SCHIFFSTECHNIK 26. Okt 2017 Wolfgang Heumer Lesezeit: ca. 3 Minuten

Zweitaktschiffsmotor vermeidet Methanschlupf

Gasmotoren gelten als wichtiger Beitrag zur sauberen Schifffahrt, die positive Umweltbilanz ist aber durch den Ausstoß unverbrannten Gases getrübt.

Die „GasChem Beluga“ ist ein Schiff der Superlative: weniger Verbrauch bei mehr Ladekapazität.
Foto: Hartmann AG

Der Gastanker „GasChem Beluga“ ist schon optisch auffällig, denn erstmals steht bei einem Schiff dieses Typs der Aufbau mitsamt Brücke auf dem Bug und nicht am Heck.

Methan
farb- und geruchloses, brennbares Gas
ist Hauptbestandteil von Erdgas.
hat eine geringere Dichte als Luft, es steigt also in die höheren Schichten der Erdatmosphäre auf. Dort wirkt es als Treibhausgas.
verbrennt mit bläulich-heller Flamme in Gegenwart von ausreichend Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid und Wasser.

Die Reederei Hartmann aus Leer hat für ihren jüngsten Neubau bewusst mit schiffbaulichen Traditionen gebrochen: Mit dem Modell Eco Star 36k „haben wir einen einzigartigen Schiffstyp entwickelt, der einen geringeren Treibstoffverbrauch und höhere durchschnittliche Reisegeschwindigkeiten mit einer bis zu 30 % erhöhten Kapazität verbindet“, sagt der Technische Direktor der Reederei, Ulrich Adami. Herzstück ist ein neuartiger MAN-Dual-Fuel-Motor (ME-GIE), der im Bauch des 188 m langen Schiffes im Zweitakt schlägt.

Dual-Fuel-Motoren, die wechselnd mit Diesel bzw. Schweröl und Gas betrieben werden können, gehören zu den Trends in der Schifffahrt. Der Einsatz von Flüssigerdgas (LNG) als Treibstoff reduziert Schwefel-, Stickoxid- und Feinstaubemissionen signifikant und führt zu einem etwa 20 % geringeren Kohlendioxidausstoß im Vergleich zur Verbrennung von Diesel oder Schweröl. Aber: Unter bestimmten Umständen blasen LNG-Motoren unverbranntes Gas in die Atmosphäre. „Bei Viertaktmotoren gibt es einen Moment zwischen dem vierten und dem ersten Takt, in dem sowohl die Einlass- als auch die Auslassventile geöffnet sind“, erläutert Freerk Meyer, Professor für Maschinenbau und Antriebsexperte im Fachbereich Seefahrt der Hochschule Emden-Leer. Außerdem kann eine unvollständige Verbrennung des Gas-Luft-Gemisches zu dem sogenannten Methanschlupf führen.

Zwischen 1 % und 2 % unverbrannten Methans können beim Viertakter im Abgas enthalten sein – da Methan etwa 30-mal klimaschädlicher ist als Kohlendioxid, werden damit die CO2-Vorteile des Gasantriebes konterkariert. Nach dem Vorbild eines Gasmotors, den sie vor einigen Jahren für ein japanisches Kraftwerk gebaut hatten, haben die Motorenexperten von MAN Diesel & Turbo in Kopenhagen nun eine maritime Variante entwickelt, die dem Methanschlupf ein Ende bereiten soll. Als Zweitakter vermeide der ME-GI das Problem der Ventilüberschneidung, erläutert Rüdiger Schmidt, Vertriebsleiter Deutschland der marinen Sparte von MAN Diesel & Turbo. Darüber hinaus konnte auch der Verbrennungsverlauf optimiert werden.

Herkömmliche Dual-Fuel-Motoren wandeln sich beim Einsatz von Gas statt Öl vom Diesel- zum Ottomotor. Während Diesel bei Temperaturen zwischen 200 °C und 230 °C zündet, liegt die Zündtemperatur von Methan bei 600 °C. Das mit etwa 4 bar in den Zylinder eingeblasene Luft-Gas-Gemisch entzündet sich anders als ein Diesel-Luft-Gemisch nicht selbst – die Funktion der Zündkerze des Ottomotors übernimmt Diesel, der als „pilot fuel“ in die Brennkammer injiziert wird und die Zündung auslöst.

Bei der Entwicklung des ME-GIE gelang es den MAN-Experten dagegen, das Selbstzünderprinzip und damit eine bessere Verbrennungscharakteristik zu erhalten. „Das LNG wird mit 300 bar in den Brennraum gespritzt“, erläutert Schmidt, „und trifft dort auf das schon brennende pilot fuel.“ Nebenbei hat der neue Zweitakter noch eine weitere positive Eigenschaft: Als „Langsamläufer“ mit 100 min-1 benötigt er kein Getriebe, sondern wirkt direkt auf Welle und Propeller.

Das Prinzip scheint auf dem Markt anzukommen. „Mittlerweile sind schon über 160 Motoren bestellt oder ausgeliefert“, sagt Schmidt. Das mag auch daran liegen, dass der Umweltdruck auf die Seeschifffahrt wächst. Weltweit werden in den kommenden Jahren zusätzliche „Emission Control Areas“ (ECA) entstehen, in denen wie bereits in Nord- und Ostsee sowie in bis zu 200 km Abstand vor der nordamerikanischen Küste besondere Emissionsbeschränkungen gelten.

Der Motor auf der GasChem Beluga weist gegenüber dem herkömmlichen ME-GI eine Besonderheit auf. Er ist für den Betrieb mit Ethan ausgerichtet, das der Gastanker hauptsächlich transportiert. „Wir können damit auch das Gas aus der Ladung als Treibstoff nutzen“, erläutert Adami.

Um das Gewicht des Schiffes möglichst niedrig zu halten und die Ladungskapazität zu erhöhen, entwickelten die Konstrukteure ein neues und leichteres System von Ladungstanks: Statt der bislang üblichen Bilobe-Tanks aus zwei ineinandergeschobenen Zylindern installierten sie Trilobe-Tanks aus drei Zylindern, die ein höheres Volumen mit geringerem Leergewicht kombinieren.

Selbst die Anordnung des Brückenhauses am Bug und der Maschinenanlage erfolgte mit Blick auf eine mögliche Gewichtsersparnis: Weil Bug und Heck sich in etwa die Waage halten, benötigt die GasChem Beluga weniger Ballastwasser, um im Trimm zu bleiben.

„Unterm Strich bedeutet dies, dass wir etwa 30 % mehr Ladung als ein vergleichbar großes Schiff transportieren können und damit weniger Treibstoff pro Ladungstonne verbrauchen“, betont Adami.

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