert auf diese Einzelteile – zu optimieren bzw. zu reagieren. Genau dieser Ansatz fliege uns aber um die Ohren, hat das Team um Niggli herausgearbeitet.
Gegen extreme Hitze- und Dürreereignisse ergriffene Anpassungsmaßnahmen seien „zumeist reaktiv und von begrenzter Reichweite“, schreibt die UZH in einer Mitteilung. „Maßnahmen für einen Sektor hatten zum Teil negative Auswirkungen auf andere Sektoren, insbesondere auf den Energie- und Wassersektor, die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Kultur sowie auf die Ökosysteme.“
Systematischere Bewertung der Risiken durch Extremereignisse nötig
Es gelte aus diesem Grund, die Risikobewertung künftig nicht mehr in einzelne Extremereignisse, Auswirkungen und Sektoren zu unterteilen. Sondern die Verflechtung von Sektoren und Systemen müssten systematisch berücksichtigt werden, heißt es seitens der UZH. Anpassungsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit der betroffenen Regionen ließen sich so verbessern. Das sei besonders wichtig, da die in Zukunft zu erwartenden Wetterextreme alle bisherigen Rekorde zu übertreffen drohen.
Gemäß dem Forschungsteam sind dazu nicht nur stärkere Anstrengungen und Investitionen in die Anpassung an Wetterextreme erforderlich. Es brauche zwingend eine sektorübergreifende und vermehrt internationale Zusammenarbeit. „Wenn das Klima wärmer wird, werden extreme Hitze- und Dürreereignisse häufiger, intensiver und länger. Damit werden sie zum wachsenden Risiko für die Gesellschaft“, so die UZH.