FORSCHUNG 27. Jun 2019 Silvia von der Weiden Lesezeit: ca. 4 Minuten

Holz wird Hightech-Werkstoff

Holz lässt sich technisch so bearbeiten, dass es stabiler als Metall, witterungsbeständig, schwer entflammbar und sogar magnetisierbar wird. So ist es bei vielen anspruchsvollen Fragestellungen eine gute Lösung.

Das höchste Holzhaus Deutschlands soll in der Hamburger Hafencity gebaut werden. Aus Brandschutzgründen muss das Holz schwer entflammbar sein.
Foto: Störmer, Murphy & Partners

Der Oakwood Timber Tower soll ein Holzhaus der Superlative werden: Mit 300 m Höhe auf 80 Etagen soll er Platz für 1000 Wohnungen bieten. Das als Fachwerk konzipierte Hochhaus wäre etwa doppelt so hoch wie der Kölner Dom und das höchste Holzbauwerk der Welt. Gut 65 000 m³ Holz sollen im Londoner Wohnturm verbaut werden. Dadurch wäre er viermal leichter als eine vergleichbare Konstruktion aus Beton, aber beinahe genauso stabil.

Holz – schwer entflammbar und magnetisch

Holz brennt leicht, was der Verwendung des Werkstoffes aus Sicherheitsgründen Grenzen setzt. Empa-Forscher haben gemeinsam mit Kollegen der ETH Zürich ein Verfahren entwickelt, um Holz vor Flammen zu schützen. Dazu wird Kalziumkarbonat (Kalk) in die Zellstruktur des Holzes eingebracht und das Holz mineralisiert. Allerdings muss das Mineral tief in die Struktur des Holzes eindringen.

Zunächst wird das Holz in einer wässrigen Lösung aus Kohlensäuredimethylester und Kalziumchlorid getränkt. Ist das Gemisch in die Zellen des Holzes eingedrungen, wird mithilfe von Natronlauge der pH-Wert erhöht, bis die Lösung basisch wird. Das bewirkt, dass sich Kalk tief in der Zellstruktur ablagern kann. So konnte die Brennbarkeit des Holzes auf etwa ein Drittel gesenkt werden.

Auf ähnliche Weise gelang es den Forschern, Eisenoxidnanopartikel in die Holzzellen einzuschleusen und so einen magnetisierbaren Werkstoff zu schaffen.

Das geht aus aktuellen Plänen eines britischen Konsortiums aus Architekten, Ingenieuren und Forschern hervor. Beteiligt sind das Architektenbüro PLP Architecture in London, das Ingenieurbüro Smith and Wallwork in Cambridge sowie die University of Cambridge. „Mit dem Projekt wollen wir vor allem die technische Machbarkeit demonstrieren“, betont Kevin Flanagan von PLP Architecture. Denn Holz sei kein altmodischer Baustoff, es habe vielmehr das Zeug zum vielseitig verwendbaren Hightech-Werkstoff.

Tatsächlich ist Holz von Natur aus bei gleicher Tragfähigkeit leichter als Stahl, hat etwa die gleiche Druckfestigkeit wie Beton und kann im Gegensatz zu diesem aufgrund seiner Faserstruktur auch Druckkräfte aufnehmen. Damit empfiehlt sich der Werkstoff in vielen Fällen als technische Alternative zu herkömmlichen Materialien und ist zudem preiswerter. Für bestimmte Anforderungen aber reicht das immer noch nicht aus. Damit der Werkstoff nutzbar wird, mussten Forscher deshalb neue Verfahren entwickeln.

Holz so zu verdichten, dass es um das Zehnfache stabiler wird und damit viele Metalle und Legierungen an Festigkeit übertrifft, obgleich es dabei deutlich leichter als diese ist – das Kunststück gelang Forschern der University of Maryland, wie sie im Fachmagazin „Nature“ berichten. Das Team um Jianwei Song setzt auf ein neuartiges, recht einfaches Verfahren. Risse und Kratzer können dann dem Holz kaum etwas anhaben.

„Die mechanischen Eigenschaften des verdichteten Holzes übertreffen sogar die von weitverbreiteten Strukturmaterialien wie Kunststoffen, Stahl oder Metalllegierungen“, berichten die Forscher. Wie erste Tests belegen, liegt die Zerreißfestigkeit solchen Holzes bei bis zu 587 Megapascal – das sei höher als bei einigen Stählen und Titanlegierungen.

