Studie zu Stickstoffeffekten auf Öko- und Erdsysteme 24. Jul 2024 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 3 Minuten

Stickstoff ist gut fürs Klima – und trotzdem schlecht für die Umwelt

Max-Planck-Forscherinnen und -Forscher haben die Auswirkungen von Stickstoff untersucht. Bilanz: Schlecht für Ökosysteme, aber unterm Strich gut fürs Klima.

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Traktor mit einem Anhänger, der Gülle aufs Feld ausbringt. Stickstoffhaltige Verbindungen, wie sie auch in Gülle enthalten sind, die in die Umwelt entlassen werden, können dort Schaden anrichten. Gleichzeitig dämpft der Stickstoffeintrag in der Erdatmosphäre nachweislich den Klimaeffekt, wie jetzt Max-Planck-Forscherinnen und -Forscher festggestellt haben.
Foto: IMAGO/imagebroker/Erich Geduldig

Stickstoffdünger und Stickoxide aus fossilen Brennstoffen sind als Verursacher zahlreicher Umweltschäden bekannt: Sie belasten Luft und Trinkwasser, führen zur Überdüngung von Gewässern und Landökosystemen, reduzieren die Artenvielfalt und schädigen die Ozonschicht. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass sie unterm Strich eine kühlende Wirkung auf das Klima haben. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Team unter Leitung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena.

Alarmierender Anstieg der Lachgas-Emissionen

Stickstoffverbindungen wirken sich vielfältig aufs Klima aus. Elementarer Stickstoff, zu 78 % in Luft enthalten, ist klimaneutral. Doch reaktive Stickstoffverbindungen wirken sich unterschiedlich auf die globale Durchschnittstemperatur aus – mal wärmend, mal kühlend. So ist Lachgas (N2O), das etwa aus gedüngtem Boden entweicht, ein fast 300-mal stärkeres Treibhausgas als CO2 und langlebiger.

Andere Stickoxide, die vor allem durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe entstehen, führen zur Bildung von Aerosolteilchen, die Sonnenlicht abblocken und das Klima kühlen. Auch Ammonium aus Gülle und Kunstdünger wirkt kühlend. Zusätzlich fördern Stickstoffeinträge das Pflanzenwachstum, wodurch mehr CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen wird. Stickoxide spielen zudem eine Rolle beim Abbau von Methan, was ebenfalls kühlt, führen aber auch zur Bildung des Treibhausgases Ozon, was wiederum wärmt.

Gelangt Stickstoff in die Atmosphäre, dämpft das die Erderwärmung

Das Max-Planck-Forschungsteam, geleitet von Sönke Zaehle und Cheng Gong, hat die verschiedenen Effekte bilanziert. Fazit: Stickstoffeinträge in die Erdatmosphäre kühlen das Klima mit -0,34 W/m2. Zum Vergleich: Die Erderwärmung durch Treibhausgase aus fossilen Brennstoffen beträgt +2,7 W/m2 (bezogen auf den Mittelwert der Jahre 2011 bis 2020). Strahlungsantrieb heißt dieser Wert, der beschreibt, wie ein Energieeintrag auf die Erdatmosphäre wirkt. „Der negative Strahlungsantrieb durch den Stickstoffeintrag lässt sich nicht einfach in eine Änderung der globalen Durchschnittstemperatur umrechnen, da dabei lokale Effekte auftreten und das Klimasystem in komplexer Weise auf solche Veränderungen des Strahlungsantriebs reagiert“, erklärt Zaehle, Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie. Ohne den menschlichen Stickstoffeintrag hätte sich die Erdatmosphäre aber auf jeden Fall noch stärker aufgeheizt.

Wegen Luftverschmutzung finden Insekten nicht mehr den Weg zur Blüte

„Das klingt zwar wie eine gute Nachricht, aber dabei muss man berücksichtigen, dass die Stickstoffemissionen viele schädliche Wirkungen etwa auf die Gesundheit, die Artenvielfalt und die Ozonschicht haben“, sagt Zaehle. „Der aktuelle Befund verbessert also nur in einer Hinsicht die Umweltbilanz des Stickstoffeintrags und ist kein Grund diesen schönzureden, geschweige denn in zusätzlicher Stickstoffzufuhr ein Mittel gegen die Erderwärmung zu sehen.“

Stickstoff muss effizienter eingesetzt werden

Die Forschenden bestimmten die Gesamteffekte des Stickstoffs aus menschlichen Quellen, indem sie die Mengen der verschiedenen Stickstoffverbindungen ermittelten, die in Boden, Wasser oder Luft gelangen. Diese Daten wurden in Modelle des NMIP-2-Projekts eingespeist, die den globalen Stickstoffkreislauf und dessen Auswirkungen auf den Kohlenstoffkreislauf abbilden. Aus diesen Modellsimulationen berechneten sie die Auswirkungen der menschengemachten Stickstoffemissionen auf den Strahlungsantrieb.

Deutsche Umwelthilfe zwingt Bundesregierung zu mehr Klimaschutz

„Frühere Schätzungen auf der Grundlage von Literaturstudien waren in der Regel bruchstückhaft und vernachlässigten, dass die Prozesse des globalen Stickstoffkreislaufs räumlich sehr heterogen, stark vernetzt und nicht linear sind“, sagt Cheng Gong, Erstautor der Studie. „Unsere Berechnungen beziehen diese Besonderheiten mit ein. Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, die Wechselwirkungen zwischen Biogeochemie, Atmosphärenchemie und Klima zu berücksichtigen, um die Klimaauswirkungen von anthropogenem Stickstoff zu verstehen.“

Weniger Stickstoffemissionen erforderlich

„Die Stickstoffemissionen sollten reduziert werden“, fordert Zaehle. Verbesserte landwirtschaftliche Praktiken könnten helfen, Stickstoff effizienter zu nutzen und Lachgasemissionen zu verringern, die zur Erderwärmung beitragen und die Ozonschicht schädigen. „Neben der Verringerung des reaktiven Stickstoffs müssen also auch die Emissionen von Treibhausgasen, vor allem von CO2 und Methan aus fossilen Brennstoffen, stärker reduziert werden. Nur dann lassen sich sowohl Gesundheit und Natur besser schützen als auch der Klimawandel eindämmen“, betont Zaehle.

Bundesregierung muss Luftschadstoff Stickstoff verringern

Wie dringend die Verringerung von stickstoffhaltigen Emissionen ist, hatte jüngst ein Gericht der Bundesregierung ins Stammbuch geschrieben. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte auf Klage der Deutschen Umwelthilfe am 23. April 2024 die Bundesregierung zu Änderungen ihres Nationalen Luftreinhalteprogramms verurteilt. Die Maßnahmen reichten nicht in allen Punkten aus, um die europäischen Ziele bei der Reduzierung des Ausstoßes von Luftschadstoffen zu erreichen, so das Gericht. Bei den betroffenen Luftschadstoffen geht es um die Stickstoffverbindungen Ammoniak (NH3) sowie Stickstoffoxide (NOx); auch Feinstaub und Schwefeldioxid sind betroffen. Das OVG hat eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen.

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