Abschlusserklärung 22. Nov 2024 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 6 Minuten

Was wir von der COP29 noch erwarten können

Am Freitag soll die diesjährige Weltklimakonferenz, die COP29 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, zu Ende gehen. Am Donnerstag zeichnen sich einige wichtige Ergebnisse ab, Entwürfe liegen auf dem Tisch, auch wenn längst nicht alle davon wirklich zufriedenstellend ausfallen und wichtige Fragen offen sind.

Die Abschlusserklärung der COP29 in Baku ist weiter ungewiss – das finale Treffen könnte sich bis in den Samstag ziehen.
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Zu erwarten ist, dass es morgen, am offiziell letzten Tag der Konferenz, mit der Abschlusserklärung nichts wird. Fast schon traditionell dürfte sich die finale Sitzung bis in den Samstag hineinziehen. Ob dann auch diese, bisher zäh verlaufene COP ihre Abschlusserklärung bekommen wird, ist durchaus noch offen.

Diese COP hat in einigen Punkten eine neue Dynamik, die sich erst kurz vor Konferenzbeginn ergab: durch die erneute Wahl von Donald Trump zum kommenden US-Präsidenten am 5. November 2024. Ein Überblick, was die wichtigsten Fragen sind und was als Ergebnis zu erwarten ist.

Wie viel Geld bekommen die ärmeren Länder für Klimaschutz und Klimaanpassung?

Das laufende Klimafinanzierungsziel läuft 2025 aus, ein neues muss auf den Tisch. Bis einschließlich 2025 liegt die Höhe bei 100 Mrd. $ pro Jahr, das ist deutlich zu wenig; nötig wären 1 Billionen $ jährlich bis 2023 und 1,3 Billionen $ pro Jahr bis 2035, so eine UN-Expertengruppe. Laut einer Studie der Klima-Allianz Deutschland könne Deutschland allein in den nächsten Jahren auf zusätzliche Geldquellen in Höhe von bis zu 96 Mrd. € zurückgreifen, also den bisher festgelegten Finanzierungsbedarf decken.

Es wird erwartet, dass sich die Staaten auf eine Formulierung für die Zeit ab 2026 einigen, doch das Wichtigste für die Länder, die das Geld benötigen, könnte ausgerechnet fehlen: eine Zahl, zu der sich die Industrieländer und die anderen große Treibhausgasemittenten verpflichten. Denn, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtete, hat die Präsidentschaft zwar einen Beschlussentwurf vorgelegt – allerdings ohne konkrete Summen.

Die EU will konkrete Summen erst dann anbieten, wenn andere Fragen geklärt sind. „Es ist völlig unrealistisch, dass die geforderten und benötigten Gelder in Billionenhöhe jetzt aus den Haushalten der klassischen Industrieländer kommen“, sagte die deutsche Klimastaatssekretärin und derzeit deutsche Chefunterhändlerin in Baku, Jennifer Morgan. Die EU übt laut dpa scharfe Kritik am aktuellen Beschlussentwurf: „Er ist in seiner jetzigen Form absolut nicht akzeptabel“, so der designierte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra in Baku.

Welche Länder werden als Geber und welche als Empfänger eingestuft?

Schon im Vorfeld der COP29 war klar, dass sich die klassischen Industrieländer nicht mehr alleinig für die Klimafinanzierung verantwortlich zeigen wollen. Darauf hatte auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in Berlin im Vorfeld hingewiesen. Sowohl China als auch andere wirtschaftlich in den letzten Jahrzehnten stark aufstrebende Nationen mit stetig steigendem Treibhausgasausstoß wie auch die reichen Golfstaaten können für ihre eigenen Treibhausgasemissionen nicht länger jede Verantwortung weit von sich weisen und nur auf die historischen Schulden der Industrieländer zeigen. Es wird einfach zu unglaubwürdig gegenüber den ärmeren Ländern, die die Folgen tragen müssen.

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der zu Wochenbeginn in Baku war, hatte das Thema aktiv adressiert. Ob und wenn ja, inwieweit diese Länder aber Teil des Deals sind, dazu steht in dem heute Morgen vorgelegten zehnseitigen Dokument nach dpa-Angaben nichts.

Welche Rolle sollen private Investitionen bei der Klimafinanzierung spielen?

