UBA: 2023 Rekord beim Klimaschutz
Deutschland emittierte im letzten Jahr 10,1 % weniger Treibhausgase als 2022. Das zeigen neue Zahlen des Umweltbundesamts (UBA). Einen Erfolg der Klimapolitik zeigt das nur bedingt an.
Es ist auf den ersten Blick eine richtige Erfolgsmeldung, die das Umweltbundesamt am Freitag, dem 15. März 2024, herausgab. „Klimaemissionen sinken 2023 um 10,1 % – größter Rückgang seit 1990“, war sie überschrieben. 673 Mio. t an CO2-Äquivalenten seien freigesetzt worden, 76 Mio. t weniger als 2022, das sind besagte -10,1 %. Das ist eine Rekordmeldung. Kein Wunder, dass sich kurz darauf Robert Habeck aus dem Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium meldete: „Wenn wir Kurs halten, erreichen wir unsere Klimaziele 2030“, lässt er sich zitieren. Bis dahin soll laut Klimaschutzgesetz (KSG) der deutsche Ausstoß an Treibhausgasen um 65 % im Vergleich zum Stand des Jahres 1990 sinken.
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Das UBA liefert auch gleich eine sogenannte Projektion mit, die nach dem Absacker bei den Treibhausgasemissionen im letzten Jahr ergibt, dass von einer Minderung um knapp 64 % bis 2030 ausgegangen werden könnte. Das Ziel des KSG wird damit laut Ministerium greifbar. Es gibt einen guten Trend für den Klimaschutz: Das UBA erwartete im vergangenen Jahr eine Minderung um 63 %, das Jahr davor schätzten die Umwelthüter aus Dessau nur magere 49 %. Schauen wir auf diese Daten, dann wird es also tendenziell immer besser mit dem Klimaschutz in Deutschland.
Welche Treibhausgasemissionen in Deutschland sanken 2023 und warum?
UBA-Präsident Dirk Messner sieht vor allem den „sehr erfolgreichen Ausbau der erneuerbaren Energien“ als Hauptursache für die gesunkenen Emissionen. Hinzu kommen ein Rückgang der fossilen Energieerzeugung und eine gesunkene Energienachfrage bei Wirtschaft und Verbrauchern – sprich: Wirtschaftsflaute und günstige Witterung. Zu den Ergebnissen in den einzelnen Sektoren:
- Energiewirtschaft: Die Emissionen sanken 2023 gegenüber 2022 um rund 51,8 Mio. t (–20,1 %) auf rund 205 Mio. t, „was auf einen geringeren Einsatz fossiler Brennstoffe zur Erzeugung von Strom und Wärme zurückzuführen ist“, so das UBA in seiner Mitteilung. Vor allem ein Rückgang bei der Kohle war verantwortlich, das bedeutet weniger Stromerzeugung auf Basis dieses fossilen Energieträgers. Diesen Rückgang führt das UBA auch auf den konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien zurück. Und weniger Erdgas: Das ist die milde Witterung – Gasheizungen sind führend in der Heizungstechnik, noch nicht die Wärmepumpen. Und ja: Sowohl Industrie und Gewerbe wie auch die privaten Haushalte sparen weiter, wenns ums Heizen geht.
- Industrie: Hier gab es einen Rückgang um fast 13 Mio. t CO2-Äquivalenten (–7,7 %) auf rund 155 Mio. t. Auch hier: weniger Einsatz fossiler Brennstoffe, insbesondere von Erdgas und Steinkohle. Als „wichtige Treiber dieses Trends“ identifiziert das UBA „die negative konjunkturelle Entwicklung und gestiegene Herstellungskosten, die zu Produktionsrückgängen führten“. Heißt aber auch: Ohne Wirtschaftsflaute dürften die Emissionen höher gewesen sein, und die Energiepreise sind in diesem Jahr teils deutlich niedriger, entfallen also als Verbrauchsbremse.
- Gebäude: 8,3 Mio.t (–7,5 %) weniger als 2022, die Emissionen lagen 2023 bei 102 Mio. t. Auch hier waren Energieeinsparungen aufgrund der milden Witterung und die höheren Preise für Energie ausschlaggebend. Wobei das UBA auch den Zubau an Wärmepumpen als emissionsmindernd anführt.
- Verkehr: Hier wurden 2023 rund 146 Mio. t emittiert, magere 1,8 Mio. t (–1,2 %) weniger als 2022. „Haupttreiber des geringen Emissionsrückgangs sind dabei aber nicht etwa effektive Klimaschutzmaßnahmen, sondern die abnehmende Fahrleistung im Straßengüterverkehr“, hat das UBA ermittelt. Auch da macht sich die Wirtschaftsflaute bemerkbar. Zieht die Konjunktur wieder an, dürften auch die Lkw wieder Kilometer zurücklegen.
