Tsunami: Wann stürzt ein Gebäude ein, wann nicht?
Bei Überschwemmung und Sturmflut werden oft ganze Häuser unter der Last der Wassermassen zerstört. Ein Forscher der TU Braunschweig arbeitet jetzt an einem Vorhersageinstrument für den Prozess des Einsturzes.
Ob Überschwemmungen im Ahrtal oder Tsunamis an den Meeresküsten: Der Klimawandel bringt Naturgewalten hervor, bei denen Häuser, Dörfer und sogar ganze Städte der geballten Kraft des Wassers ausgesetzt sind. Anstatt den Wassermassen Einhalt zu gebieten, wird so manches Gebäude davon zerstört und mitgerissen. Den Prozess des Einsturzes von Gebäuden bei Extremereignissen will Nils Goseberg von der TU Braunschweig deshalb nun im Projekt „AngryWaters“ genauer untersuchen. Mit „wütenden Gewässern“ meint Goseberg extreme Strömungsereignisse, für die er ein Simulationswerkzeug für die Vorhersage entwickelt, wie weit das Wasser bei existierender Bebauung ins Landesinnere vordringt.
Extremereignisse bedrohen Gebäude und Menschen
Tsunamis wie die im Jahr 2011 nach dem Erdbeben vor der Küste Japans oder auch Dammbrüche von Talsperren wie im vergangenen Jahr im libyschen Derna zeigen die Gefahren auf, in der sich die Bewohner von Gebäuden bei Flutwellen befinden. Doch wie lassen sich diese schützen? Die Braunschweiger Forscher wollen dafür den Einsturzprozess von Gebäuden besser verstehen. Nur lässt sich das Einstürzen der Bebauungsstrukturen kaum mit Simulationen oder Experimenten erfassen.
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Bisher konzentrierte sich die Forschung vor allem auf die Wechselwirkung zwischen Strömung und Bauwerken unter der Annahme, dass die Bauwerke stehen bleiben und zudem feste gefüllte Körper sind. In einem Promotionsprojekt von Clemens Krautwald am Leichtweiß-Institut für Wasserbau (LWI) haben die Braunschweiger Forschenden nun erstmals einen Gebäudekörper in einem Wellenkanal kollabieren lassen.
Großer Wellenströmungskanal erhält riesige Dammbruchklappe
Ziel des AngryWaters-Projekts ist es nun, den dynamischen Prozess eines einstürzenden Gebäudes zu modellieren und die Wechselwirkungen zwischen Wasser und Bauwerk zu erfassen. Dafür nutzt Goseberg die Wellenkanäle in Braunschweig und am Forschungszentrum Küste in Hannover. Im „Großen Wellenströmungskanal“ (GWK+) kann sein Team dafür beinahe im Maßstab 1:1 arbeiten. Bis Ende des Jahres erhält dieser Kanal zudem eine sogenannte Dammbruchklappe. „Die Klappe können wir in Wandnischen verankern und so diese einzigartige Forschungsanlage auch für Dammbruchströmungen nutzen“, freut sich Goseberg.
Bis zu 3 m hoch können die Forschenden das Wasser hinter dieser Klappe aufstauen. Dann öffnet sie sich mit einem Schwingmechanismus wie bei einem Garagentor und entlädt das Wasser dammbruchartig in einem Schwall. „Die Größenordnungen sind mit denen in der Natur vergleichbar“, so Goseberg. „8 m Strömungsgeschwindigkeit pro Sekunde, fast eineinhalb Meter Fließtiefe auf der Landseite.“ Die Simulation ist zunächst für einzelne Gebäudeteile, später sogar für ein ganzes Haus geplant.
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Wie weit fließt das Wasser?
Die Braunschweiger wollen zudem ein Prognose-Tool entwickeln. „Bei Extremereignissen wie einem Tsunami müssen auch die kollabierenden Gebäude und damit die Trümmer berücksichtigt werden, um genauere Vorhersagen darüber treffen zu können, wie weit sich das Wasser ausbreitet, zu welchem Zeitpunkt es wie hochsteigt und welche Evakuierungsmaßnahmen erforderlich sind“, betont der Forscher. Das sei entscheidend für die Entwicklung sicherer Küsten- und Flussgebiete und wird die Vorsorgefähigkeit entscheidend verbessern.