Konjunkturentwicklung: Boom wahrscheinlicher als Rezession
Trotz zuletzt schwächerer Auftragseingänge aus dem Ausland geht der Aufschwung der deutschen Wirtschaft weiter. Die Aussichten haben sich in den vergangenen Wochen sogar weiter aufgeheitert, signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.
Das Risiko, dass Deutschland in den kommenden drei Monaten in eine Rezession gerät, ist spürbar gesunken. Für den Zeitraum von September bis Ende November weist das IMK-Wachstumsradar, das die aktuellsten verfügbaren Daten über die Wirtschaftslage bündelt, eine mittlere Rezessionswahrscheinlichkeit von 5,5 % aus. Im August hatte das Risiko noch 14,2 % betragen. Weitaus höher ist im Vergleich die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft bis Ende November in eine Boomphase eintritt. Sie liegt bei nunmehr 43,5 % nach 28,7 % im August. Der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator zeigt damit „grün-gelb“. Das steht noch nicht für eine Hochkonjunktur, aber für eine Phase mit fortgesetzt solidem Wachstum.
„Der Aufschwung unterstreicht erneut seine Qualitäten als Dauerläufer“, sagt Gustav A. Horn, wissenschaftlicher Direktor des IMK. „Egal ob Schwächephasen in Schwellenländern drohten oder protektionistische Provokationen des US-Präsidenten – bisher hat die konjunkturelle Entwicklung allen Gegenwinden getrotzt. Das zeigt erneut, dass ein balanciertes Wachstum mit starker Binnennachfrage weitaus nachhaltiger ist als ein Modell, das ganz überwiegend am Export hängt.“
Erklärungsansätze für positive IMK-Prognose
Den kräftigen Rückgang bei der Rezessionswahrscheinlichkeit erklären die IMK-Ökonomen mit der Trendwende beim ifo-Geschäftsklimaindex, der nach einem mehrmonatigen Rückgang zuletzt deutlich angestiegen ist. Hinzu kommt das weiterhin sehr günstige Finanzierungsumfeld für deutsche Unternehmen. Die positiven Entwicklungen fallen nach dem umfangreich geprüften Algorithmus des Indikators stärker ins Gewicht als die etwas schwächere Entwicklung bei den Auslandsaufträgen. „Die Exporteure haben ein solides Nachfragepolster, da ist das vorläufig kein Grund zur Sorge“, erklärt IMK-Konjunkturexperte Peter Hohlfeld.
Angesichts des positiven Trends des Indikators bekräftigt das IMK seine aktuelle Konjunkturprognose. Die Düsseldorfer gehen von einem anhaltenden moderaten Aufschwung aus, der im Kern von der Binnenwirtschaft getragen wird. Die weiterhin gute Beschäftigungsentwicklung und spürbar steigende Löhne sind wichtige Faktoren dafür, so das IMK.
In den IMK-Konjunkturindikator fließen zahlreiche Daten aus der Real- und der Finanzwirtschaft ein. Darüber hinaus berücksichtigt das Instrument Stimmungsindikatoren. Das IMK nutzt die Industrieproduktion als Referenzwert für eine Rezession, weil diese rascher auf einen Nachfrageeinbruch reagiert als das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Neu ist, dass der Indikator nicht nur die Wahrscheinlichkeit wirtschaftlicher Turbulenzen ausweist, sondern auch die Wahrscheinlichkeit eines Wirtschaftsbooms. Der IMK-Konjunkturindikator wird monatlich aktualisiert.
Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist etwas weniger optimistisch
Ein etwas anderes Bild zeichnet unterdessen die Konjunkturprognose des Institut der deutschen Wirtschaft (IW). In einer Pressemitteilung von gestern heißt es: „In diesem Jahr steigt das Bruttoinlandsprodukt nur um 1,8 %, das sind 0,2 Prozentpunkte weniger als noch im Frühjahr prognostiziert. Das liegt vor allem am Protektionismus, der weltweit seine Spuren hinterlässt. Vor allem die „America first“-Politik von US-Präsident Donald Trump sowie der Handelskonflikt mit China wirken sich auf den globalen Handel und die Wirtschaft hierzulande spürbar aus.“
Allerdings dämpft laut IW nicht nur Trump die Konjunktur. „Auch steigende Energiepreise bremsen die Wirtschaft: Vor allem produzierende Unternehmen leiden unter den Mehrkosten. Zudem ist das Wachstum in vielen Schwellenländern, die sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt haben, spürbar zurückgegangen – auch das bremst die Exporte und gleichzeitig die Investitionen in Deutschland.“
Doch es gibt nach Auskunft der Kölner Forscher auch gute Nachrichten: „Privater und öffentlicher Konsum sind anhaltend robust und sorgen dafür, dass die Wirtschaft zukünftig nicht stagniert. Auch auf dem Arbeitsmarkt sieht es gut aus: Die Beschäftigung steigt weiter und die Arbeitslosenquote sinkt 2019 im Jahresdurchschnitt auf rund 5 %.“
Kritischer Faktor USA-China
Trotzdem werde der Machtkampf zwischen den USA und China auch im kommenden Jahr hierzulande spürbar sein. Für 2019 rechnet das IW deshalb nur noch mit einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts von 1,4 %. „Die USA und China gehören zu den wichtigsten Handelspartnern Deutschlands“, sagt IW-Direktor Michael Hüther. Ein Land, dessen Erfolg in hohem Maße vom Export abhänge, spüre deshalb die Auswirkungen von Handelssanktionen besonders deutlich. „Gleichzeitig lebt das deutsche Wachstum stark von der Entwicklung der Schwellenländer“, sagt Hüther. Wenn China nun langsamer wachse, also statt den offiziellen rund 7% nur ein Wachstum von 6,5 % verzeichne, dämpfe das ebenfalls die deutsche Wirtschaft.