FINANZIERUNG 10. Jul 2019 Monika Lier Lesezeit: ca. 3 Minuten

Wenn der Insolvenzverwalter zur Kasse bittet

Mit rund 12 100 Insolvenzfällen war das ersten Halbjahr 2014 vergleichsweise ruhig. Das Risiko von Folgeinsolvenzen ist aber gestiegen. Gestützt auf höchstrichterliche Rechtsprechung können Insolvenzverwalter alte Geschäftspartner nun länger zur Kasse bitten. Versicherungen bieten Schutz.


Foto: panthermedia.net/Randolf Berold

Geht ein Unternehmen in die Insolvenz, fechten die Insolvenzverwalter regelmäßig möglichst viele Rechtsgeschäfte an, um eine Benachteiligung der Gläubiger zu verhindern und die Insolvenzmasse zu vergrößern. „Dieses Rechtsinstitut ist üblich und in der Praxis für den Zeitraum der letzten drei Monate vor der Insolvenz gang und gäbe. Nun aber erleben wir immer öfter Fälle, in denen die Insolvenzverwalter Geschäftsbeziehungen der letzten zehn Jahre aufrollen“, sagt Jonas Müller, Head of Product Development beim Kreditversicherer Euler Hermes. Möglich wird dies durch verschiedene Urteile des Bundesgerichtshofes. Durch diese ist es für die Insolvenzverwalter einfacher geworden, bereits erhaltene Zahlungen bis zu zehn Jahre rückwirkend nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 Insolvenzordnung (InsO) anzufechten. „Und dies auch dann, wenn ordnungsgemäß geliefert und bezahlt wurde“, so Müller weiter.

Bayer 04 Leverkusen dürfte das wahrscheinlich jüngste und bekannteste Opfer einer solchen Inanspruchnahme durch einen Insolvenzverwalter sein. Der Verein wurde zur Rückzahlung von 15,9 Mio. € (plus Zinsen) an ihren insolventen Ex-Trikotsponsor Teldafax verurteilt. Das Landgericht Köln gab Teldafax-Insolvenzverwalter Biner Bähr Recht. Teldafax sei bereits zahlungsunfähig gewesen, als die Sponsorengelder geflossen seien. Für die Richter steht fest, dass den Verantwortlichen von Bayer Leverkusen dies spätestens seit Oktober 2009 bekannt gewesen sein müsste.

Nicht anfechtbar sind Bargeschäfte. Steht den Zahlungen eine gleichwertige Leistung gegenüber und ist der Gläubiger gutgläubig – sprich: weiß der Lieferant von der drohenden Insolvenz nichts –, war die Zahlung rechtens. Dies nachzuweisen, dürfte vielen Firmen schwerfallen. Denn bereits Stundungen oder Zahlungspläne, die im Geschäftsleben nicht ungewöhnlich sind, könnten vor Gericht im Nachhinein als Anzeichen und Vorboten der Insolvenz gewertet werden. Viele Unternehmen, teilweise sogar ganze Branchen laufen über Jahre hinweg in einer Art Dauerkrisenmodus.

„Seit Jahren bezahlte Rechnungen werden so wieder zu offenen Forderungen“, weiß Experte Müller. „Wer als Lieferant eine Warenkreditversicherung abgeschlossen hat, ist zwar nun auch für diese wieder offenen Summen versichert, doch meiner Erfahrung nach übersteigen diese oft die mit dem Versicherern vereinbarten Kreditlimite.“ Schließlich handelte es sich meist um die Ergebnisse jahrelanger Geschäftsbeziehungen. Beträge jenseits der Limite wären also ungedeckt. „Liefert ein mittelständischer Betrieb beispielsweise über einen Zeitraum von zehn Jahren Waren im Wert von jährlich 150 000 € an einen Abnehmer, wird das mit dem Warenkreditversicherer vereinbarte Kreditlimit von 200 000 € nie überschritten“, erklärt Müller.

