Scheitert Europas Wende zur ökologischen Landwirtschaft infolge des Ukraine-Kriegs?
Die Farm-to-Fork-Strategie der EU droht infolge des russischen Angriffskrieges unter die Räder zu kommen. Eine Halbierung von Pestiziden und die drastische Reduktion von Kunstdünger bis 2030 – wie im Green Deal gefordert – steht in Brüssel nicht mehr auf der Agenda.
Gleich nach seiner Vereidigung im Dezember 2021 war Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir im Kreis seiner europäischen Agrarkollegen aus den 27 EU-Staaten in Brüssel ambitioniert gestartet. „Deutschland wird auch auf europäischer Ebene kraftvoll vorangehen – für mehr Klimaschutz, mehr Artenreichtum, mehr Tierschutz“, sagte der Grünen-Politiker auf dem Brüsseler Parkett. Dies sei auch das Anliegen der Landwirtinnen und Landwirte, die verlässliche Perspektiven bräuchten.
Den politischen Rahmen dafür setzt Brüssel – mit dem Green Deal, der Farm-to-Fork- sowie der Biodiversitätsstrategie. Das Ziel: ein einschneidender Umbau der landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen mit weniger Kunstdünger und einer Halbierung des Pestizideintrages bis 2030 sowie der Steigerung des Anteils der ökologischen Lebensmittelproduktion auf 30 % bis Ende des Jahrzehnts.
Green Deal weckte Hoffnung auf Zeitenwende in der Agrarpolitik
Die hehren Ziele erscheinen mit dem Krieg auf europäischem Kontinent das Papier allerdings nicht mehr Wert zu sein, auf dem sie einmal gedruckt wurden. Dieses Fazit zieht zumindest der grüne Europaabgeordnete und agrarpolitische Sprecher im EU-Parlament, Martin Häusling: „Wir waren vor Beginn des Mandats gegenüber Frau von der Leyen skeptisch. Den von ihr vorgestellten Green Deal, die Farm-to-Fork- und die Biodiversitätsstrategie haben wir dann aber sehr begrüßt“, erinnert sich der hessische Bio-Bauer im Gespräch mit VDI nachrichten. Häusling ist seit 2009 Mitglied des EU-Parlaments und agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion. Der gelernte Agrartechniker bewirtschaftet den hessischen Familienbetrieb Kellerwaldhof seit 1988 nach Bioland-Richtlinien.
Die Hoffnung war groß, dass mit dem Green Deal auch eine Zeitenwende für die gemeinsame europäische Agrarpolitik (GAP) angebrochen sei. Zwei Jahre später fällt die Bilanz jedoch ernüchternd aus. „Ich habe inzwischen den Eindruck gewonnen, dass die Parteien, welche die Kommissionschefin tragen – vor allem die konservativen Europäischen Volksparteien der EVP –, nie wirklich hinter diesen Zielen gestanden haben. Jetzt müssen wir feststellen, dass – ob aufgrund der Corona-Pandemie oder des russischen Angriffskrieges – vieles zerfleddert wird“, so Häusling.
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„Wir brauchen eine Mindestreduktion der Pestizide von 50 %, um die Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität zu erhalten.“ Sarah Wiener, österreichische Europaabgeordnete und Landwirtin
In der Tat scheinen die Zeichen in Brüssel auf „Rolle rückwärts“ zu stehen. So ordnet es jedenfalls die österreichische Europaabgeordnete und bekannte TV-Köchin Sarah Wiener ein. „Von den konservativen Kräften im Parlament wird ja oft gefordert, dass wir auf die Stimme der Wissenschaft hören. Die Wissenschaft sagt aber eindeutig disziplinübergreifend, dass wir mindestens eine 50%ige Pestizidreduktion benötigen.“ Auf der UN-Klimakonferenz COP15 sei deshalb eine Mindestreduktion von 50 % gefordert worden, um Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität zu erhalten. Insbesondere Europa habe sich dafür eingesetzt.
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