EMISSIONEN 24. Jun 2019 Iestyn Hartbrich Lesezeit: ca. 3 Minuten

Zyklon in den Dünen

Mit einer neuen Anlagentechnik will Tata Steel seinen CO2-Ausstoß in der Roheisenproduktion drastisch senken.

CO2-neutral bis 2050: Wie so viele Stahlkonzerne verfolgt auch Tata Steel dieses Ziel. Teil der Strategie für den Übergang ist die Roheisenproduktion mit Anlagentypen wie HIsarna, die Biomasse als Reduktionsmittel nutzen können.
Foto: Tata steel/Studio John de Koning

Wenn der Werkstoffingenieur Johan van Boggelen aufs oberste Plateau seiner Anlage klettert, dann bietet sich ihm ein legendäres Panorama. Auf der einen Seite liegt in der Ferne die Skyline von Amsterdam, auf der anderen – ganz nah – die Nordsee hinter Dünen. Ringsherum erstreckt sich das größte Hüttenwerk der Niederlande: Hochöfen, Kokereien, Hafen. Der Standort IJmuiden des Tata-Konzerns.

Die Anlage, für die van Boggelen verantwortlich ist, ist kein Forschungsprojekt mehr. Aber abgeschlossen ist die Technologieentwicklung auch noch nicht. HIsarna heißt das Konzept, das Tata dabei helfen soll, den CO2-Ausstoß drastisch zu reduzieren. Bislang hat der Konzern rund 75 Mio. € in das Projekt investiert.

HIsarna ist ein Aggregat für die Roheisenproduktion und muss sich deshalb mit dem nahezu ausoptimierten Hochofen messen. Frühestens in fünf Jahren, realistischerweise eher in sieben bis zehn, könnte eine Anlage im Industriemaßstab in Betrieb gehen. Angepeilt ist eine Jahreskapazität von zunächst 1 Mio. t. Um einen Hochofen zu ersetzen, wären folglich zwei bis drei dieser Anlagen nötig.

HIsarna und der Hochofen sind sich gar nicht ähnlich. Im Hochofen werden wechselweise eine Schicht Koks und eine Schicht Eisenerz von oben eingefüllt. Das Material ist oben fest und vergleichsweise kalt. Je tiefer es sackt, desto heißer wird es. Der Koks erfüllt dabei drei Aufgaben. Erstens reduziert der Kohlenstoff das Eisenerz, sodass beim Abstich unten Eisen ausfließt. Zweitens sorgt die Koksmasse durch ihre Porosität dafür, dass die Gichtgase durch die schwere Materialsäule nach oben gelangen können. Und drittens trägt sie die Säule in einem mechanischen Sinne.

HIsarna kommt demgegenüber ohne Koks aus. Stattdessen kann als Reduktionsmittel zum Beispiel Biomasse genutzt werden. Dadurch soll der CO2-Ausstoß um mindestens ein Fünftel sinken. Tata will nun demonstrieren, dass unter Nutzung von 40 % Biomasse und 35 % Stahlschrott sogar ein Drittel der Emissionen verhindert werden.

Die untere Hälfte des HIsarna-Aggregats basiert auf einem Anlagenkonzept von Rio Tinto mit Namen HIsmelt. Die obere Hälfte ist eine Tata-Eigenentwicklung und wird Zyklon genannt. Oben im Zyklon wird das Eisenerz eingefüllt und schmilzt bei Temperaturen von 1600 °C sofort.

Zusätzlich wird im Zyklon Sauerstoff derart eingeblasen, dass sich der namensgebende Wirbelstrom bildet. Das flüssige Eisenerz wird dadurch an der Wand des Zyklons festgedrückt und rinnt daran herab. Dabei wird das Erz bereits zu 25 % reduziert. Das bedeutet: Ein Viertel der Sauerstoffatome – Eisenerz ist Fe2O3 – hat das Eisen nun verloren. Die verbleibende Reduktion vollzieht sich im rund 2 m hohen Schlackenvolumen, dass auf dem flüssigen Roheisen unten im Ofen schwimmt.

Auch in dieser Anlage gibt es einen Abstich, bei dem anders als im Hochofen aber nur die Schlacke entfernt wird. Das Eisen fließt kontinuierlich und per Überlaufprinzip am unteren Ende aus. Der Schlackenabstich erweist sich hierfür als hilfreich: „Der plötzliche Druckabfall unterbricht den Eisenstrom für einen kurzen Zeitraum. Dadurch öffnet sich ein Zeitfenster, in dem die Pfanne, die das Eisen auffängt, getauscht werden kann“, sagt van Boggelen.

Als zweiten entscheidenden Vorteil sieht Tata an, dass sich HIsarna für das Recycling von Blechen aus der Automobilindustrie eignet. Diese sind zum Korrosionsschutz häufig verzinkt – und damit für den Hochofen eine Qual. Zink schmilzt bei 419,5 % und siedet bei 907 °C. Das Zink würde also gasförmig aufsteigen, um unterwegs wieder flüssig zu werden und herabzurinnen. Auf diese Weise könnte es dem Hochofen nie entkommen. Anders bei HIsarna: Durch die große Hitze – unten wie oben – kann das gasförmige Zink das Aggregat verlassen und außen aufgefangen werden. Dabei entsteht Zinkstaub, der wiederum für die Verzinkung neuer Bleche genutzt werden kann.

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