Wie sauber ist die Seine?
29. Jul 2024
Von Mélanie Voisin
Lesezeit: ca. 5 Minuten
Schwimmwettkämpfe bei den Olympischen Spielen: Sprung ins kalte Wasser
Die Vorbereitung der Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 in Paris hat eine große Herausforderung deutlich gemacht: die Sicherstellung einer ausreichenden Wasserqualität der Seine für die Schwimmwettkämpfe. Ein umfangreicher Reinigungsplan wurde ins Leben gerufen, um das Schwimmen im Fluss, der seit 1923 fürs Baden gesperrt war, wieder möglich zu machen.
Am 17. Juli war es endlich so weit: Nach vielem Hin- und Herschieben machte es die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo vor: Knapp zehn Tage vor Beginn der Olympischen Spiele ging sie in der Seine baden. Ursprünglich war der mediatisierte Sprung ins Wasser für Juni geplant – doch dann war das Wasser noch nicht sauber genug – und die Strömung zu schnell. Die ersten Schwimmtrainings in der Seine während Olympia wurden alle abgesagt, die Wasserqualität hat sich wegen starker Regenfälle wieder verschlechtert. Die Wettkämpfe selbst sollen nicht auf der Kippe stehen.
29. Juli: Triathlon-Training in der Seine wiederholt abgesagt
Am Montag, 29. Juli 2024, sagten die Organisatoren der Olympischen Sommerspiele in Paris erneut das Triathlon-Training in der Seine ab. Schon am Sonntag verlegten sie die Übungseinheiten wegen zu schlechter Wasserqualität. Morgen schon sollen die Wettbewerbe in der Seine beginnen mit dem Einzelwettbewerb der Herren.
Ursache der schlechten Wasserqualität sei der Regen am Freitag und Samstag gewesen – jetzt folgen trockene Tage. Höhere Temperaturen und ein niedrigerer Wasserstand würden dazu führen, dass sich Krankheitserreger in der Seine schneller abbauen. Bei starkem Regen gelangen tendenziell mehr Schadstoffe auch über die Zuflüsse in die Seine. Eine Absage oder eine Reduzierung des Triathlon zu einem Duathlon stehe derzeit nicht auf der Tagesordnung, so ein Bericht des „Le Parisien“.
Ende Juni: Wasserqualität für Wettkämpfe nicht ausreichend
Knapp fünf Wochen vor Start der Olympischen Spiele war die Wasserqualität laut einem Bericht der Stadt und der Region Paris noch immer nicht ausreichend, um dort wie vorgesehen Wettkämpfe zu organisieren. „Die Wasserqualität ist aufgrund der ungünstigen hydrologischen Bedingungen – Regenfälle, hohe Fließgeschwindigkeit, geringe Sonneneinstrahlung, Temperaturen unterhalb der jahreszeitlichen Norm und Verschmutzung im Oberlauf des Flusses – weiterhin beeinträchtigt“, hieß es.
Unter anderem um die meteorologischen Herausforderungen zu bewältigen, wurden konkrete Maßnahmen im Rahmen eines umfangreichen „Plan Baignade“ (zu Deutsch: Schwimmplan) festgelegt.
Reinigungsplan macht das Baden in der Seine wieder möglich
Der Unterpräfekt Antoine Marmier, verantwortlich für die Olympischen und Paralympischen Spiele in Paris, erläutert gegenüber VDI nachrichten: „Der Schwimmplan sieht vor, die Wettkämpfe im Freiwasserschwimmen, Triathlon und Paratriathlon während der Olympischen und Paralympischen Spiele auszurichten. Das Ziel ist es aber auch, den Parisern die Seine zurückzugeben, die seit 1923 fürs Schwimmen gesperrt war.“
Der Plan wurde 2016 verabschiedet. Bereits seit den 1970er-Jahren wird aber stetig versucht, die Wasserqualität der Seine zu verbessern – mit ersten Erfolgen im Bereich der Biodiversität. „Die Anzahl der Fischarten in der Seine ist seitdem von drei auf 36 gestiegen. Das Ziel ist es, diese Dynamik aufrechtzuerhalten, indem der Fluss sauber gehalten wird, frei von Müll und Abwasser“, so Marmier.
