Hausgeräte made in Türkei: Mit jeder Menge Ingenieurkunst
Der türkische Hausgerätehersteller Beko sieht sich in Europa auf der Überholspur. Das Unternehmen, das zum riesigen Koç-Konzern gehört, will vor allem junge Menschen mit günstigen Produkten überzeugen. "Es steckt viel qualitative Ingenieurskunst drin",erklärt Beko-Geschäftsführer Sühel Semerci im Gespräch mit den VDI nachrichten und ergänzt: "Es kommt nicht darauf an, ob wir es mit deutschen oder türkischen Ingenieuren zu tun haben."
VDI nachrichten: Herr Semerci, Beko ist mittlerweile die drittgrößte Hausgerätemarke in Europa. Verraten Sie uns Ihr Erfolgsgeheimnis?
Semerci: Wir investieren viel in neue Technologien, Innovationen und Produktfeatures, um im internationalen Markt zu bestehen. Hinzu kommt, dass wir in der Türkei selbst einen Markt mit hohem Wachstumspotenzial haben. Dort sind wir mit unseren beiden Marken Arçelik und Beko Marktführer.
- Beko ist ein internationaler Markenname für Hausgeräte des türkischen Arçelik-Konzerns. Weitere Marken sind u. a. Blomberg, Elektra Bregenz und Grundig.
- Der Arçelik-Konzern ist in Europa die Nr. 3 im Bereich der Haushaltsgroßgeräte.
- 2012 verkaufte das Unternehmen 4,2 Mio. Hausgeräte in Europa. Hier entwickelte sich Arçelik zwischen 2008 und 2012 zur Marke mit der höchsten Steigerung des Marktanteils.
- Arçelik ist im Bereich der langlebigen Güter das führende Unternehmen der türkischen Koç-Gruppe: 24 000 Mitarbeiter arbeiten in 14 Produktionsstätten, weltweit ist das Unternehmen in mehr als 100 Ländern vertreten. Arçelik ist in der Türkei Patentführer. Der Gesamtumsatz betrug 2012 4,6 Mrd. €.
- Die Koç-Gruppe ist der größte Industrie- und Handelskonzern der Türkei. Ihre Kerngeschäftsfelder sind Energie, Finanzen, Automobil und langlebige Konsumgüter.
- Koç beschäftigt weltweit rund 82 000 Mitarbeiter, hatte 2012 einen Gesamtumsatz von 37 Mrd. € und generiert 9 % des Bruttosozialproduktes und 11 % der Gesamtexporte der Türkei. In der Liste der Fortune Globe 500 ist sie das einzige türkische Unternehmen und derzeit auf Platz 217. sur/rb
Und da haben Miele und Siemens keine Chance?
Die Türkei ist nicht mit Deutschland zu vergleichen. Der deutsche Markt ist gesättigt. Dennoch bietet er ein Potenzial von rund 12 Mio. Geräten, die die Kunden im Jahr ersetzen. In der Türkei liegt das Potenzial vor allem in der Erstausstattung, weil hier die Anzahl der Haushalte steigt und die Marktsättigung im Vergleich zu Deutschland noch sehr gering ist. Fakt ist, dass man in der Türkei gute Produktionsbedingungen hat und gleichzeitig die Nähe zu Europa. Die Transportwege sind kurz und die kulturellen Unterschiede gering: Ein Produkt, das sich in der Türkei verkauft, verkauft sich auch in Westeuropa.
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Wie machen Sie konservativen deutschen Kunden Geräte „made in Turkey“ schmackhaft?
Die Kunden legen keinen so großen Wert mehr darauf, wo das Produkt eigentlich hergestellt wird. Sie interessiert in erster Linie: Was kann das Produkt? Wie ist die Qualität? Und zu welchem Preis kann ich es bekommen? Entscheidend ist auch, wie präsent die Marke ist. Nehmen Sie zum Beispiel teure deutsche Luxus-Pkw. Die werden längst nicht mehr nur noch in Deutschland produziert.
Wie wollen Sie Ihre Marke in Deutschland weiter bekannt machen?
Unsere Strategie ist eine langfristige. Wir haben es ja nicht mit Produkten zu tun, die man ständig neu kauft, so wie einen Joghurt im Supermarkt. Man braucht in einem solchen Markt viel Geduld, um das, was man kann, dem Handel und dem Endverbraucher zu vermitteln. Die Produkte von Beko bieten europäische Qualität und Design und Features, die den starken Wettbewerbsprodukten in nichts nachstehen. Und natürlich sind wir leistungsfähig, was die Produktionskosten angeht.
