EU-Binnenmarkt bringt jedem Deutschen 1000 € pro Jahr
Der EU-Binnenmarkt ist der größte Wirtschaftsraum der Welt. Auf dem Papier soll er den freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr garantieren. Doch was bringt der Binnenmarkt den Europäern konkret? Eine Studie der Bertelsmann Stiftung hat untersucht, wie sich der EU-Binnenmarkt auf die Einkommen in Europas Regionen auswirkt.
Der EU-Binnenmarkt beschert den Europäern grundsätzlich ein Plus im Portemonnaie. Im Durchschnitt steigert er die Einkommen der EU-Bürger jährlich um rund 840 € pro Person. Für Deutschland beziffern sich die jährlichen Einkommenszuwächse pro Person auf 1046 €. Zürich und London zählen zu den Regionen, in denen die Einwohner mit über 2000 € Einkommensgewinnen europaweit am stärksten profitieren. Damit sind einige der größten Gewinner des Binnenmarktes aktuell in Ländern zu Hause, die momentan kein EU-Mitglied sind oder zukünftig die Gemeinschaft und damit auch den Binnenmarkt verlassen könnten. Das sind die Ergebnisse einer umfassenden Analyse der Bertelsmann Stiftung, für die die Autoren über 250 Regionen in Europa bezüglich der Einkommensgewinne durch den Binnenmarkt untersucht haben.
„Der EU-Binnenmarkt ist einer der größten Treiber für unseren Wohlstand und wirkt ähnlich wie die Marktwirtschaft: Nicht jeder profitiert gleichermaßen, aber alle gewinnen“, kommentiert Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, die Ergebnisse.
Deutschland: Exportstarke Regionen profitieren, ostdeutsche Bundesländer hinken hinterher
Zusammengerechnet erzielt Deutschland mit insgesamt 86 Mrd. € pro Jahr die höchsten Einkommensgewinne im europäischen Ländervergleich. Dabei gilt: Regionen mit starker Industrie und hoher Exportorientierung gehören zu den größten Gewinnern. Pro Kopf und Jahr zeigt die Studie die größten Einkommensgewinne für Bürger im Regierungsbezirk Oberbayern (1489 €) gefolgt von Hamburg (1478 €) und dem Regierungsbezirk Stuttgart (1304 €). Auf Bundesländerebene erzielen Nordrhein-Westfalen (18,6 Mrd. €), Bayern (15,3 Mrd. €) und Baden-Württemberg (13,1 Mrd. €) die größten zusammengerechneten Einkommensgewinne.
„Je stärker Industrie und Exportbranchen in einer Region verankert sind, desto höher sind in der Regel auch die Einkommensgewinne durch den Binnenmarkt“, erklärt Dominic Ponattu, Mitautor der Studie. „Auch Regionen mit starkem Mittelstand und Zuliefererbetrieben, die viel in die EU exportieren, sind Gewinner“, so Ponattu. Das zeigt sich spiegelbildlich auch an den Regionen mit den geringsten Zuwächsen. Dort ist die Zahl exportstarker Unternehmen, die vom europäischen Handel profitieren, geringer. Dadurch bleiben auch die Pro-Kopf-Gewinne in der Bevölkerung hinter denen anderer Regionen zurück. Dazu gehören mit Brandenburg (672 € pro Kopf und Jahr), Sachsen-Anhalt (692 €) und Mecklenburg-Vorpommern (700 €) vor allem ostdeutsche Bundesländer.
Großbritannien: Süden profitiert stärker als Norden
In Großbritannien haben interessanterweise einige der Regionen, die am stärksten vom Binnenmarkt profitieren, für den Brexit gestimmt. Dazu gehört etwa die südenglische Region Kent, in der die Einkommensgewinne durch den Binnenmarkt mit 2,2 % im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung am höchsten sind. Gleichzeitig ist das Gefälle zwischen den Regionen der britischen Insel besonders hoch. Im Süden profitieren viele Regionen stark vom Binnenmarkt, etwa London (2700 € pro Kopf) und der Großraum Oxford (985 €). Im Norden hingegen liegen die Einkommensgewinne durch den Binnenmarkt mit rund 550 € pro Kopf deutlich unter dem Landesdurchschnitt. „Ein vollständiger Austritt der Briten aus dem Binnenmarkt würde neben dem Großraum London vor allem industrie- und innovationsstarke Regionen im Süden des Landes hart treffen“, sagt Dominic Ponattu.