Girocard ist nicht kindersicher
Banken wollen ihre Kunden möglichst früh an sich binden. So bieten sie seit einiger Zeit Girokonten für ABC-Schützen an. In die Miesen sollen die Kinder beim bargeldlosen Bezahlen nicht rutschen können. Ein Einkauf beim Supermarkt beweist das Gegenteil.
Um den Nachwuchs an den bargeldlosen Zahlungsverkehr zu gewöhnen, bieten viele Banken und Sparkassen Taschengeld-Girokonten an. Bei einigen Instituten können so schon Siebenjährige über ihr Taschengeld per Konto mit Girocard verfügen. Die oft kostenlosen Konten laufen auf Guthabenbasis – Überziehungen schließen die Geschäftsbedingungen aus. Doch ein „Konto ohne Schulden“ sind sie nicht, wie die Praxis zeigt. Als die 14-jährige Selly im Sommer bei Rewe für 7,17 € einkauft, zückt sie an der Kasse ihre Girocard und unterschreibt den ihr vorgelegten Lastschriftauftrag. Als Rewe den Betrag bei der Sparkasse einziehen will, platzt die Lastschrift – das Konto ist nicht ausreichend gedeckt.
Rewe mache in der Behandlung von Rücklastschriften keinen Unterschied zwischen normalen Konten und Guthabenkonten, sagt Rewe-Pressereferent Thomas Bonrath. Komme es zu einer Rücklastschrift, gelte: „Erster Schritt: zweiter Einzug. Zweiter Schritt: Bankanfrage und dritter Schritt: Mahnverfahren“, so Bonrath.
Doch von der fehlenden Kontodeckung erfahren Selly und ihre Eltern erst zwei Monate später – durch die Mahnung. Da fordert Rewe inklusive der Gebühren für Rücklastschrift, Adressauskünfte, Bearbeitung und Mahnung bereits 34,78 €. Diese Gebühren sind beim Handel durchaus üblich, so eine Studie des vom Handel getragenen EHI Retail Institutes.
Hätte Rewe das Electronic Cash-Verfahren eingesetzt, wäre die Taschengeldlücke direkt aufgefallen. Dafür hätte Selly am POS-Terminal ihre PIN eingeben müssen. Doch dieses Verfahren ist für den Handel teurer als das SEPA-Lastschriftverfahren.
Laut EHI Retail Institut nutzen 77,8 % der großen und 55,2 % der mittelständischen Handelsunternehmen das SEPA-Verfahren. 52,3 Mrd. € Handelsumsatz werden so bezahlt – also knapp jeder siebte Handelseuro. Die Händler verkaufen diese Forderungen meist an Inkassofirmen. Größere Händler zahlen dafür zwischen 0,105 % bis 0,26 % der abgetretenen Zahlungen. Electronic Cash kostet den Handel dagegen durchschnittlich „etwas weniger als 0,25 %“. Ab Dezember dürfen die Banken nur noch maximal 0,2 % des Händlerumsatzes verlangen – hinzu kommen Gebühren für den technischen Dienstleister.
Doch der Händler läuft beim Lastschriftverfahren mit Minderjährigen Gefahr, auf seiner Rechnung sitzen zu bleiben. „Kaufverträge mit Minderjährigen bedürfen in der Regel der elterlichen Zustimmung. Zwar sind nach dem sogenannten Taschengeldparagraf § 110 BGB Geschäfte Minderjähriger unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Zustimmung der Eltern wirksam, doch verlangt der Gesetzgeber, dass der Minderjährige seine Leistung „bewirkt“ haben muss, – sprich den Kaufpreis bezahlt hat – damit der Vertrag wirksam ist“, sagt Christian Urban von der Verbraucherzentrale NRW.
„Für die Lastschrift bedeutet das, dass der Taschengeldparagraf erst anwendbar ist, wenn der Betrag beim Händler gutgeschrieben ist. Im Falle einer „geplatzten“ Lastschrift ist der Kaufvertrag also unwirksam, wenn die Eltern nicht vorher oder im Anschluss zugestimmt haben. Ein Bewirken scheidet aus, da der Händler das Geld ja nicht erhalten hat,“ so der Jurist weiter. Sei der Kaufvertrag unwirksam, dürfe der Händler auch keine Inkassokosten verlangen. Der Verkäufer hat lediglich ein Anspruch auf Herausgabe der Ware, weiß auch Ulrich Binnebößel vom Handelsverband Deutschland (HDE).
Eine Lösung gibt es bisher nicht: Vertreter des Handels raten Eltern von den Karten auf Guthabenbasis für den Nachwuchs ab; Bankenvertreter dagegen von Händlern, die nur das Lastschriftverfahren verwenden. Eine Liste, welche Händler welches Verfahren wie nutzen, gibt es aber nicht. Die Girocard lässt sich nicht für das Lastschriftverfahren sperren. Übrigens: Rewe hat nach einem Telefonat nur noch auf der Erstattung des Kaufbetrags bestanden.