Weil es in der Türkei einfach günstiger ist?
Ja, die Türkei ist sicherlich eines der interessantesten Länder für die Herstellung von Hausgeräten.
Sie konkurrieren in Deutschland mit Marken wie Miele, Siemens und Bosch. Wie wollen Sie da punkten?
Wir messen uns hier mit den Besten. In den letzten Jahren konnten wir unseren Bekanntheitsgrad dennoch verdoppeln und unsere Marktanteile jährlich mit dem stärksten Wachstum ausbauen. Beim Absatz sind wir mittlerweile die Nummer drei in Europa – weil unsere Produkte im Handel präsent sind und Kunden die Möglichkeit haben, dort alles zu sehen und zu vergleichen.
Ende 2007 hat der Koç-Konzern die Beko-Mutter Grundig übernommen, die seit diesem Jahr auch im Hausgerätemarkt unterwegs ist. Machen Sie sich nicht intern Konkurrenz?
Nein, denn die Marken werden komplett anders positioniert – sowohl in der Marken-, Sortiments- als auch Preispolitik. Wenn Sie mich jetzt fragen würden: Kommt Ihnen ein Wettbewerber X in die Quere? Ja und nein. Im Falle von unseren Marken, wie Grundig, können wir dies aus einer Hand managen.
Für welche Zielgruppe steht Beko in ihrer Unternehmensgruppe?
Für junge Leute, die für wenig Geld sehr viel Qualität und Features haben wollen. Bei Grundig ist die Kundschaft traditioneller mit einem höheren Einkommen.
Was muss ein junger Mensch für eine Kühl-Gefrier-Kombi von Beko ausgeben?
Wenn er ein gutes Schnäppchen macht: 399 €. Hierfür bekommt er ein Gerät, das bei anderen Herstellern vielleicht das Doppelte kostet.
Wie wichtig ist für Sie Forschung und Entwicklung?
Das ist für uns eine der entscheidenden Größen. Im Jahr 2012 haben wir hier 46,3 Mio. € investiert, also rund 1 % unseres Umsatzes. Wir beschäftigen weltweit 1000 Ingenieure in unserem zentralen Entwicklungszentrum in der Türkei und in den produktspezifischen Abteilungen unserer Werke.
Wie viel türkische Ingenieurskunst steckt in einem Beko-Gerät?
Es steckt qualitative Ingenieurskunst drin. Es kommt nicht darauf an, ob wir es mit deutschen oder türkischen Ingenieuren zu tun haben. Vielleicht stehen in Deutschland mehr zu Verfügung. Aber, was Qualität, Know-how und Ausbildung angeht, kann die Türkei bei einem Vergleich durchaus mithalten.
Sie bezeichnen sich als technischer Pionier. Auf welche Technologie sind Sie besonders stolz?
Auf den Wärmepumpentrockner. Mit unserer Marke Blomberg waren wir die Ersten, die dieses Produkt wirtschaftlich sinnvoll angeboten haben. Vorher konnten die Verbraucher ihre Anschaffungskosten in solch ein Gerät gar nicht amortisieren. Heute haben wir ein Produkt zu einem vertretbaren Preis-Leistungs-Verhältnis mit einer enormen Energieersparnis.
Welche Trends werden künftig Ihre Technologien bestimmen?
Das Thema Energiesparen wird sicher nicht aufhören, bis wir mit den Geräten möglicherweise noch selbst Energie erzeugen können. Insgesamt ist entscheidend, dass am Ende Innovationen für den Endverbraucher einen wahrnehmbaren Vorteil oder eine Erleichterung bedeuten. Es ist vielleicht nicht unbedingt ein sehr wichtiges Kriterium, ob man auf dem Fernseher sieht, dass die Waschmaschine fertig ist. Viel wichtiger wäre es beispielsweise, wenn wir es schaffen würden, dass die Wäsche nicht mehr gebügelt werden müsste. An solchen Innovationen arbeiten unsere Forschung und Entwicklung auch mit Universitäten in der ganzen Welt.
Wie sind Ihre Ziele?
Wir beabsichtigen, unsere Umsätze und Marktanteile in den nächsten fünf Jahren in Deutschland zu verdoppeln. Und für Europa sind unsere Ziele nicht viel kleiner.