Programmierbare synthetische Materialien
Wer sagt, dass Computer nur mit Nullen und Einsen rechnen können? Vielleicht funktioniert ihre Recheneinheit eines Tages auf Basis von programmierbaren Substanzen. Dann würde die räumliche Anordnung der einzelnen Atome die Information festschreiben.
Forschende der Ruhr-Universität Bochum haben jetzt mithilfe der Atomsondentomographie gezeigt, dass eine komplexe räumliche Anordnung von zufällig verteilten Metallatomen bestimmt werden kann – und so auch eine mögliche Information wieder ausgelesen werden könnte, wenn sie in einer Atomanordnung codiert wäre. Tong Li, Leiterin der Forschungsgruppe Atomic-scale Characterisation am Institut für Werkstoffe der RUB, sowie Zhe Ji und Omar Yaghi aus Berkeley haben die Methode in der Fachzeitschrift „Science“ beschrieben.
Metallsequenzen decodieren
Für eine Informationscodierung mit Atomen eignen sich besonders gut sogenannte Metal-Organic-Frameworks, kurz MOFs. Dies sind poröse kristalline Gebilde, die eine genau definierte räumliche Struktur aufweisen, in die dann einzelne Atome eingelagert sein können. Wichtig für das Codieren von Information in die Anordnung ist es allerdings, dass die Anordnung veränderbar ist, gezielt erfolgen kann und sich jederzeit auslesen lässt.
Gerade diesen letzten Punkt zu realisieren war bisher besonders schwierig. Das Auslesen der Information klappte eigentlich nur bei sehr einfachen räumlichen Anordnungen. Dies aber reicht nicht, um komplexe Informationen zu codieren.
Kobalt, Cadmium, Blei und Mangan eingelagert
Nun aber zeigte das Forschungsteam, dass es mithilfe der Atomsondentomografie durchaus möglich ist, auch kompliziertere räumliche Anordnungen von Metallatomen bestimmen zu lassen. Die Bochumer Materialwissenschaftlerin Tong Li ist eine Expertin für genau dieses Verfahren. Mit ihm kann sie einzelne Atome sichtbar machen, zum Beispiel Kobalt, Cadmium, Blei und Mangan, die die Gruppe in dem Material MOF-74 zufällig einlagerte. Anschließend entschlüsselte sie deren räumliche Struktur.
Gezielt Wirkstoffe einschleusen
Die Forschenden sind der Meinung, dass MOFs die Basis programmierbarer chemischer Moleküle sein könnten. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, MOFs so zu programmieren, dass sie einen pharmazeutischen Wirkstoff in den Körper einschleusen und in ein bestimmtes Gewebe transportieren. Dort würden sie den Wirkstoff gezielt abgeben und überschüssige Arznei zu harmlosen Substanzen abbauen. Denkbar sei auch, so die Wissenschaftler, zur Abscheidung von Kohlendioxid eingesetzt zu werden. Dieses könnte dann in einen nützlichen Ausgangsstoff für die chemische Industrie umgewandelt werden.
Materialsynthese komplett verändern
„Langfristig können solche Strukturen mit einprogrammierten Atomsequenzen unsere Denkweise in Bezug auf die Materialsynthese komplett verändern“, schreibt das Autorenteam. „Die synthetische Welt könnte ein ganz neues Level der Präzision und Raffinesse erreichen, das bislang der Biologie vorbehalten war.“
Die Arbeiten wurden finanziell unterstützt von der King Abdulaziz City for Science and Technology (Center of Excellence for Nanomaterials and Clean Energy Applications) in Saudi Arabien.