VERSICHERUNG 11. Sep 2015 Monika Lier Lesezeit: ca. 3 Minuten

Zwischen Krankentagegeld und Berufsunfähigkeit

Langwierige Erkrankungen erfordern nicht nur Geduld, sondern auch ein finanzielles Polster. Solche Lebenslagen lassen sich privat versichern – mit einer Arbeitsunfähigkeitsklausel in der Berufsunfähigkeitsversicherung.

Wer krank ist, will sich nicht auch noch Sorgen um sein Auskommen machen. Eine genaue Prüfung der eigenen Policen kann das verhindern.
Foto: PantherMedia/Arne Trautmann

Nur rund ein Dutzend Berufsunfähigkeitsversicherer schützen ihre Versicherten auch bei einer Arbeitsunfähigkeit (AU). Die sogenannte AU-Klausel soll den Versicherten bei einer langwierigen Erkrankung finanziell absichern und davor bewahren, durch das Netz der verschiedenen Bedingungen von privaten Kranken- und Lebensversicherern zu fallen. Denn auch wenn der Krankenversicherer das Krankentagegeld mit der Begründung einer Berufsunfähigkeit (BU) einstellt, heißt dies noch lange nicht, dass der Erkrankte Geld aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung erhält.

„Den Anspruch auf ein privates Krankentagegeld verliert der Erkrankte, wenn für seinen privaten Krankenversicherer keine 100-prozentige Arbeitsunfähigkeit mehr vorliegt oder wenn ein Dritter wie ein privater BU-Versicherer, eine Versorgungskasse oder ein gesetzlicher Sozialversicherungsträger eine Berufsunfähigkeit bestätigen“, erklärt Versicherungsmakler Bert Heidekamp. Nicht selten verlange der Krankenversicherer bereits nach vier Monaten eine vertrauensärztliche Untersuchung, wenn die Krankheit als schwerer eingestuft werde und die Dauer der Genesung nicht absehbar sei. Die Einschätzung dieser Vertragsärzte, dass der Betreffende nicht voll arbeitsunfähig oder sogar berufsunfähig ist, sei für den Lebensversicherer, bei dem sich der Erkrankte gegen eine Berufsunfähigkeit versichert habe, aber nicht bindend, so der Experte der Berliner Kanzlei für Versicherungs- und Investmentfondsvermittlung, der als fairtest.de unter anderem auch Versicherungsbedingungen wie die AU-Klausel analysiert und bewertet (Tabelle).

Wer sein Krankentagegeld und die finanziellen Folgen einer Berufsunfähigkeit innerhalb der gleichen Firmengruppe versichert, schließt zwar in der Regel die Definitionslücke von BU, bringt sich aber möglicherweise um Leistungen. „Denn in der Regel ist das Krankentagegeld höher als die versicherte BU-Rente. Verwaltet ein Konzern beide Verträge, liegt der Gedanke nahe, dass er aus kaufmännischer Sicht die BU früher bestätigt“, meint Heidekamp. Da das Tagegeld aber in der Regel eine unbegrenzte Leistung ist, sei es für den Erkrankten günstiger, möglichst lange Tagegeld statt einer BU-Rente zu beziehen.

Die Arbeitsunfähigkeit unterscheidet sich von der Berufsunfähigkeit dadurch, dass erwartet wird, dass der Erkrankte auf absehbare Zeit wieder seiner Arbeit nachkommen kann. Versicherungsbedingungen wie auch die Rechtssprechung definieren diesen „absehbaren Zeitraum“ meist als sechs Monate.

Für die Arbeitsunfähigkeit reicht die Krankschreibung. Für BU-Leistungen muss der Versicherte hingegen nachweisen, dass er krankheits- oder unfallbedingt seinen Beruf zu mindestens 50 % nicht mehr ausüben kann. „Eventuelle finanzielle Lücken, die aufgrund von Rechtsauseinandersetzungen auch über Jahre andauern können, werden mit der AU-Klausel überbrückt. Das schafft Existenzsicherheit; denn nach 84 Wochen haben gesetzlich Krankenversicherte keinen Anspruch mehr auf Krankengeld der Krankenkasse, sondern je nach persönlicher Situation nur noch auf Sozialhilfe“, so Heidekamp.

Von den elf BU-Versicherern, die Neuverträge verkaufen (Anbieter Asstel wurde in Gothaer integriert) bieten einer Übersicht des Analysehauses Franke und Bornberg zufolge nur Allianz, Condor, Generali, Gothaer, Nürnberger und die Zurich die AU-Klausel obligatorisch in der BU an. Bei den Anbietern Alte Leipziger, VKB, Continentale, LV 1871 und Volkswohl Bund kann dieser Schutz über einen Zusatzbaustein eingekauft werden. Ist eine Arbeitsunfähigkeit eingetreten, leisten alle Anbieter – mit Ausnahme der Nürnberger, die laut Franke und Bornberg nur 30 % zahlt – die komplette Rente, die für eine BU vereinbart worden ist. Als arbeitsunfähig gilt, wer hier schon mindestens sechs Monate krankgeschrieben ist – bei der Alten Leipziger reicht eine Krankschreibung von vier Monaten, sofern die AU voraussichtlich sechs Monate andauert.

Zu den Stolpersteinen der AU-Klausel zählen für Heidekamp die Meldefristen und Leistungsbegrenzungen. „Gute BU-Verträge mit AU-Klausel haben keine Meldefristen. Dann kann der Versicherte z. B. aufgrund einer psychischen oder organischen Erkrankung, die nicht zu einer BU führte, auch Monate oder Jahre später rückwirkend noch Leistungen geltend machen. Ohne Meldefristen kann der Versicherte zudem problemlos so lange Krankentagegeld beziehen, bis dieser Anbieter selbst die Leistungen wegen BU einstellt.“

Wichtig sei darauf zu achten, wie die AU nachzuweisen ist. „Viele Anbieter fordern einen Nachweis nach § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz oder sogar eine fachärztliche Bescheinigung eines in Deutschland zugelassenen Facharztes“, so Heidekamp. „Für ins Ausland entsandte Beschäftigte ist der Nachweis dann schwierig bis unmöglich. Es ist wichtig, dass der BU-Versicherer auch die im Ausland ausgestellten Belege anerkennt. Verweist jedoch der Versicherer auf § 5 EnGfG, so muss damit gerechnet werden, dass kein Leistungsanspruch besteht. Denn daraus folgt, dass unter anderem auch die vorgeschriebenen Formulare benutzt werden müssen.“

Zudem weist er darauf hin, dass ein Großteil der Versicherer, die eine AU-Klausel anbieten, diese auf 18 bis 24 Monate für die gesamte Vertragslaufzeit begrenzen. Erkrankt der Versicherte mehrfach schwer und länger, wird aber nicht berufsunfähig, kann die AU-Leistung also irgendwann auch „aufgebraucht“ sein.

Heidekamp hält die AU-Klausel für so wichtig, dass er bereits BU-Versicherten zumindest zur Prüfung ihrer Verträge rät. Je nach Beruf, Alter und Gesundheitszustand sei es sinnvoll, in einen Vertrag mit AU-Klausel zu wechseln.

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