INVESTOREN AUFGEPASST 15. Jul 2019 Peter Trechow Lesezeit: ca. 3 Minuten

Edelkraftstoffe aus dem Hightech-Container

Ineratec, ein Spin-off des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), entwickelt modulare Anlagen zur Kraftstoffproduktion. Sie verwandeln Bio- und Klärgase, kleine Erdgasvorkommen oder auch Begleitgase der Ölförderung zu synthetischem Flüssigkraftstoff. Das Team sucht aktuell Investoren mit Branchenerfahrung.

Team und Produkt: Philipp Engelkamp, Peter Pfeifer, Tim Boeltken und Paolo Piermartini (v.l.) präsentieren ihren Reaktor. Er wird neben allerlei Verfahrenstechnik in einem Container installiert. Dort verwandelt er u. a. Biogas in hochwertigen Flüssigkraftstoff.
Foto: Ineratec

Die Gasfackeln großer Ölfelder sind selbst aus dem All zu sehen. Weil es sich nicht lohnt, für die Begleitgase der Ölförderung Pipelines zu bauen oder sie durch Kühlung zu verflüssigen, bleiben sie ungenutzt. Gleiches gilt für kleine Erdgasvorkommen und Gase in tausenden Ölfeldern, deren Förderung eingestellt ist. Allein in Deutschland gibt es hundert solcher versiegter Quellen, in denen noch jede Menge Gas lagert. Und dann ist da noch das alte Sommerproblem bei der Verstromung von Bio- und Klärgas: wohin mit der Wärme, wenn kein Bedarf besteht?

All diese Probleme wollen die Gründer der Ineratec lösen. Das Spin-off des KIT entwickelt und fertigt modular aufgebaute Kleinanlagen, um methanhaltige Gase dezentral zu synthetischem Flüssigkraftstoff zu verarbeiten. Dafür bringt es Fischer-Tropsch-Reaktoren samt Entschweflung und Synthesegaserzeugung in 40-Fuß-Containern unter.

Bisher nutzen Mineralölkonzerne Fischer-Tropsch-Anlagen im Großformat, um über 100 000 Barrel Gas-to-Liquid-(GtL)-Kraftstoff pro Tag zu erzeugen. Die Gründer adressieren ein völlig anderes Marktsegment: „Unsere Anlagen verarbeiten je nach Auslegung und Grad der Auslastung zwischen ein Barrel und 50 Barrel pro Tag“, erklärt Tim Böltken.

Böltken hat die miniaturisierten Fischer-Tropsch-Reaktoren mit Paolo Piermartini und Peter Pfeifer, Gruppenleiter für Gas- und Multiphasen-Katalyse am KIT-Institut für Mikroverfahrenstechnik, entwickelt. Zur Vermarktung der Technik haben die drei Chemieingenieure den studierten Wirtschaftsingenieur Philipp Engelkamp an Bord geholt.

Das Team hat lange getüftelt, um die Reaktoren auf Container-Format zu skalieren. Es galt, reproduzierbare Fertigungsprozesse zu finden, um millimeterdünne Kanäle und Strukturen in Metalle zu fräsen und zu ätzen, diese zu verschweißen und dabei hohe Prozesseffizienz zu gewährleisten.

Dass es den Forschern gelungen ist, den Fischer-Tropsch-Prozess auf Kompaktformat zu bringen, eröffnet die Option der dezentralen Veredlung bisher nicht oder nicht rentabel nutzbarer Gase. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese aus fossilen oder aus erneuerbaren Quellen kommen. Wird statt Erdgas oder Begleitgas der Ölförderung Biomasse verarbeitet, spricht die Branche von BtL-Kraftstoff. Qualitätsunterschiede gibt es nach dem Fischer-Tropsch-Prozess nicht. GtL wie BtL sind wegen ihres hohen Energiegehalts, hoher Oktanzahlen und rußfreier Verbrennung begehrt und werden zur Veredelung fossiler Otto- und Dieselkraftstoffe sowie von Kerosin eingesetzt.

In Biogasanlagen können Ineratec-Container Blockheizkraftwerke ergänzen oder ersetzen. „Viele Biogasanlagen nähern sich dem zwanzigsten Betriebsjahr, in dem die EEG-Förderung wegfällt“, erklärt Engelkamp. Auch Betreiber neuer Anlagen suchen aufgrund gesunkener Fördersätze neue Wege. Eine Option: Nur dann Strom erzeugen, wenn es Abnehmer für die Wärme gibt und ansonsten Kraftstoff produzieren. „Unsere Anlagen werden schlüsselfertig geliefert und laufen vollautomatisch“, sagt Böltken. Die Unterbringung der gesamten Technik in einem Container erleichtere es zudem, die Einsatzorte zu wechseln.

Aktuell wird das Team im Programm Junge Innovatoren gefördert. Darin stellt das Land Baden-Württemberg zehn ausgewählten Neugründungen insgesamt 1,3 Mio. € jährlich sowie Coachings und kostenlose Nutzung von Hochschulinfrastruktur bereit. Gründer werden darin bis zu drei Jahre mit der Vergütung einer halben Stelle abgesichert. „Wir wollen die Zeit bis zum ersten Kundenprojekt nutzen, um den Produktionsstart vorzubereiten“, so Engelkamp. Zertifizierungen, Aufbau der Logistik und weiterführende Tests der Komponenten zählen ebenso dazu, wie der GmbH-Eintrag. „Gesellschaftsvertrag und Stammkapital liegen schon bereit“, sagt er.

Auch die Anlagentechnik ist laut Böltken reif für den Start. Das Team sucht aktuell einen Pilotkunden, mit dem es die erste Anlage in Betrieb nehmen will. Gespräche laufen. Sowohl in der Mineralölbranche als auch im Bereich erneuerbare Energien gebe es starkes Interesse. Zur Überbrückung der Zeit bis zum ersten Kundenprojekt wird Ineratec eine Zwischenfinanzierung von etwa einer halben Mio. € benötigen. „Wir suchen Business Angels, möglichst mit Netzwerk in der Mineralölwirtschaft oder Biogasbranche“, berichtet Böltken. In den nächsten Schritten schweben dem Team dann das Kundenprojekt und das anschließende Hochfahren ihrer Container-Produktion vor. „Das wird nur mit Venture Capital zu machen sein“, sagt Engelkamp.

Am Erfolg der Geschäftsidee hat das Team keine Zweifel. „Der Markt ist auf jeden Fall da. Schon jetzt rechnet sich der Business-Case. Wenn der Ölpreis wieder steigt, wird die Option zur Nutzung bisher unrentabler Gasvorkommen noch attraktiver“, ist Böltken überzeugt.

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