Die feinen Unterschiede bei Top-Verdienern
Je näher am Kern der Produktion, desto besser – innerhalb der Automobilbranche gibt es beim Gehalt ein deutliches Gefälle.
Die Automobilindustrie erlebt einen Epochenwechsel. Elektroantriebe, autonomes Fahren und die angestrebte Konnektivität der Fahrzeuge erfordern entsprechende technische Lösungen. Auch die Arbeitsteilungen zwischen den Herstellern (OEMs), den First-Tier-Zulieferern wie Bosch, Continental, ZF Friedrichshafen und den Entwicklungsdienstleistern (EDL) verändern sich dadurch.
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Stark gesucht werden von allen Marktteilnehmern nach wie vor Ingenieure, die sich mit automobilgerechten ITK-Lösungen auskennen. Es geht um die Integration von Fahrerassistenzsystemen und die Automatisierung von Fahrfunktionen genauso wie um Infotainment- und Telematiksysteme sowie die Vernetzung der Automobile mit der Außenwelt und die damit eng verknüpfte Datensicherheit.
Es war eine strategische Entscheidung der OEMs, viele Aufgaben in Forschung und Entwicklung (FuE) auszulagern, vielfach reichten die eigenen Ressourcen auch nicht mehr aus. Fahrwerk, Motor, Design und Teile der Elektronik blieben als Kernkompetenzen meist im eigenen Haus. Die FuE-Abteilungen der OEMs wurden zwar auch vergrößert, aber nicht proportional zu den gestiegenen Aufgaben.
Jan Dannenberg, Gründungspartner der Berylls Strategy Advisors GmbH, erläutert die Entwicklung: „Das ist ein Trend, der schon seit zehn bis 15 Jahren zu beobachten ist und sich in jüngster Zeit noch einmal deutlich verstärkte. Die Hersteller konzentrieren ihre Entwicklungswertschöpfung immer stärker auf die wirklich innovativen Themen. Auch die Zulieferer haben in den für die Zukunft entscheidenden Feldern durch eigene Aktivitäten oder durch Firmenzukäufe großes Kompetenzniveau aufgebaut. Und sie gehen neue passende Partnerschaften ein mit den aus der IT kommenden globalen Playern.“
Vor drei Jahren bilanzierte die auf den Automotive-Markt spezialisierte Unternehmensberatung, dass sich der weltweite Markt für Automotive-Entwicklungsdienstleistungen bei jährlichen durchschnittlichen Wachstumsraten von 6,4 % in den Jahren 2000 bis 2014 mehr als verdoppelte. Auch die Zulieferer waren in diesem Zeitraum weltweit jährlich um 4,2 % gewachsen. Tatsächlich stiegen bei den vier im Automotive Engineering umsatzstärksten deutschen EDL die Beschäftigtenzahlen zwischen 2013 und 2016 noch einmal enorm.
„Die freien Dienstleister sind erst einmal die großen Gewinner der Transformation in der Automobilbranche. Sie sind deutlich flexibler als die OEMs, wenn es um die neuen Anforderungsprofile, die neuen Themenbereiche geht“, konstatiert Julian Beckers, Managing Director der Headhunting-Agentur Benomik.
80 % der EDL beschäftigen sich allerdings mit Standardproblemen: Finite Elemente, CAD-Design, Produktionslinienlayout, Arbeitsanweisungen etc. „Bei diesen einfachen Engineering-Dienstleistungen gibt es zunehmend Konkurrenz im Ausland, in Rumänien und Bulgarien beispielsweise. Da geht es um das große Volumen der Aufträge und den Preis. Der in diesem Segment weiter wachsende Markt wird längst nicht mehr allein in Deutschland bedient“, erläutert Jan Dannenberg.
In direkter Konkurrenz suchen OEMs, Zulieferer und Engineering-Dienstleister nach ausgewiesenen Experten. „Ingenieure mit dem entsprechenden Know-how und Skill-Profil können bei einem Engineering-Dienstleister mehr verdienen als bei einem OEM“, sagt Hartmut Lüerßen, Partner der Unternehmensberatung Lünendonk & Hossenfelder GmbH.
Aktuell gebe es bei den hoch qualifizierten Ingenieuren mit sehr guten Abschlüssen eine Bewegung hin zu den OEMs. Probleme haben dagegen die großen Zulieferer. „Die wollen eigentlich die Leute haben, die lieber zu BMW und Co. gehen, sie können aber bei den Gehältern nicht mithalten“, erläutert Julian Beckers.
Insgesamt wechseln mehr als zwei Drittel der bei Dienstleistern beschäftigten Ingenieure später zu den auftraggebenden Firmen. „Insofern sind die Dienstleister ein verlängerter Rekrutierungsarm. Und die Automobilindustrie ist der größte Auftraggeber im Engineering. Das ist also schon ein Faktor“, berichtet Hartmut Lüerßen.
Ingenieure in der Automobilindustrie gehören zu den Topverdienern unter den Ingenieuren (siehe Grafik). Nach der Einkommensstudie 2016 von ingenieurkarriere.de verdienen Ingenieure im Fahrzeugbau zum Einstieg zwischen 45 600 € und 55 800 € im Jahr. Fach- und Projektingenieure bekommen als Bruttojahresgehälter zwischen 49 000 € und 68 000 € gezahlt. Projektmanager können auf mehr als 87 000 € hoffen. Bei Gruppen- und Teamleitern liegen die Spitzengehälter bei mehr als 100 000 €, bei Abteilungsleitern entsprechend darüber. Die tariflichen Monatsgehälter im Fahrzeugbau erhöhten sich laut dieser Studie zwischen 2002 und 2015 um 33,8 %.
Für Ingenieurtätigkeiten in der Automobilindustrie Baden-Württembergs beispielsweise kommt eine Einstufung in die Entgeltgruppen 12 bis 17 in Frage. Der seit April 2017 gültige Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie sieht für die Entgeltgruppe 15 ein Jahresbruttoentgelt von 78 292 € vor, in der Entgeltgruppe 17 sind es 88 227 €. Allerdings sind die Entgeltstrukturen bei den EDL wenig transparent. In der Regel bestehen keine tariflichen Eingruppierungen, wie Antje Blöcker in ihrer „Branchenanalyse Entwicklungsdienstleister“ für die Hans-Böckler-Stiftung feststellte.
„Auf Berufseinstiegslevel der Ingenieure liegen die Gehälter bei den Herstellern zwischen 50 000 € und 60 000 € Bruttojahresgehalt, bei einem großen Zulieferer so um die 50 000 € brutto“, fasst Julian Beckers zusammen. „Beim Engineering-Dienstleister sind es 40 000 € mit Ausschlägen nach unten und nach oben. Diese Unterschiede setzen sich dann auf allen Ebenen der Karriere fort. Zum Ende der beruflichen Laufbahn wird es dann etwas dynamischer. Auch die Zulieferer zahlen mitunter höchste Gehälter, wenn sie Mitarbeiter von den OEMs an sich binden möchten, um deren Branchenkontakte nutzen zu können“, sagt Beckers.