Den Tag retten könnte eine finanzstarke Gruppe, die in Baku gar nicht direkt mit am Verhandlungstisch sitzt, sondern allenfalls als Interessenvertretung mit vor Ort ist: die großen, finanzstarken Unternehmen und Finanzinstitutionen. Sie werden zumindest als wichtiger Bestandteil eines Finanzdeals diskutiert. Ohne sie läuft heute weltweit beim Ausbau erneuerbarer Energien oder Energieinfrastruktur in vielen Fällen schon nichts mehr. Warum also sollten sei bei den riesigen Summen, die aufzubringen sind, außen vor bleiben. Schließlich fallen im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung riesige Investitionen an.

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Finanzinstrumente wie Abgaben auf den Flug- oder Seeverkehr, Finanztransaktionen oder Gewinne der fossilen Rohstoffbranche stehen zur Diskussion. Problem bei dem letzten Punkt: Die größten Öl- und Gasunternehmen der Welt sind nicht etwa unabhängige Unternehmen wie Exxonmobil oder Shell, sondern Staatskonzerne, ob aus China oder aus den Golfstaaten. Wer hier auf welchem Platz landet, ist je nach Ranking verschieden, aber neben den bekannten Konzernen Exxonmobil, Chevron, Shell, TotalEnergies oder BP tummeln sich unter den Top 10 der saudische Staatskonzern Aramco, die chinesischen Sinopec und Petrochina oder der halbstaatliche brasilianische Petrobras-Konzern. Die russische Gazprom nicht zu vergessen.

Abgaben für den Klimaschutz auf die Gewinne aus den Geschäften dürften kaum verhandelbar sein, wenn gleichzeitig Staaten wie China, Brasilien oder die Golfstaaten offiziell aus dem Staatssäckel bei der allgemeinen Klimafinanzierung mithelfen sollen. Umgekehrt wird vielleicht ein Schuh draus: Offiziell sind diese Länder erst einmal weiter außen vor, die Konzerngewinne werden aber mit Abgaben belegt.

Welches Land legt welche neuen Klimaschutzziele auf den Tisch?

Die auf der COP20 in Paris 2015 vereinbarten Klimaschutzziele verpflichten die Staaten auch, dass jedes Land nationale Klimaschutzbeiträge (in Englisch: Nationally Determined Contributions, NDCs) für bestimmte Zeiträume vorlegt. Diese werden im Rahmen der COP auf ihre Einhaltung geprüft. Alle fünf Jahre müssen neue NDCs aufgestellt werden. Die derzeitigen NDCs sind auf 2030 ausgelegt, in Baku haben erste Staaten NDCs für 2035 vorgelegt.

Wie geht es beim Fonds für Klimaschäden weiter?

Auf der letzten COP28 in Dubai 2023 wurde ein Fonds vereinbart, aus dem die ärmeren Länder dieser Welt Geld für die Beseitigung von volkswirtschaftlichen Schäden durch den Klimawandel erhalten können. Was fehlt, ist die konkrete Ausgestaltung, und damit gibt es auch noch kein Geld. Das sollte die COP29 liefern, erste Ansätze gibt es bereits, beschlossen ist nichts.

Hält der auf der COP28 in Dubai beschlossene weltweite Ausstieg aus fossilen Energien?

Die Staaten werden wahrscheinlich den in Dubai eingeleiteten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bekräftigen. Obwohl mit Aserbaidschan der dritte Ölförderstaat nacheinander eine Weltklimakonferenz ausrichtet, scheint dies nicht gefährdet. Allerdings dürfte es weitere ambitionierte Beschlüsse kaum geben: Erstens wurde diese COP von Anbeginn an als Finanzierungs-COP apostrophiert, zweitens ist das Gastgeberland als Ölförderstaat nicht hilfreich und hat bisher keinen Ehrgeiz zu einem erfolgreichen COP-Verlauf entfaltet (im Gegensatz zu den Vereinigten Arabischen Emiraten 2023), und drittens erschweren der Wahlsieg Donald Trumps in den USA und die innenpolitischen Probleme in Deutschland ambitionierte Beschlüsse.

Die deutsche Klimastaatssekretärin Morgan betonte in Baku im Plenum: „An alle, die darüber nachdenken, die Uhr zurückzudrehen: Seid gewarnt! Die Lösungen für die Klimakrise sind die größte wirtschaftliche Chance dieser Generation.“

Gibt des denn schon Erfolgsmeldungen aus Baku?

