ZAHLUNGSUNFÄHIG 10. Mai 2018 Sabine Philipp Lesezeit: ca. 3 Minuten

Insolvenzen erkennen und abwehren

Oft kündigt sich die Krise lange vorher an. Wenige Kennzahlen zeigen, ob akuter Handlungsbedarf besteht.

Wer den Bankrott nicht früh genug bemerkt, macht sich strafbar.
Foto: panthermedia.net/Pakhnyushchyy

Das Bauchgefühl verheißt schon lange nichts Gutes. Meist vergeht aber wertvolle Zeit, bis gehandelt wird. Als zahlungsunfähig gilt, wer mehr als 10 % der fälligen Verbindlichkeiten nicht begleichen kann. Basis dieser Liquiditätsrechnung sind die Zahlungseingänge- und -ausgänge der folgenden drei Wochen.

„Der Geschäftsführer einer GmbH ist – sofern nicht konkrete Aussicht auf kurzfristige Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit besteht – ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, Insolvenzantrag zu stellen“, sagt Diederik Sutorius, Chef des D&O-Versicherers VOV. Tut er dies nicht, haftet er persönlich für alle Zahlungen, die er nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit leistet. „Der Insolvenzverwalter erstellt eine sogenannte retrograde Liquiditätsbetrachtung. Bei dieser Form der Ermittlung kann er teilweise bis zur Stunde genau den Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit festhalten“, ergänzt Hans Haarmeyer vom Deutschen Institut für angewandtes Insolvenzrecht (DIAI). „Das Geld für die danach getätigten Zahlungen“, so warnt der Richter a. D., „holt er sich vom Geschäftsführer oder von den Zahlungsempfängern zurück.“

Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Der Geschäftsführer muss die finanzielle Situation stets im Blick haben. Allzu oft herrscht aber Unwissenheit. „Eigentlich müssten sich die Geschäftsführer nur wenige Kennzahlen alle zwei bis vier Wochen vorlegen lassen, um im Bilde zu sein“, so Haarmeyer. Dabei handelt es sich um die Liquidität 1., 2. und 3. Grades und ergänzend die Eigenkapitalrendite und den Return on Investment.

Bei der Liquidität 1. Grades werden die liquiden Mittel durch die Verbindlichkeiten geteilt und mit 100 multipliziert. Der Wert sollte nicht unter 20 % liegen. Bei der Liquidität 2. Grades wird das Ganze mit dem kurzfristigen Umlaufvermögen plus den kurzfristigen Forderungen und den kurzfristigen Verbindlichkeiten durchgespielt, wobei hier der Wert über 100 % liegen sollte. Bei der Liquidität 3. Grades werden noch die Vorräte zu den Werten oberhalb des Bruchstrichs addiert. Hier sollte ein guter Wert oberhalb von 200 % liegen. Die Eigenkapitalrendite bzw. der Zinsertrag des Eigenkapitals wird berechnet, indem der Gewinn durch das Eigenkapital geteilt und mit 100 multipliziert wird. Je höher der Wert liegt, desto besser. Der Return on Investment schließlich besagt, ob Einsatz und Einnahmen in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis stehen. „Zusammen können diese wenigen Kennzahlen helfen, Insolvenzen zu vermeiden und Krisen frühzeitig zu erkennen“, sagt Haarmeyer. Darüber hinaus empfiehlt er, die Umsätze der letzten zwei bis drei Jahre in Korrelation zum laufenden Umsatz hochzurechnen, um zu sehen, wo man am Ende des Jahres stehen wird.

„Teure Buchhaltungsprogramme, wie sie Firmen ab 500 Mitarbeitern nutzen, können diese Kennzahlen automatisch generieren. KMU, die Datev-Software nutzen, können diese Zahlen aber ebenfalls hinterlegen, und sich per App informieren lassen, sobald bestimmte Werte erreicht wurden“, rät der Insolvenzrechtsexperte. Alternativ könne man den Steuerberater mit der Datenübermittlung beauftragen.

Wenn es eng wird, rät Haarmeyer als erstes mit den Gläubigern zu sprechen. Die Bereitschaft zu Stundungen und Abschlagszahlungen ist seiner Erfahrung nach sehr hoch. „Wenn das Unternehmen vom Markt verschwindet und zerschlagen werden muss, erleiden sie meist höhere Verluste.“ Matthias Wolgast von der Kanzlei Cornelius + Krage stellt in einem solchen Fall die drohenden Verluste der Gläubiger bei einem Vergleich und bei einer Insolvenz gegenüber. Wolgast ist Insolvenzverwalter und berät auch Unternehmen, die sich in einer akuten Krise oder kurz davor befinden. Beauftragt wird er als Berater von den Unternehmen selbst, manchmal aber auch von den Gläubigern. Wolgast und seine Kollegen analysieren zunächst die Unternehmensdaten sowie das Konkurrenzumfeld. „Wenn das Unternehmen nur eine Liquiditätskrise durchläuft, ansonsten aber gut dasteht, entwickeln wir Lösungskonzepte und unterstützen bei den Verhandlungen mit den Gläubigern“, so der Anwalt. Woran erkennt man aber einen seriösen Berater? „Indem er nichts verspricht, ganz viele Fragen stellt, eine transparente Kostenkalkulation aufweist und seine Arbeitsweise erklärt. Wenn jemand mit einer fertigen Lösung ankommt, ohne das Unternehmen im Detail zu kennen, sollte man vorsichtig sein.“ Frei nach dem Psychologen Abraham Maslow: If all you have is a hammer, everything looks like a nail. cb

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