Ultrafeinstaub am Flughafen
An Flughäfen wird teils mehr Ultrafeinstaub gemessen als in verkehrsreichen Straßen. Doch eine Modellrechnung fürs Umweltbundesamt (UBA) kommt zu einem gegenteiligen Ergebnis. Bürgerinitiativen kritisieren das Modell.
Die Zahlen sprechen für sich: An einem Kindergarten nahe des Düsseldorfer Flughafens hat Christoph Lange kurzzeitig bis zu 160 000 ultrafeine Partikel (UFP) pro cm³ Luft festgestellt, direkt vor Tor 1 des Airports mehr als 500 000 UFP. Damit sei der Flughafen ein Hotspot für diese feinsten Partikel. Denn in der Corneliusstraße, Düsseldorfs Straße mit der höchsten Feinstaubbelastung, misst der Vorsitzende der Initiative „Bürger gegen Fluglärm“ nur 20 000 UFP/cm³ Luft. Er nutzt für seine Messungen einen tragbaren Partikelzähler, der UFP mit einem Durchmesser von 20 nm bis 1000 nm erfasst.
German Ultrafine Aerosol Network
In Deutschland messen seit 2008 u. a. das Helmholtz-Zentrum in München, das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig als auch das Umweltbundesamt (UBA) ultrafeine Partikel (UFP). Zurzeit gibt es 17 Messorte.
Ziel ist es zu verstehen, wie stark unterschiedliche Orte jeweils mit diesen Partikeln belastet sind. Gemessen werden UFP durch Partikelgrößenspektrometer mit Kondensationspartikelzähler.
Jahresmittelwerte: im Hochgebirge ca. 1100 UFP (Durchmesser 20 nm bis 800 nm)/cm³, auf dem Land ca. 4000 UFP, in der Stadt ca. 7000 UFP, im Straßenverkehr 10 000 UFP/cm³.
Dabei seien es gerade die ultrafeinen Partikel kleiner als 100 nm, die besonders gefährlich sind, meint Lange. Sie können tiefer als andere in die Lungen eindringen und auch vom Blut ins Gehirn übergehen. „Es fehlen Untersuchungen, um belastbare Aussagen zum Gesundheitsrisiko zu treffen“, erklärt zwar Marion Wichmann-Fiebig. Doch die Leiterin der Abteilung Luft im Umweltbundesamt (UBA) ergänzt: „Wir können diese Belastung nicht ignorieren“.
Beispiel UBA-Messstelle in Langen: Sie liegt 6 km südöstlich des Flughafens Frankfurt/Main und ist Teil eines bundesweiten Messnetzes. „Wir messen im Jahresmittel rund 6500 UFP/cm³“, so UBA-Fachmann Holger Gerwig. Diese haben eine Größe von 10 nm bis 550 nm. Die Station liegt unter keiner An- oder Abflugroute, doch weht der Wind aus Richtung Flughafen, misst das Spektrometer 2,5 mal so viele Partikel mit einem Durchmesser von 10 nm bis 30 nm. Das ist die Größe jener Partikel, die in Triebwerken entstehen.
Zwischen 2013 und 2014 radelte Gerwig 30 mal mit einem mobilen Messgerät in der Fahrradtasche von der Messstelle zum Flughafen und zurück. In dem Wald vor dem Flughafen stellte das Gerät bei einminütigen Stopps 7000 UFP/cm³ fest, an der Ostseite des Flughafens entlang der Landebahn im Schnitt mehr als 80 000 UFP/cm³ und beim Überflug einer vierstrahligen Boeing 747 in 140 m Höhe sogar für mehrere Sekunden mehr als 1 Mio. UFP/cm³. Dieses Gerät registriert Partikel der Größe zwischen 10 nm und 1000 nm.
Eine erhöhte Belastung durch Flugzeuge steht also außer Frage. Das UBA lässt daher die UFP-Belastung auf und neben dem Frankfurter Flughafen modellieren. Dabei wird neben Emissionen aus Triebwerken auf dem Rollfeld und bis zu einer Höhe von 914 m (= 3000 ft) auch der Beitrag der Straßen, von Fahrzeugen auf dem Flughafen und anderen Quellen erfasst. Die Leitung hat das Ingenieurbüro Lohmeyer in Radebeul bei Dresden, das erste Ergebnisse kürzlich in Bonn vorstellte.
Mit im Boot ist das Ingenieurbüro Janicke aus Überlingen. „Die Freisetzungsmenge hängt vom Triebwerk und Lastzustand ab“, so Ulf Janicke. In etablierten Datenbanken fehlten zwar Emissionsangaben, „doch die Anzahl nichtflüchtiger UFP lässt sich in mehreren Schritten abschätzen“.