Karte von Paris – Olympia-Wettkämpfe in der Seine. Grafik: dpa-infografik GmbH/S.Stein
Konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität
Die staatliche Initiative wird zusammen mit der Stadt Paris und anderen lokalen Partnern durchgeführt. Das Gesamtbudget beläuft sich auf 1,4 Mrd. €, davon 700 Mio. € vom Staat, 350 Mio. € vom SIAAP (Syndicat Interdépartemental pour l’Assainissement de l’Agglomération Parisienne) und 45 Mio. € von der Stadt Paris. Marmier betont: „Dieser Plan wurde zwar durch die Olympischen Spiele katalysiert, die Maßnahmen werden aber nicht durch das Internationale Olympische Komitee finanziell getragen.“
Zur Verbesserung der Wasserqualität wurden vier konkrete Maßnahmen getroffen: „die Abwasserbehandlung durch modernisierte Wasseraufbereitungsanlagen, die Schaffung neuer Rückhaltebecken, um das Regenwasser einzudämmen, die Beseitigung von gemeinsamen Anschlüssen der Abwasser- und Regenwasserkanäle sowie Müllsammelaktionen“, listet sie Marmier auf.
Krankheitserreger und Strömungsgeschwindigkeit streng überwacht
Die bakterielle Verschmutzung wurde dank des Badeplans im Vorfeld der Spiele um 75 % reduziert. Dennoch müssen die Konzentrationen der Bakterien E. coli und Enterokokken im Wasser engmaschig überwacht werden. „Die jüngsten Analysen zeigen eine Verbesserung mit Werten unter dem kritischen Schwellenwert von 1000 KBE/100 ml, der von den internationalen Verbänden gefordert wird“, bestätigt Marmier.
Die Strömungsgeschwindigkeit ist ein weiterer zu überwachender Faktor. „Ziel ist es, eine Strömung von 1 m/s zu gewährleisten, um die Sicherheit der Schwimmer zu gewährleisten und den Ansprüchen der internationalen Triathlon-Union gerecht zu werden“, so Marmier. Normalerweise liegt der Durchfluss im Sommer bei etwa 150 m³/s bis 200 m³/s. Wegen starker Regenfälle lag er in der letzten Woche bei etwa 500 m³/s. „Wir stellen fest, dass sich der Durchfluss sehr schnell ändern kann. Zum Beispiel sind wir jetzt bei etwa 400 m³/s, was ungefähr einer Strömungsgeschwindigkeit von 1 m/s entspricht“, gibt sich Marmier zuversichtlich.
Die Olympischen Sommerspiele 2024 finden vom 26. Juli bis 11. August 2024 in der französischen Hauptstadt Paris statt. Foto: ddp/Michael Bihlmayer
Plan B und und Plan C für die Schwimmwettkämpfe
Für den Fall ungünstiger Wetterbedingungen beim Marathonschwimmen, Triathlon und Paratriathlon wurden Notfallpläne entwickelt. „Die Wettkämpfe können um 24 bis 48 Stunden verschoben werden“, so Marmier. Bislang ist vorgesehen, dass der Flussverkehr lediglich von 2 Uhr nachts bis 11 Uhr früh gesperrt wird. Denn auch während der Spiele müssen bis zu 450 Schiffe am Tag über die Seine fahren.
Wenn nichts mehr hilft, könnten die Wettkämpfe auf einen anderen Austragungsort verlegt werden, zum Beispiel das Gewässer von Vaires-sur-Marne in Seine-et-Marne, das sonst für Ruderwettkämpfe genutzt wird.
Eröffnungszeremonie gefährdet?
Ein hoher Wasserstand – und die damit zusammenhängende erhöhte Fließgeschwindigkeit – könnte übrigens auch die Eröffnungszeremonie der Spiele in Gefahr bringen. Geplant ist eigentlich, dass die Eröffnung der Spiele erstmals in ihrer Geschichte nicht in einem Stadion, sondern im Herzen der Austragungsstadt organisiert wird. Rund 160 Boote sollen die Mannschaften am 26. Juli mit mehreren Tausend Athleten auf einer 6 km langen Strecke über die Seine entlang der schönsten Sehenswürdigkeiten von der Austerlitz-Brücke bis zum Trocadéro bringen. Zu starke Strömungen könnten den Umzug aus dem Takt bringen – und die Zeremonie könnte 15 min kürzer als geplant sein.
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Das Erbe der Olympischen Spiele wird sich nicht nur auf die Sportinfrastruktur beschränken. Ab 2025 sollen saisonal drei Pariser Standorte zum Schwimmen geöffnet werden: Bercy, Grenelle und der Bras Marie. „Natürlich kann man nicht überall und zu jeder Jahreszeit in der Seine baden. Um die Sicherheit der Schwimmer zu gewährleisten, werden Strände gebaut und die Wasserqualität kontinuierlich überwacht“, erklärt Marmier und freut sich auf die ersten Pariser Badetouristen.
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