Rezeptbuch für bessere Elektrokatalysatoren
Forscherinnen und Forscher der Universitätsallianz Ruhr haben Tipps erstellt, was sich in der Erforschung von Elektrokatalysatoren ändern müsste, um die Wasserstoffwirtschaft erfolgreicher voranbringen zu können.
Die Wasserstoffwirtschaft gilt derzeit als einer der wichtigsten Bausteine für den Klimaschutz; vor allem bisher treibhausgasintensive Prozesse und Industrien sehen hier einen mittel- und langfristig lohnenden Pfad für die eigene technologische Transformation. Der Erfolg des ganzen Unterfangens hängt unter anderem davon ab, wie schnell die zugrunde liegenden Prozesse – angefangen bei der Katalyse von Wasser mithilfe von Ökostrom zu Wasserstoff und Sauerstoff – schnell, effizient und preiswert werden können.
Grundlage für diese Prozesse sind elektrochemische Verfahren, und für sie braucht es Katalysatoren. „Obwohl seit 20 Jahren intensiv an den dafür erforderlichen Katalysatoren geforscht wird, geht es nur in kleinen Schritten voran“, konstatiert die Ruhr-Universität Bochum (RUB) in einer Mitteilung heute. Angesichts der Bedeutung der Wasserstoffwirtschaft und der Notwendigkeit, chemische industrielle Prozesse nachhaltig zu defossilieren, gewinnt die wissenschaftliche Arbeit an Elektrokatalysatoren immer größere Bedeutung (s. Beispiel unten).
Was sich in der Forschung ändern müsste, um effiziente, stabile und selektive Katalysatoren für die industrielle Anwendung zu entwickeln, haben jetzt Forscherinnen und Forscher der Universitätsallianz Ruhr beschrieben, zu der auch die RUB gehört.
Chemische Reaktionen für die Energieumwandlung
Justus Masa vom Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion, Corina Andronescu von der Universität Duisburg-Essen und Wolfgang Schuhmann von der RUB untersuchen darin die Erforschung von Elektrokatalysatoren für drei chemische Reaktionen, die sich besonders für die Energieumwandlung eignen: die Elektrolyse von Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff; die Umwandlung von Stickstoff in Ammoniak (wichtiger Grundstoff der chemische Industrie) und die Wandlung von CO2 in weitere Ausgangsstoffe für die Industrie, wie Ethylen.
Die Erforschung neuer Katalysatoren müsse stets drei Faktoren im Blick: Aktivität, Selektivität und Stabilität. Die Aktivität beschreibt, wie leistungsfähig ein Katalysator bei einem bestimmten Energieeinsatz ist. Selektivität charakterisiert, ob und wie viele verunreinigende Nebenprodukte erzeugt werden, und Stabilität gibt an, wie leistungsfähig ein Katalysator auf Dauer ist.
Lücke zwischen Forschung und Praxis
„Viele Publikationen behaupten eine hohe Aktivität, Stabilität und Selektivität von Elektrokatalysatoren für wichtige Energieumwandlungsreaktionen, aber es fehlen Belege“, sagt Wolfgang Schuhmann, Leiter des Bochumer Zentrums für Elektrochemie und Mitglied im Exzellenzcluster Ruhr Explores Solvation, Resolv.
Gerade der Stabilität von Katalysatoren werde häufig nicht genug Bedeutung beigemessen, so das Trio. Diese Unterbewertung sei „zu einem großen Teil für die große Kluft zwischen scheinbar aufregenden Durchbrüchen beim Design aktiver Katalysatoren und der praktischen Umsetzung solcher Katalysatoren in technischen Anwendungen verantwortlich“, schreiben sie. Sie haben fünf Faktoren herausgearbeitet, die den Schritt von der Forschung in die Praxis behindern (s. Kasten).
Konkrete Vorschläge
Die drei belassen es nicht bei der Analyse, sie machen konkrete Vorschläge, wie es besser gehen könnte. So gelte es, die Stabilität von Katalysatoren stets integriert mit ihrer Aktivität zu denken. Folglich schlagen sie Methoden vor, mit denen sich die Aktivität zuverlässig messen lässt. Beispiel Nanoelektrochemie: Wenn Nanopartikelensembles als Katalysatoren genutzt werden, sollten einzelne Nanopartikel charakterisiert werden, nicht Partikelensembles, da sonst Interferenzen entstehen.
Das Trio ist vom Fach: Wolfgang Schumann stellte zu Jahresbeginn vor, wie man aus einer Fülle möglicher Kandidaten für Elektrokatalysatoren möglichst schnell die lohnenswerten herausfinden, bei denen sich eine weitere Optimierung lohnt. Das Konzept ist vor allem für die vielversprechende, erst kürzlich entdeckte Katalysatorklasse der sogenannten Hochentropielegierungen entwickelt, die aus Mischkristallen aus fünf oder mehr Elementen bestehen. „Es erlaubt, die Zusammenhänge zwischen der Auswahl der Elemente, theoretischen, aktivitätsbestimmenden Eigenschaften und tatsächlich messbaren Größen zu verstehen.“
Elektrokatalyse unter der Lupe
Wichtig ist, die Materialien und ihr Verhalten möglichst gut und vergleichbar charakterisieren zu können. Da werden Methoden wie jene wichtig, die Anfang Juni Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), des Helmholtz-Instituts für Erneuerbare Energien Erlangen-Nürnberg (HI ERN) und weiterer internationaler Partnergruppen vorstellten. Elektrokatalytische Reaktionen sollen sich so viel genauer untersuchen lassen als bisher. Man habe zeigen können, dass es möglich ist, einen komplizierten Elektrokatalysator mit atomarer Genauigkeit zusammenzubauen und daran den genauen Verlauf elektrokatalytischer Reaktionen zu untersuchen.
Der Zusammenbau des Katalysators erfolge dabei im sogenannten Ultrahochvakuum und schließe damit sämtliche Verunreinigungen aus, die häufig die Ergebnisse beeinflussten, so die FAU in einer Mitteilung. Nach diesem Durchbruch werde es in der Zukunft mit der gleichen Strategie möglich sein, eine Vielzahl weiterer Katalysatoren zu untersuchen und so ein viel besseres Verständnis dieser Zukunftschemie zu erhalten.
Der Wasserelektrolyse im Nanobereich zusehen
Ums genaue Hinsehen geht es auch bei einer neuen Methode, die am Max-Planck-Institut für Polymerforschung (MPI-P) in Mainz entwickelt wurde. Was genau bei der Zersetzung von Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff auf molekularer Ebene an einer Katalysatoroberfläche abläuft, das sei bisher durch aktuelle Verfahren nur unzureichend beobachtbar, so das MPI-P im März in einer Mitteilung. Jetzt könne man sie im Nanoskalenbereich live betrachten.
Als Beispiel untersuchten die Forscherinnen und Forscher den Prozess der Wasserspaltung an einer Goldoberfläche erstmals mit räumlicher Auflösung von unter 10 nm. Technologisch kombinierten sie dabei die Ramanstreuung, die typischerweise nur sehr schwache und vor allem nicht räumlich aufgelöste Signale erzeugt, mit der Rastertunnelmikroskopie, einem am MPI-P eigens entwickelten Verfahren.
Als Ergebnis konnten die Mainzer belegen, dass „glatte Oberflächen weniger energieeffizient Wasser spalten, als dies Oberflächen mit Rauigkeiten im Nanometerbereich können“, so MPI-P-Wissenschaftlerin Katrin Domke. „Mit unseren Bildern verfolgen wir die katalytische Aktivität der reaktiven Zentren während der ersten Schritte der Wasserspaltung.“