Erst griff der Physiker auf die öffentlich zugängliche Emissionsdatenbank der Internationalen Luftfahrtorganisation ICAO zurück. Diese enthält für jedes Triebwerk eine Rußzahl – ein Maß für die Schwärzung eines Filters, ermittelt am Messstand. Dann nutzt Janicke ein etabliertes Rechenverfahren, um so die UFP-Masse zu ermitteln.
„Anhand aktueller Literaturstudien kann schließlich die Anzahl abgeschätzt werden“, sagt er. So setzte ein typisches Triebwerk mit 1 g verbrannten Treibstoffs über 100 Mrd. Partikel mit 10 nm bis 50 nm Durchmesser frei. Mit diesen Basisdaten hat Janicke die Ausbreitung der Partikel mit einem Rechenmodell ermittelt.
Emission: 2015 wurden von Flughafen und Flugverkehr mehr als 100 Trilliarden UFP freigesetzt, so Jannicke. Mehr als 80 % davon stammten aus Haupttriebwerken, gut 10 % aus Hilfstriebwerken. Aus Haupttriebwerken wurden 60 % auf dem Flugfeld freigesetzt und ca. 20 % beim Starten und Landen. Die restlichen 20 % entfallen auf die erste Phase des Steigflugs. Das heißt auch, dass das Fliegen selber nicht den Hauptbeitrag zur Emission von UFP bis in 914 m Höhe liefert.
Immission: Die Haupt- und Hilfstriebwerke verursachten auf dem Rollfeld im Jahresmittel mehr als 25 000 UFP/cm³. In Raunheim – 6 km südwestlich des Flughafens unterhalb einer Anflugroute – lag die mittlere Belastung durch Triebwerke unter 1000 UFP/cm³.
Dass das Modell die UFP-Gesamtbelastung – also etwa auch durch Straßenverkehr und Industrie – in den untersuchten Zeiträumen relativ exakt wiedergeben kann, freut Helmut Lorentz vom Ingenieurbüro Lohmeyer. So liegt der Mittelwert für Raunheim modelliert bei 21 000 UFP, gemessen durch das hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie bei 18 000 UFP.
Strittig aber ist die Herkunft dieser Gesamtbelastung. Nach erster Modellauswertung liege der Beitrag aus Überflügen und vom Flughafen unter 5 %, so Umweltingenieur Lorentz. Jetzt prüfen die Modellierer, ob dies so wirklich stimmig abgeleitet werden kann.
Dies sei auch nötig, betont Wolfgang Schwämmlein von den „Frankfurter Bürgerinitiativen gegen Fluglärm“. „Das Modell gibt den Schadstoffeintrag durch den Flugverkehr nicht annähernd realistisch wieder.“ Nach eigenen Messungen und denen des Hessischen Landesamtes komme der Löwenanteil aus Überflügen und vom Flughafen.
Schwämmlein bezweifelt auch, dass die UFP in Raunheim überwiegend vom Flughafen direkt stammen. Ein Beispiel: Beginnt der Flugbetrieb um 5 Uhr und fliegen die Flugzeuge rund 400 m über den Ort den Flughafen an, misst das Landesamt kurz danach einen deutlichen Anstieg an UFP. „Käme die UFP-Wolke vom Flughafen, bräuchte sie mehr als 20 min, bevor etwas gemessen werden kann“, so Schwämmlein. Er erklärt dies mit Wirbelschleppen, also mit innendrehenden Turbulenzen hinter der Turbine, die die Abgaswolke hinter dem landenden Flugzeug einwickeln und kaum verdünnt zum Boden drücken. Seine Empfehlung: „Erst modellieren, wenn ausreichend Messungen vorliegen.“
Was sagt das UBA? Marion Wichmann-Fiebig gibt sich zurückhaltend. Es gebe viele offene Punkte. „Unklar ist, wie viele Feinstaubpartikel wirklich durch Triebwerke freigesetzt werden.“ Möglich sei, dass – wie bei Pkw – Emissionsangaben an Messständen die reale Belastung unzureichend widerspiegeln. Ein Erkenntnisgewinn sei hingegen, dass sich durch das Modell Beiträge mehrerer Verursacher unterscheiden lassen.
Die UFP-Bedrohung wird inzwischen ernster genommen: So will die Stadt Frankfurt UFP-Messstellen einrichten und das NRW-Landesumweltamt plant, mit mobilen Messgeräten am Düsseldorfer Flughafen zu ermitteln, welche Standorte für ein Messprogramm geeignet wären.