Gerate dieser Abnehmer nun in die Insolvenz. Verlange der Insolvenzverwalter die bereits bezahlten Forderungen der letzten vier Jahre mit der Begründung zurück, dass es in dieser Zeit immer wieder Stundungen und Zahlungspläne gegeben habe und ein möglicher Zahlungsausfall für den Lieferanten erkennbar gewesen sei. Von den Rückforderungen von 600 000 € wären bis zum vereinbarten Kreditlimit 200 000 € gedeckt.

„Auf den Verlusten der verbleibenden 400 000 € bleibt das Unternehmen hingegen sitzen – es sei denn, es hätte sich mit einer Anfechtungsversicherung dagegen abgesichert“, sagt Müller. Seit September bietet Euler Hermes für dieses Restrisiko eine „Anfechtungspolice“. Auch der Kreditversicherer Atradius sowie die Kiln-Gruppe haben inzwischen einen Langzeitschutz gegen Schäden aus einer Insolvenzanfechtung entwickelt.

Bei Euler Hermes und Atradius handelt es sich um kostenpflichtige Zusätze zu einer Warenkreditversicherung. Euler Hermes deckt in fünf frei wählbaren Varianten Versicherungssummen von 250 000 € bis zu maximal 2,5 Mio. €; Atradius versichert Summen zwischen 300 000 € und bis zu 3 Mio. €. Geschützt sind damit alle Anfechtungen aus den Geschäften der letzten zehn Jahre ohne Wartezeit; das heißt, ab dem Moment des Versicherungsabschlusses gibt es den Schutz – es sei denn, das Insolvenzverfahren über das Vermögen bestimmter Abnehmer wurde schon eröffnet. Neue Kunden der Warenkreditversicherung erhalten bei Euler Hermes und Atradius einen rückwärtigen Schutz in der Anfechtungspolice für drei Jahre. Bei Euler Hermes betragen die Versicherungsprämien zwischen 1 % und 2 % der Versicherungssumme pro Jahr. Bei Atradius bewegen sich die Preise in einer Spanne von 4500 € bei der Minimaldeckung bis zu 39 500 € für die Maximaldeckung.

Kiln versichert potenzielle Kunden auch ohne den Abschluss einer Warenkreditversicherung. Dies wirke sich allerdings auf die Prämie aus, wird mitgeteilt. Die angebotenen Versicherungssummen richteten sich zum einen nach dem Kundenwunsch und zum anderen nach den Außenständen bzw. Umsatz. Feste Limite oder Staffelungen schreibe man nicht vor. Die Prämien werden nicht nach einem Tarif berechnet, sondern individuell risikoadäquat.

EXPERTEN EMPFEHLEN EINE GANZ GENAUE PRÜFUNG DER ANFECHTUNGEN

Auch bei Coface arbeitet man an einer sinnvollen Lösung für die Anfechtungsthematik. Coface sieht zwar die Notwendigkeit aufgrund der aktuellen Marktnachfrage, aber weniger wegen bestehender Deckungslücken für die Kunden. „De facto beinhalten alle unsere Kreditversicherungen bereits einen Basisschutz auch bei Anfechtungen“, sagt Presssprecher Erich Hieronimus. „Unsere Erfahrung zeigt zudem, dass es kaum Fälle gibt, die nicht innerhalb der bestehenden Versicherungssummen hätten entschädigt werden können.“ Hinzu komme, dass am Markt Produkte angeboten würden, die trotz teilweise hoher Prämien nur scheinbar Sicherheit böten. „Bei Umständen, die den Ausschluss der Primärversicherung zur Folge hätten, ist auch die Anfechtungsabsicherung ausgeschlossen. Wir empfehlen unseren Kunden daher vor allem die genaue Prüfung der Anfechtungen sowie eine gute Rechtsberatung zur eventuellen Abwehr ungerechtfertigter Anfechtungen.“

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