Studie zur Hilfe gegen den Klimawandel 07. Nov 2019 Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 3 Minuten

Treibhausgase: Wie sich CO2 aus der Luft fangen und nutzen lässt

Eine neue Studie beziffert Potenziale und Kosten der zehn wichtigsten Methoden für „negative Emissionen“.


Foto: panthermedia.net/jpgon

Selbst wenn Deutschland und die EU es schaffen sollten, bis zum Jahr 2050 ihre Treibhausgasemissionen um 95 % im Vergleich zu 1990 zu senken – es werden Restemissionen bleiben. Die müssen mit entsprechenden Technologien kompensiert werden, „negative Emissionen“ heißt das im Fachjargon.

Eine internationale Überblicksstudie von Forschungseinrichtungen aus England, den USA, den Niederlanden und Deutschland, darunter das Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Institute on Global Commons and Climate Change), hat jetzt beziffert, mit welchen Verfahren bis 2050 was möglich ist. 11 000 wissenschaftliche Arbeiten über die Nutzung von atmosphärischem CO2 haben sie ausgewertet. Kombiniert mit einer Expertenumfrage, berechneten sie dann Nutzungspotenziale für das Jahr 2050 und kostendeckende Preise.

Nicht alle Treibhausgasemissionen sind vermeidbar

Der Hintergrund: Alle Pfade, wie man das Pariser Weltklimaabkommen umsetzen und die Erderwärmung möglichst auf ein Niveau von 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau begrenzen könnte, setzen auf die Verfahren sogenannter „negativer Emissionen“. Damit soll vor allem CO2 der Atmosphäre entzogen – also eingefangen – werden und genutzt werden. Denn es ließe sich als Rohstoff nutzen: zur Produktion von Chemikalien, Baustoffen, synthetischen Kraftstoffen oder als Dünger in der Algenzucht, so das MCC.

Beispiel für diese nicht vermeidbaren Treibhausgasemissionen seien bestimmte industrielle Prozesse, so Jessica Strefler, Mitglied der Arbeitsgruppe Energiesysteme beim Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in Potsdam (das nicht an der Studie beteiligt war). „So entsteht CO2 bei der Zementherstellung“- zumindest solange man nicht ein anderes Verfahren kenne, bei dem es vermieden werden könnte. Ähnliches gelte für die N2O-Emissionen in der Landwirtschaft. Strefler beschäftigt sich mit Techniken, die der Atmosphäre CO2 entziehen können.

Negativemissionen können eine Menge leisten

Die globalen Potenziale für die zehn wichtigsten CO2-Nutzungsoptionen nennt das MCC „beachtlich“: Mit jeder Option könnte langfristig pro Jahr mindestens eine halbe Gigatonne atmosphärisches CO2 gebunden werden. Zum Vergleich: Deutschland emittierte 2017 laut Umweltbundesamt rund 0,9 Gt CO2-Äquivalente an Treibhausgasen, allerdings ohne Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft.

Allerdings, so das MCC, begrenzten sich die Verwendungen zum Teil gegenseitig. Mit den Verfahren lassen sich die Treibhausgase unterschiedlich lange aus dem Verkehr ziehen, bevor sie wieder freigesetzt werden. „Während das CO2 etwa in Baustoffen für Jahrhunderte gebunden bleiben kann, sind es bei der Nutzung für den Treibstoff Methanol nur wenige Wochen“, so das MCC.

Negativemissionen können Klimaschutz aber nicht ersetzen

PIK-Expertin Strefler weist darauf hin, dass die Verfahren zu negativen Emissionen generell nicht beliebig ausreizbar seien. Diese Methoden hätten ihre Grenzen, sie könnten sehr, sehr teuer werden und schwerwiegende ökologische sowie soziale Nebenwirkungen haben – oder auch alle diese Folgen in Kombination. „Damit kann man Klimaneutralität erreichen, aber es kann nicht die Vermeidung von Treibhausgasemissionen ersetzen.“

Die Nutzung der Verfahren zu negativen Emissionen „geht zum Teil mit erheblichem Energieverbrauch und neuen Emissionen einher. Es ist wichtig, da genau hinzugucken und zwischen unterschiedlichen Optionen zu unterscheiden“, betont auch Sabine Fuss, Leiterin der MCC-Arbeitsgruppe Nachhaltiges Ressourcenmanagement und globaler Wandel und Co-Autorin der Studie.

Zehn Verfahren für negative Emissionen

Konkret versucht man mit dem Kohlenstoff aus dem Treibhausgas CO2 oder dem CO2 selbst zum Beispiel die bisher aus Erdöl gewonnenen Kohlenwasserstoffe zu ersetzen. So beinhalten die von dem internationalen Team betrachteten Verfahren CO2-basierte chemische Produkte (inklusive der Herstellung von Polymeren) oder auch CO2-basierte Kraft- und Treibstoffe. Letztere ließen sich aber auch aus Mikroalgen gewinnen, für deren Wachstum CO2 eingesetzt würde. Zudem werden neuartige Betonbaumaterialien entwickelt.

Andere Verfahren sind heute schon erprobt und im Einsatz, so das Verpressen von CO2 in unterirdische Öllagerstätten, um damit die Fördermengen zu erhöhen. Diese auch als Carbon Capture & Storage (CCS) bekannten Verfahren sind in Deutschland hoch umstritten, werden international aber längst angewendet. Darunter fällt auch die Abtrennung von CO2 aus der Verfeuerung von Biomasse, das Biomasse-CCS. Da Biomasse CO2-neutral erzeugt wird, ergibt sich hiermit ein CO2-Entzug aus der Atmosphäre.

Die dritte große Gruppe sind biologische Verfahren, wie Verwitterungstechniken, die CO2 binden, Maßnahmen im Forstsektor wie das Aufforsten oder Verdichten von Baumbeständen, ein verändertes Landmanagement sowie die Biokohleerzeugung.

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