Als Erfolg zumindest verkündete das Gastgeberland Aserbaidschan schon zum Auftakt der COP29 eine Einigung am 11. November: Über ein Jahrzehnt zogen sich die Verhandlungen, jetzt erzielten die Vertragsparteien zum Weltklimaabkommen einen Konsens über die Standards für die Schaffung von Kohlenstoffgutschriften gemäß Artikel 6.4 des Pariser Abkommens. „Dies wird Klimaschutzmaßnahmen ermöglichen, indem es die Nachfrage nach Emissionsgutschriften erhöht und sicherstellt, dass der internationale Kohlenstoffmarkt unter der Aufsicht der Vereinten Nationen integer funktioniert“, so die COP29-Präsidentschaft in einer offiziellen Mitteilung. „Der Abschluss der Verhandlungen über Artikel 6 könnte die Kosten für die Umsetzung der nationalen Klimapläne um 250 Mrd. $ pro Jahr senken, indem eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit ermöglicht wird“, heißt es weiter.

Adressiert werden hiermit der Austausch von CO2-Zertifikaten weltweit, sowohl zwischen Staaten wie Unternehmen. Alles aber hängt daran, wie transparent das Ganze ist. Die Details sind nämlich noch nicht festgelegt. Schon zu Zeiten des ersten Weltklimaabkommens, des Kyoto-Abkommens, erwies sich diese Art von Klimagutschrift als heikel. Zudem, so Lambert Schneider, Emissionshandelsexperte beim Öko-Institut, werde die Klimawirkung von Kompensationszertifikaten erheblich überbewertet. „Die Regeln der Kohlenstoffmarktprogramme räumen den Projektentwicklern oft zu viel Flexibilität ein. Dies kann dazu führen, dass unrealistische Annahmen getroffen oder ungenaue Daten verwendet werden, die zu einer Überschätzung der Reduktionen führen“, so Schneider.

In einer systematischen Auswertung von über 60 empirischen Studien kommt eine neue Metastudie, an der Schneider beteiligt ist, zum Ergebnis, dass die tatsächlichen Emissionsminderungen aus den ausgewerteten Klimaschutzprojekten im Durchschnitt etwa sechsmal niedriger sind als angegeben. Es besteht also eine erhebliche Gefahr des Greenwashing. Wie groß die Gefahr real ist, muss aber die Ausgestaltung der Einigung zu Artikel 6 auf der COP erst noch zeigen.

Wie steht es denn beim Klimaschutz?

Generell macht der Ausbau erneuerbarer Energien weltweit rasche Fortschritte, wie aus dem am 20. November in Baku vorgestellten Climate Change Performance Index (CCPI) abzulesen ist. Der CCPI wird gemeinsam von Germanwatch, NewClimate Institute und CAN International erstellt. Er bewertet jährlich, wie weit die größten Emittenten (63 Länder plus EU) in Bezug auf Emissionen, erneuerbare Energien und Klimapolitik gekommen sind. Der CCPI 2025 zeichnet ein gemischtes Bild: Während 61 der 64 Länder den Anteil der erneuerbaren Energien an ihrem Energiemix in den letzten fünf Jahren erhöht haben, werden die Emissionstrends in 29 Ländern immer noch als niedrig oder sehr niedrig eingestuft.

Die Spitzengruppe (Top 3, „sehr gut“) bleibt beim CCPI unbesetzt, Dänemark ist das bestplatzierte Land (Platz 4). Der größte Treibhausemittent China liegt auf Platz 55, Deutschland auf Platz 16 – und fällt damit aus der Spitzengruppe und liegt nur noch knapp über dem EU-Durchschnitt, als erster Eintrag in der Einstufung „mäßig“ statt „gut“.

Kaum vorangekommen beim Klimaschutz sei der internationale Luftverkehr, so das Ergebnis einer in Baku vorgelegten Studie der Umweltorganisation Atmosfair. Zwischen 2019 und 2023 sei deren CO2-Effizienz um jährlich 1,4 % gewachsen, nötig seien aber 4 %/annum, um die Klimaschutzziele von Paris zu erreichen. Der absolute CO2-Ausstoß des Passagierluftverkehrs ist aber vor allem wegen des geringeren Flugaufkommens noch etwa 10 % geringer als 2019.

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