UBA rechnet mit Erreichen der deutschen Klimaschutzziele für 2030
Dirk Messner, der Präsident des Umweltbundesamts, gab sich mit Blick auf das Jahr 2030 zuversichtlich, dass die nationalen Klimaziele eingehalten werden können. „Wir sind bereits ein großes Stück beim Klimaschutz vorangekommen. Zu Beginn der Legislaturperiode gingen wir für 2030 noch von 1100 Mio. t zu viel aus. Jetzt sehen wir in unseren Projektionen für 2030, dass diese Lücke geschlossen werden wird, wenn wir weiter so ambitioniert am Klimaschutz arbeiten.“
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Grundlage für Messners Optimismus sind die „Treibhausgas-Projektionen 2024“, die sein Haus erstellt hat: Welche Emissionen sind bis 2030 zu erwarten? Auch dafür gibt es Zielwerte im KSG. Nun rechnet das UBA für 2030 damit, dass dann 47 Mio. t an CO2-Äquivalenten weniger verbraucht werden als gesetzlich vorgesehen. Der positive Ausblick zeigt sich auch in den einzelnen Sektoren:
- Energie: übertrifft sein Emissionsziel um 175 Mio. t, was maßgeblich auf einem gelungenen Ausbau erneuerbarer Energien basiert.
- Industrie: emittiert 37 Mio. t weniger, als es das KSG fordert, „dabei geht in den kommenden Jahren die Erholung der Industrie einher mit ihrer Dekarbonisierung“, schreibt das UBA.
- Gebäude: Hier greifen die Maßnahmen, wie das gescholtene Heizungsgesetz, zwar, das Emissionsziel aber wird mit 32 Mio. t mehr als vorgesehen verfehlt.
- Verkehr: reißt die Sektorvorgaben des KSG komplett mit 180 Mio. t mehr als vorgesehen.
- Die Sektoren Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft und sonstiges übererfüllen ihre Ziele um 29 Mio. t bzw. um 17 Mio. t.
Verkehr weiterhin Sorgenkind beim Klimaschutz
„Vor allem der Verkehrssektor bleibt weiter ein großes Sorgenkind“, sagt UBA-Präsident Messner. „Hier muss dringend mehr passieren – etwa durch den Ausbau der Elektromobilität und den Abbau des Dienstwagenprivilegs und anderer klimaschädlicher Subventionen.“ Die Mittel gibt es also, sie müssten nur eingesetzt werden.
Rekord beim Klimaschutz könnte nicht nachhaltig sein
Umweltverbände warnen vor unangebrachtem Optimismus. Das sei kein „Freibrief für die Bundesregierung in Sachen Klimaschutz“, betonte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Und Viviane Raddatz vom WWF Deutschland mahnte: „Hier schlagen sich politische und wirtschaftliche Krisen nieder, statt der Wille zur Transformation und strukturelle Klimaschutzmaßnahmen in allen Sektoren.“
Auch die Wissenschaft ist in Teilen skeptisch, was die Nachhaltigkeit der Reduktionen angeht. „Ein genauerer Blick auf die Gründe dieses starken Emissionsrückgangs verdeutlicht aber, dass nur ein kleiner Teil des Rückgangs wirklich auf langfristig wirkende Klimaschutzmaßnahmen zurückzuführen ist. Vielmehr sind besondere Entwicklungen, die sich zum Teil in den nächsten Jahren auch wieder umkehren können, für einen Großteil des Emissionsrückgangs verantwortlich“, erläutert Manfred Fischedick, Präsident des Wuppertal Instituts.
Niklas Höhne, Leiter und Geschäftsführer des New Climate Institute in Köln und Professor für Mitigation of greenhouse gas emissions an der Universität Wageningen in den Niederlanden, dekliniert die Daten des UBA parteipolitisch durch: „Das Grün-geführte Wirtschaftsministerium kann sich den Boom in der Solarbranche und eine deutliche Übererfüllung des Klimaschutzziels gutschreiben. Das SPD-geführte Bauministerium ist Mittelmaß, das Ziel für den Gebäudesektor wird leicht verfehlt. Und das FDP-geführte Verkehrsministerium ist abgeschlagen, lässt jegliche Ambition vermissen und verfehlt sein Ziel krachend.“
Allerdings: Die Daten, die das UBA am 15. März 2024 vorgelegt hat, sind vorläufig. Der Sachverständigenrat für Klimafragen prüft sie jetzt: „Die vollständigen, offiziellen und detaillierten Inventardaten zu den THG-Emissionen in Deutschland für das Jahr 2023 veröffentlicht das UBA im Januar 2025 mit der Übermittlung an die Europäische Kommission. Endgültige Zahlen zu 2023 wird es erst im kommenden Jahr geben“, so das Amt.