Was ist Züchtung und was Gentechnik?
Die kalifornische Firma Cibus setzt Gentechnik bei ihren Pflanzen anders ein, als es bisher geschah. Es ist einer der ersten Fälle für die Bewertung neuer Züchtungsmethoden. Deren Markteinführung wirft eine spannende Frage auf: nämlich die, wo Gentechnik eigentlich beginnt.
Neue Verfahren in der Gentechnik
Die „Oligonukleotid gerichtete Mutagenese“ ist das am weitesten entwickelte Verfahren, aber längst nicht das einzige der neuen Generation.
Beim Züchten mit Zinkfinger-Nukleasen und mit der Talen-Technik zerschneiden Enzyme gezielt Pflanzen-DNA. Die natürlichen Reparaturprozesse der Pflanzenzellen werden dadurch so beeinflusst, dass das Erbgut neue Eigenschaften bekommt.
Die Crisp-Cas-Technik nutzt das Prinzip, mit dem Zellen ihr Erbgut gegen Angriffe von Viren verteidigen. Forscher führen diese Attacke aus und steuern die Reparatur dann so, dass auch winzige Veränderungen in der DNA möglich sind.
Früher haben Pflanzendesigner ein Gen für eine bestimmte Eigenschaft aus dem Erbgut einer Pflanze oder eines Bakteriums ausgeschnitten und es zusätzlich in die DNA einer anderen Pflanze eingebaut. Daraufhin produziert beispielsweise der von Monsanto entwickelte Bt-Mais plötzlich ein Insektengift.
Doch bei der neuen Pflanzengeneration fungiert die Gentechnik eher als Werkzeug. Die Züchter bei Cibus verwenden spezialisierte DNA-Abschnitte, die sie in die Zellen der Pflanze einführen. Dort erledigen sie die gewünschten Veränderungen an der DNA. Sie erzeugen Mutationen, die die Eigenschaften der Pflanze verändern.
Die Gentechniker können diese Werkzeuge für ihre Bastelarbeit an der Pflanze sehr präzise führen, ihr Hilfsmittel selbst aber wird nicht ins Erbgut der Pflanze eingebaut. Dieses Züchtungsprinzip ist keineswegs neu. Seit Jahrzehnten erzeugen Pflanzenzüchter mehr oder weniger gezielt solche Mutationen im Pflanzenerbgut – unter teils drastischen Bedingungen mit Chemikalien oder intensiver Strahlung.
Die Methode ist bekannt unter dem Begriff „Oligonukleotid gerichtete Mutagenese“. Oligonukleotide sind kurze DNA-Fragmente, die synthetisch so hergestellt werden, dass sie an einer genau definierten Stelle ins Erbgut eingreifen und eine Mutation auslösen. Auch die Natur verwendet diesen Mechanismus.
Auf diese Ähnlichkeit der Methoden beruft sich das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Braunschweig mit seiner Entscheidung und stufte den Cibus-Raps nicht als gentechnisches Produkt ein.
Die Veränderungen im Raps-Erbgut seien „von den durch zufällige natürliche oder chemische Prozesse hervorgerufenen Mutationen nicht zu unterscheiden“, heißt es mit Bezug auf das Gentechnikgesetz. Dort wird ein Vergleich mit der Natur als Definition verwendet.
Das Gesetz trifft für einen Organismus zu, „dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen nicht vorkommt“, schreibt das Bundesamt. Die Grenzziehung ist schwierig. Gibt es eine Art naturidentische Gentechnik? Auch bei konventionellen Züchtungsmethoden werden in der Pflanze zahlreiche Gene verändert.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace zählt den Cibus-Raps eindeutig zur Gentechnik. Sie beruft sich auf die 14 Jahre alte EU-Richtlinie 2001/18. Die beschreibt, dass „alle Verfahren, bei denen genetisches Material im Labor aufbereitet und in Zellen eingeführt wird, als gentechnische Verfahren angesehen werden müssen“.
Beschwerde der Umweltorganisation Greenpeace wurde zurückgewiesen
Das BVL aber hat eine Beschwerde der Umweltschützer gegen den Cibus-Bescheid zurückgewiesen. Der Streit darüber, wie Gentechnik definiert werden soll, könnte das neue Schlachtfeld einer Debatte werden, die mittlerweile fast zwei Jahrzehnte dauert. Rein rechtlich gesehen eröffnet sich damit ein Problem: Falls ein widerrechtlicher Anbau des Cibus-Raps jemals vor Gericht behandelt werden sollte, ließe sich die Pflanze mit gewöhnlicher Analytik kaum von einer normalen Rapspflanze unterscheiden.
In den USA wurden bereits Apfel- und Kartoffelsorten für den Anbau zugelassen, bei denen Wissenschaftler Genfragmente aus Wildsorten mit etablierten Sorten kombiniert oder diese Fragmente ein- und ausgeschaltet haben. Diese neuen Pflanzen besitzen ein Erbgut, wie es auch durch gewöhnliche Züchtung entstehen kann.