In dem von den Forschern entwickelten zweistufigen Verfahren wird der Naturstoff so optimiert, dass er eine extrem belastbare Struktur erhält. Im ersten Schritt wird das Holz in ein heißes Bad aus Ätznatron und Natriumsulfit getaucht. Diese Behandlung entfernt einen Teil des Lignins und der Hemizellulose aus dem Holz, beides sind Bestandteile der Zellwände. „Dadurch wird das Holz poröser und weniger steif“, erklärt Song. Die Zellulosefasern des Holzes werden dabei jedoch nicht beeinträchtigt.

Im zweiten Schritt wird das Holz bei 100 °C seitlich zusammengepresst. Durch den Druck senkrecht zur Wachstumsrichtung kollabieren die vielen Hohlräume in der Holzstruktur. Das Holz wird um das Dreifache dichter und verliert rund 80 % an Dicke. Würde man den Naturstoff ohne die chemische Vorbehandlung walzen, käme man nicht einmal in die Nähe solcher Werte.

Der Trick dabei: „Das verdichtete Holz hat eine einzigartige Mikrostruktur“, erläutert Song. Die kollabierten Zellwände liegen nun ohne Hohlräume eng aneinander. Dadurch kommt es zu einer sehr großen Kontaktfläche zwischen benachbarten Zellulosesträngen in den Zellwänden und es entstehen stabile Faserschichten.

Wie die Forscher herausfanden, bleibt das derart verdichtete und gehärtete Holz sogar unter extrem feuchten Bedingungen stabil. Während unbehandeltes Holz bei hoher Luftfeuchtigkeit aufquillt und weicher wird, verlor das verdichtete Holz selbst bei 95 % relativer Luftfeuchte kaum an Festigkeit und Stabilität. „Wurde die Oberfläche des Holzes lackiert, war das Material sogar komplett immun gegen die Feuchtigkeit“, berichten die Forscher. Die im Labor erprobte Technik funktioniert bei allen Holzarten, egal ob es Hart- oder Weichhölzer sind.

Das neue Verfahren wollen die Forscher nun für industrielle Zwecke weiterentwickeln, denn es winken lukrative Einsatzmöglichkeiten: „Das Holz könnte in Autos, Flugzeugen und Gebäuden verwendet werden und Stahl ersetzen“, schreiben sie. Ähnlich sieht das Kollege Peter Franzl vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam: „Das verdichtete Holz ist leichter als metallische Materialien und hat mit seiner Festigkeit und Stabilität Potenzial für viele Ingenieursanwendungen.“

Holz als neuer Hightech-Werkstoff, davon versprechen sich auch Schweizer Forscher an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Dübendorf viel. Sie haben eine umweltschonende Methode entwickelt und sich patentieren lassen, die Hölzer dauerhaft gegen Fäulnis schützt. Dazu nutzen sie Eigenschaften von holzbewohnenden Pilzen wie der Schmetterlingstramete.

Der auch zu Heilzwecken verwendete Pilz produziert Inhaltsstoffe, sogenannte Laccasen, die natürlicherweise vor dem Angriff von Mikroben schützen. Das haben sich die Forscher zum Vorbild genommen. Sie gewinnen bestimmte Laccasen in einer künstlichen Umgebung mithilfe von einfach zu kultivierenden Weißfäulepilzen. Der Clou: Die Laccase sorgt dafür, dass antimikrobiell wirkendes Iod eine chemisch feste Verbindung mit der Holzoberfläche eingehen kann.

„Der Vorteil ist, dass das chemisch gebundene Iod auswaschungsresistent und damit dauerhaft ist“, erklärt Empa-Forscher Mark Schubert. Derzeit laufen Langzeitversuche mit iodisierten Fichten-, Tannen- und Eichenhölzern, in denen das Verfahren seine Langzeittauglichkeit unter Beweis stellen soll. Man sei schon mit Partnern aus der Möbel-, Bau- und Papierindustrie im Gespräch, die das Verfahren für ihre Zwecke nutzen wollen. Beispielsweise sei daran gedacht Holzfassaden anzubieten, die gegen Bakterien- und Pilzbefall immun sind. Ein solches Verfahren könnte auch bei dem geplanten Londoner Holzhochhaus zum Einsatz kommen.

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