Vorsicht bei Indexpolicen
Weil Versicherer Rentenpolicen mit Garantiezins jetzt mit Eigenkapital unterlegen müssen, preisen sie unter dem Slogan „Neue Klassik“ auch spekulative Produkte an. Verbraucherschützer warnen davor.
Kehrt marsch! So lautet die Devise in der Assekuranz. Mittlerweile wenden sich rund 20 Anbieter ganz oder teilweise von traditionellen Rentenversicherungen mit Garantieverzinsung ab und der „Neuen Klassik“ zu. Hier gibt es für die Versicherten zwar mehr Risiken, im Gegenzug aber die Chance auf eine höhere Ablaufleistung.
Vielen Kunden gefällt dieser Deal offenbar – oder sie wissen nicht, was sie da gekauft haben. Im Neugeschäft entfielen im vergangenen Jahr rund 37 % der Abschlüsse auf die neuen Produkte, nach 31 % im Jahr 2014. Der Branchenverband GDV freut sich bereits über ein „zweites Standbein“ neben den althergebrachten Produkten.
Die klassische Police, sie steht für 63 % des Neugeschäfts, bietet einen Höchstrechnungszins (Garantiezins) von 1,25 %. Zum Jahreswechsel fällt der Satz für Neuverträge auf 0,9 %.
Oben drauf kommt die Überschussbeteiligung, die die Anbieter jeweils zum Jahresende öffentlich verkünden. Dadurch erhalten die Kunden einen unwiderruflichen Anspruch auch auf dieses Geld.
Die Höhe der Überschüsse hängt primär vom Anlageerfolg des Versicherers am Markt für festverzinsliche Wertpapiere ab. Der Versicherer muss die Kunden per Gesetz an seinen Kapitalerträgen beteiligen. Wie hoch der Anteil ausfällt, entscheidet der Vorstand jedes Jahr neu. Endet die Versicherungspolice regulär, fließt noch ein Schlussüberschuss an den Kunden.
So weit das Prinzip einer klassischen Police. Jahrzehntelang haben Millionen von Sparern das Produkt gekauft. Jetzt kühlt die Liebe ab. Schuld ist das Dauerzinstief am Anleihemarkt, in dessen Folge auch der Garantiezins wie Schnee in der Sonne geschmolzen ist. Zudem trommeln die Versicherer kräftig für die „Neue Klassik“ als Alternative.
Die neuen Produkte dürften viele ihrer Käufer aber enttäuschen. Dies gilt vor allem für indexgebundene Rentenversicherungen, auch Indexpolicen genannt. Aktuell preisen zum Beispiel Allianz, Axa, HDI, Stuttgarter und Volkswohl Bund ihre Kreationen an. Ihre Produkte heißen Allianz PrivatRente IndexSelect, Relax Rente Classic, TwoTrust Selekt, FlexRente index-safe und Klassik modern.
Die Botschaft aller Anbieter lautet: Die Garantieverzinsung sinkt zwar, dafür erhalten die Sparer aber die Chance auf höhere Erträge am Kapitalmarkt. Das Problem: Jeder Tarif wird anders kalkuliert, was einen Vergleich für Profis zur Herausforderung und für Kunden unmöglich macht.
Indexpolicen garantieren die Rückzahlung des eingezahlten Kapitals am Ende der Laufzeit
Auch wenn die Policen „im Detail sehr unterschiedlich konzipiert sind“, wie die Kölner Ratingagentur Assekurata bemerkt, ist ihr Prinzip identisch: Indexpolicen garantieren den Kunden die Rückzahlung ihres eingezahlten Kapitals am Ende der Laufzeit. Zudem eröffnen sie die Chancen auf Teilhabe an der Wertentwicklung eines Index wie des Dax.
Einmal im Jahr entscheidet sich der einzelne Kunde, ob er die diesjährige Überschussbeteiligung auf seinem Konto gutgeschrieben haben möchte oder mit dem Geld an der Börse spekulieren möchte.
„Spekulieren“ ist genau das richtige Wort. Die Chance auf eine gute Rendite (und damit Rente) kommt aus der Anlage der jährlichen Überschussanteile in sogenannte Cliquet-Optionen. Mit diesen wird die Wertentwicklung eines Index zu bestimmten Zeitpunkten und unter Berücksichtigung von Ober- und Untergrenzen ermittelt.
Die Optionen schließt der Versicherer mit Investmentbanken ab. Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten (BdV) findet dazu deutliche Worte: „Indexpolicen bergen hohe Risiken auf Verlust der Überschussbeteiligung und sind ungeeignet für eine verlässliche Altersvorsorge.“
Auch von der garantierten Rückzahlung der Beiträge – im Versichererjargon „Bruttobeitragsgarantie“ genannt – sollten sich Kunden nicht blenden lassen. Denn jahrelanges Einzahlen ohne Verzinsung, dafür aber abzüglich der Inflationsrate ist ein Verlustgeschäft.
Falls der Kunde dann noch die Überschüsse durch die Wahl der Indexpartizipation verzockt, ist die Enttäuschung groß – es sei denn, er hat das Produkt von Anfang an durchschaut und ist bewusst ins Risiko gegangen.
Oft begrenzen die Policen die positiven monatlichen Wertentwicklungen ihres Index – während negative Monate voll angerechnet werden. Assekurata hat einige Produkte mit einem solchen Renditedeckel untersucht. Meist liegt dieser bei 3 %. Steigt der Dax zum Beispiel im August um 6 %, fließen nur 3 % in die Rechnung ein. Für die Altersvorsorge sind Produkte mit derart „innovativem Kapitalanlagemechanismus“ (Assekurata) nicht geeignet.
Warum bringen die Versicherer sie dennoch auf den Markt? Ein Grund ist die Regulierung. Seit Anfang 2016 ist das europäische Regelwerk Solvency II vollständig in Kraft. Es sieht vor, dass Versicherer Zinsgarantien mit Eigenkapital unterlegen müssen. Im Klartext: Sie sind gezwungen, auch mit eigenem Geld für ihre Versprechen zu haften.
Produkte mit reduzierten Garantien sind deshalb willkommen. Sie entlasten die Anbieter bei der Erfüllung regulatorischer Vorgaben. Im Gegenzug können sie mehr Gewinn an ihre Eigentümer ausschütten.