Kohlenstoff aus Luft
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erproben Forschende am Institut für Thermische Verfahrenstechnik (TVT), wie im Rahmen eines den Power-to-X-Technologien angelehnten Verfahrens auch Hightechmaterialien wie Kohlenstoff gewonnen werden können. Die Beteiligten zünden jetzt die zweite Projektstufe.
Kohlenstoff ist in der Industrie ein vielfältig benötigter Stoff, vom Diamanten bis zum Ruß. Und die Verfahren stehen, wie alle anderen industrielle Fertigungsprozesse, vor der Aufgabe, sich in den nächsten zwei Jahrzehnten weitgehend zu dekarbonisieren – oder den Weg dahin eingeschlagen zu haben. Eine Möglichkeit ist dabei, die benötigte Energie klimaneutral bereitzustellen. Die zweite Möglichkeit ist die, den Prozess zu ändern – wie es zum Beispiel die Stahlbranche macht, die von der Koksroute auf die wasserstoffbasierte Direktreduktion umstellt. „Damit industrielle Produktion trotzdem möglich bleibt, müssen wir technologisch ganz neu Wege gehen“, sagt Benjamin Dietrich vom Institut für Thermische Verfahrenstechnik (TVT) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).
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Das gilt auch für die Bereitstellung von Kohlenstoff in der Industrie. „Benötigt wird dieser bei der Produktion von Batterien, in der Farbindustrie, im Agrarsektor oder auch bei der Herstellung von Baustoffen. Bislang stammt er meist aus fossilen Quellen“, weiß Dietrich. Am KIT haben sie in den letzten Jahren Erfahrungen mit Verfahrenstechniken gewonnen, die dem Power-to-X-Spektrum zuzuordnen sind: Alles basiert auf Ökostrom, der via Elektrolyse grünen Wasserstoff als Basis-Chemikalie für alle folgenden Prozesse bereitstellt.
Kohlenstoff nachhaltig nutzen und binden hilft dem Klimaschutz
So wird im Kopernikus-Leuchtturmprojekt P2X erforscht, wie sich Ökostrom, CO2 und Wasser umwandeln lassen in Gase, Kraftstoffe, Kunststoffe und Chemikalien. Bis 2025 laufen die Projekte, mit diesem Jahr sollten sie in die dritte Phase starten, in der die entwickelten Technologien in Groß-Demonstratoren umgesetzt werden.
Kraftstoff aus Luft und Strom produziert
Im Forschungsprojekt Necoc (Negative Carbon Dioxide to Carbon), das Dietrich koordiniert, entwickeln die Verbundpartner KIT, das KIT-Spin-off Ineratec und der Schweizer Direct-Air-Capture-Spezialist Climeworks ein Verfahren, mit dem sich CO2 aus der Atmosphäre in Kohlenstoff verarbeiten lässt (KIT, Ineratec und Climeworks arbeiten auch bei P2X zusammen). Wenn der Kohlenstoff langfristig gebunden bliebe, dann hätte man negative Emissionen mit einem Baustein der postfossilen Rohstoffversorgung im Sinne einer zukünftigen Carbon-Management-Strategie kombiniert, so Dietrich: „Das ist ein doppelter Beitrag für eine nachhaltigere Zukunft.“
Aus 2 kg CO2 werden 0,5 kg Kohlenstoff bereitgestellt
Bisher gibt es eine Versuchsanlage im Containermaßstab, die jetzt in Betrieb ist. Diese erste Ausbaustufe liefert im kontinuierlichen Betrieb knapp 2 kg CO2, die über die Climeworks-Technik direkt aus der Umgebungsluft extrahiert wird. Daraus werden 0,5 kg fester Kohlenstoff (C) bereitgestellt. In einer zweiten Projektphase soll das Necoc-Verfahren nun für eine erweiterte Ausbaustufe skaliert und optimiert werden.
„Wir wollen das Verfahren noch energieeffizienter machen, indem wir die Rückgewinnung von Prozesswärme verbessern“, sagt Projektleiter Leonid Stoppel vom Karlsruher Flüssigmetalllabor Kalla. „Außerdem betrachten wir die Integration von Hochtemperatur-Wärmespeichern und die direkte Einbindung solarer Wärme.“ Weiterhin sollen, so das KIT, die Einbindung von CO2-Punktquellen, neuartige Ansätze zur Entnahme des CO2 aus der Luft sowie der Einfluss von Spuren- und Begleitkomponenten aus dem Prozessverbund auf die Kohlenstoffqualität untersucht werden.